Haltern am See. . Ob einen Liter, einen halben oder gleich drei: Die Kunden können auf dem Hof von Matthias Schulte-Althoff in Haltern die Milch selbst abfüllen.

„24-Stunden-Tankstelle“ – wer diesem Schild an der Flaesheimer Straße in Haltern am See folgt, kann dort natürlich auch rund um die Uhr zapfen. Aber nicht Sprit für sein Auto, sondern Milch in Flaschen.

Die Familie Schulte-Althoff stellte vor drei Jahren auf ihrem Hof die Tankstelle auf. Den Kunden gefiel das so gut, dass sie sich nur noch eines wünschten: den Zapfhahn in ihrer Nähe. Landwirt Matthias Schulte-Althoff nutzte die Chance, sich von den großen Molkereien unabhängig zu machen, und stellte nahezu komplett aufs Milch-Tanken um. Seit einem Jahr beliefert ein Mitarbeiter mit einem Kastenwagen, dem „Milchtaxi“, andere Bauernhöfe und Supermärkte in Haltern oder Marl, in Recklinghausen oder Oer-Erkenschwick. Und das dreimal in der Woche. „Es ist ein kurzer Weg von der Kuh zum Kühlschrank: Abends gemolken und morgens im Supermarkt – das hat man selten“, so der Milchbauer.

Der müde Milchbauer

Die Zapf-Milch kommt von Charlotte oder Danubia. „Erna oder Berta gibt es bei uns nicht, wir haben nur ausgefallene Namen“, sagt Matthias Schulte-Althoff lachend, während er ein Rotbuntes Rind krault. Das Tier legt dabei den Kopf schief wie ein Hund, als ob es sagen wollte: Bitte nicht aufhören! Der Name dieser Dame will dem 30-Jährigen aber gerade nicht einfallen. 120 Namen, so viele Kühe gibt es auf seinem Hof, den sein Vater von einem Onkel übernahm. Da kann einem schon mal einer entfallen. Besonders, wenn man müde ist. 10.45 Uhr, Matthias Schulte-Althoff gähnt. Bis vor wenigen Minuten hat er noch im Bett gelegen. Ein Bauer, der bis 10.45 Uhr schläft? Von wegen Milch macht müde Männer munter. . .

Wo andere Leute Urlaub machen

Nein, wiegelt Matthias Schulte-Althoff ab: „Ich habe mich nach dem Melken noch mal hingelegt.“ Der Tag zuvor, ein Sonntag, war lang. Der Mais musste gehäckselt werden. Und da packt zwar die ganze Familie mit an, auch die beiden Brüder von Matthias Schulte-Althoff, die sonst nicht auf dem Hof arbeiten. Trotzdem gab es viel zu tun: Vier Uhr morgens, also fast eine Stunde früher als sonst, war Matthias Schulte-Althoff auf den Beinen. Und der Arbeitstag endete um 23 Uhr. Aber stöhnen will er ganz bestimmt nicht. „Ich weiß, dass ich da lebe und arbeite, wo andere Leute Urlaub machen.“

An der Milch-Tankstelle auf dem Hof bekommen Kunden die ganz frische Rohmilch, die noch nicht erhitzt wurde.
An der Milch-Tankstelle auf dem Hof bekommen Kunden die ganz frische Rohmilch, die noch nicht erhitzt wurde. © Lars Heidrich

Der Mais ist für die Kühe. Es ist das Winterfutter neben Getreide und Gras. Das kommt nahezu komplett vom eigenen 55 Hektar großen Land, so Schulte-Althoff. Doch in diesem Jahr müssen sie früher zufüttern. Das Wetter ist so trocken. „Auf der Wiese wächst nichts mehr.“

An diesem Vormittag stehen die meisten Kühe im Stall oder liegen dort auf weichem Sägemehl. Drei sind auf der Weide, die in diesem Hitzesommer zum Teil einem Acker gleicht, eine Kuh steht unschlüssig am Tor – raus oder rein? „Die Tiere legen sich nicht in die Sonne, da bleiben sie lieber im Stall.“ Sobald es jedoch abends abkühlt, seien die meisten Kühe draußen.

