Bottrop-Kirchhellen. . Bauer Sagel aus Bottrop kennt all seine Tiere beim Namen, zeigt Kindern den Lernbauernhof und betreibt „tierfreundliche Landwirtschaft“.

Bauer Sagel kennt jedes Rindvieh beim Namen. Und das kann nicht jeder Bauer von sich behaupten. Da wäre zum Beispiel Roberta, die gerade ein Kälbchen bekommen hat, und zu der sich der Bauer sogar ein ungeschminktes Charakter-Urteil erlauben kann: „Die Roberta ist ein bisschen blöd im Kopf.“ Wie er das sagt, das klingt trotzdem liebe- und respektvoll. So liebevoll, wie er mit allen Tieren auf seinem Hof umgeht. Denn Bauer Sagel, der selbst gar keinen großen Wert auf Vornamen legt („Du kannst ruhig Bauer zu mir sagen, das sagen selbst alle meine Freunde!“) und eigentlich Burkhard heißt, hat vor allem eins im Sinn: „Wir wollen, dass es die Tiere wirklich nett haben.“ Der Bauer hat ein großes Herz – und das trägt er auch auf der Zunge.

Früher war der 50-Jährige ein typischer Schweinebauer, hatte stets 350 Zuchtsäue auf dem Hof und verbrachte den ganzen Tag im Stall. Doch sein Leben änderte sich.

„Wenn wir Fleisch essen, wollen wir wissen, woher es kommt.“

Glückliches Mutter-Rind-Verhältnis: Die „Alte Sharon“ (r.) leckt zärtlich den Hals ihres schon recht großen Kalbs Felix, geboren im April 2018.
Glückliches Mutter-Rind-Verhältnis: Die „Alte Sharon“ (r.) leckt zärtlich den Hals ihres schon recht großen Kalbs Felix, geboren im April 2018. © Ralf Rottmann

„Mit der neuen Partnerin ist auch soziales Engagement gekommen“, erzählt er. Sie begannen, sich für traumatisierte und benachteiligte Kinder einzusetzen. Außerdem betreibt Sagel seinen Betrieb auch als Lern-Bauernhof für Kindergärten und Schulklassen. Nebenher betreibt er Mietgärten auf 6000 Quadratmetern. „Irgendwann hat meine Freundin mit Pferden angefangen und wir haben zwei Rinder dazwischen getrieben. Wir haben immer zwei im Frühjahr gekauft und im Winter selbst aufgegessen.“ Und dann passierte Folgendes: „Ich habe damals sechs bis acht Stunden im Schweinestall gearbeitet. Wenn man damit fertig ist, hat man die Schnauze voll. Dann bin ich rausgegangen auf die Wiese zu den Pferden und Kühen, habe die gestreichelt – und die Mietgärtner haben das gesehen.“ Sie wollten plötzlich Fleisch von diesen Rindern, doch der Bauer fragte erstmal: Warum? „Die haben gesagt: Den Tieren geht’s doch gut, wir sehen, dass du gut mit denen umgehst. Wenn wir schon Fleisch essen, wollen wir wissen, woher es kommt.“

Darin erkannte der Bauer Sinn und eine Chance, aus dem Teufelskreis von sinkenden Fleischpreisen und wachsenden Betriebsgrößen heraus zu kommen.

Fleisch nur auf Bestellung per Netz an festen Tagen

Heute quiekt bei ihm keine Sau mehr, in verwaisten Schweineställen hängen Spinnweben. Stattdessen hält er 50 Rinder und hat das Netzwerk „Tierfreundliche Landwirtschaft“ gegründet, dem mittlerweile sechs weitere Höfe angehören. Auf drei Höfen wird Fleisch verkauft, die anderen Netzwerker steuern Duroc-Schwein und Weidehähnchen bei. „Im November 2015 haben wir begonnen, Fleisch in Acht-Kilo-Boxen zu verkaufen. Das schlug ein wie eine Bombe, wir waren teils auf fünf Monate im Voraus ausverkauft…“

Wichtig zu wissen ist: Bei Bauer Sagel kann man nicht einfach so vorbeifahren. Wer Fleisch kaufen will, muss per Internet vorbestellen. Und am vereinbarten Wochenende zum Abholen kommen. Das Fleisch ist ein bisschen teurer als anderswo, dafür kann man sicher sein, dass die Tiere vor der Schlachtung gut behandelt worden sind. Trotzdem, an einer Tatsache kommt auch Bauer Sagel nicht vorbei: „Selbst das glücklichste Tier muss irgendwann aufgegessen werden“, sagt er.

„Die Mietgärtner sind meine besten Botschafter.“

Kälbchen Celine (geb. 8.9.2018) stammt von Mutterkuh Roberta...
Kälbchen Celine (geb. 8.9.2018) stammt von Mutterkuh Roberta... © Ralf Rottmann

Die Rinder stammen von Sagel selbst und vom Hof der Familie Schulte-Kemper, die Hähnchen kommen vom Hof Schickermooser in Sundern-Stemel, die Duroc-Schweine vom Bauernhof Dingwerth im münsterländischen Füchtorf. Und der Bauerngarten Benninghofen in Ratingen hat gar keine Tiere, verkauft aber sonntags ebenfalls das Fleisch des Netzwerks.

Neben der Rinderzucht hat Bauer Sagel noch ein paar andere Dinge zu tun, etwa mit den 6000 Quadratmetern Mietgärten, was zwar kaum Gewinn abwirft, aber: „Die Gärtner sind meine besten Botschafter.“

Und sehr kinderfreundlich sind Sagel und Partnerin Patricia Nolting auch: Auf dem Lernbauernhof haben Schüler und Kindergartenkinder die Möglichkeit, das Landleben kennenzulernen. Termine für Klassen und Gruppen sind jedoch bis ins kommende Frühjahr ausgebucht.

„Ich spare am Grill, nicht am Fleisch.“

Auch Kinder wie Celine (3) fühlen sich wohl bei Bauer Sagel.
Auch Kinder wie Celine (3) fühlen sich wohl bei Bauer Sagel. © privat

Auch wegen der Kinder ist ihm wichtig, dass die Rinder ganz zahm sind. „Ich hab eine Truppe, die kommt auf den Schoß. Aber mit den Kühen ist es wie mit Menschen: Es gibt nette und blöde. Im Augenblick gehe ich nur nach Charakter bei der Zucht. Ich gehe nur auf Zutraulichkeit. Es ist auch für ein Kind entspannend, wenn das Tier keine Berührungsangst hat.“ Entscheidend ist, dass das Muttertier vergisst, dem Kalb das Wegrennen beizubringen.

Außerdem: Die kleine Tageskinderpflege von Patricia Nolting (Kinder von 0 bis 3 Jahren) führt eine Reservierungsliste bis 2021…

Und Stammkunden zeigt Bauer Sagel gern seine Leidenschaft: Asado-Grillen wie in Argentinien, schön langsam, nur mit Salz als Gewürz, auf selbstgebauten Grills für wenig Geld. „Manche kaufen einen Grill für tausend Euro und legen Fleisch für ein paar Cent drauf. Ich spare am Grill, nicht am Fleisch“, sagt Sagel strahlend und man merkt, dass ihm sein Leben und Job vom ersten Schritt in den Stall am Morgen bis zum Erlöschen der Grillglut am Abend eine Menge Spaß macht.

>>>Bauernhof Sagel in Bottrop-Kirchhellen

Das Fleisch von Bauer Sagel muss vorbestellt werden ( tierfreundliche-landwirtschaft.de ). Man kann es an den Verkaufswochenenden u.a. in Bottrop und Ratingen in Paketen (Rind und Schwein ab 5kg, Hähnchen ab 2 kg) abholen. Ein Teil kommt an den Freitagen der Verkaufswochenenden in den freien Verkauf. Termine: 5.-7.10 und 9.-11.11.

Mehr Infos: Bauernhof Sagel, Am Dahlberg 8, Bottrop-Kirchhellen, bauernhof-sagel.de. Mail: fleisch@rindvombauer.de.