Die Kälbchen haben ihre eigenen Ställe, die überschüssige Milch, die mit dem Milchtaxi aus den Supermärkten zurückkommt, bekommen sie zusätzlich. „Es gibt Kälber, die trinken 15 Liter pro Tag.“ Sie nuckeln an Eimern, die Eutern gleichen. Dass der Bauer die Kälbchen kurz nach der Geburt von der Mutter trennt, können Menschen, die auf Anfrage den Hof besichtigen, nicht immer gut nachvollziehen.

Dabei sei es ein gängiges Verfahren, so Schulte-Althoff. Und anders sei es bei dem Platz, den sie haben, nur schwer zu managen. Die männlichen Jungtiere werden nach wenigen Wochen an einen Betrieb verkauft, der sie aufzieht und mästet. Die weiblichen Tiere sind zunächst unter sich. „Die Kälber bleiben in der Regel in Vierergruppen zusammen.“ Nach ungefähr zwei Jahren kalben sie selbst das erste Mal.

Das Melken dauert sieben Minuten

Zweimal am Tag werden die Kühe gemolken, morgens halb sechs und abends halb fünf werden sie zum Melkstand geführt. Jedes Mal kontrolliert Schulte-Althoff als Erstes, ob die Milch auch in Ordnung und zum Beispiel kein Äderchen im Euter geplatzt ist. Eine Molkerei überprüft den Hof ebenfalls mehrmals im Monat. Das Melken geht schnell, so Schulte-Althoff. „Im Schnitt dauert das für jede Kuh sieben Minuten.“

Matthias Schulte-Althoff hat auch die traditionelle Melkweise gelernt: mit Hand und Schemel. „Als Kind habe ich die Milch direkt in die Tasse gemolken.“ Auch als Erwachsener trinkt er sehr gerne Milch mit einem Fettgehalt von etwa 3,8 Prozent. Dann aber nicht mehr kuhwarm, sondern bitte kühlschrankkalt.

Vor dem Verzehr abkochen

Bio ist die vollmundige Milch nicht – dafür benötigten sie bei 120 Kühen größere Ländereien. Trotzdem ist die Milch etwas anderes als die aus dem Discounter. „Rohmilch – Vor dem Verzehr abkochen“ steht auf der Tankstelle auf dem Hof. Zu diesem Hinweis ist Schulte-Althoff gesetzlich und aus hygienischen Gründen verpflichtet. Aber, ob das auch wirklich jeder macht?

Für die Supermärkte hat sich die Familie eine kleine Molkerei zugelegt, um die Rohmilch schonend und kurz zu pasteurisieren. „75 Grad für 13 Sekunden – und dann wird die Milch sofort wieder runtergekühlt.“ So werden Keime abgetötet, die Milch bleibt länger haltbar.

Auf den Flaschen, die die Kunden auf dem Hof kaufen können, steht: „Trink Mi[l]ch“. Und zwar innerhalb von fünf Tagen – so lange ist die Rohmilch von der Hof-Tankstelle haltbar. Also nicht ungefähr 20 Tage wie heute die oft länger haltbare Supermarkt-Milch. Dafür müsste man die Milch noch stärker erhitzen, so Matthias Schulte-Althoff. Aber das sei nicht gut für die gesunden Inhaltsstoffe.

Der Rahm setzt sich ab

Anfangs ging immer wieder das Telefon: „Ihre Milch ist ja schon schlecht!“, beschwerten sich Kunden. Dabei hatte sich lediglich der Rahm abgesetzt. Das passiert, wenn die Milch nicht homogenisiert ist, die Fettteilchen also nicht unter hohem Druck zerkleinert werden.

„Die Flasche schütteln“ lautet der einfache Tipp – und schon verteilt sich das Fett wieder gleichmäßig in der Milch. Manche Kunden wollen das aber gar nicht. Sie schöpfen den Rahm ab, um ihn im Kaffee zu genießen.

>> MILCHBAUER SCHULTE-ALTHOFF

Die 24-Stunden-Tankstelle mit Rohmilch zum Selbst-Zapfen für 1 Euro pro Liter steht auf dem Hof an der Flaesheimer Str. 619 in Haltern am See. Man kann Flaschen kaufen (kein Pfand) oder eigene, gespülte mitbringen. In einem Automaten werden Produkte aus der Region angeboten: Eier, Kartoffeln, Wurst, Honig.

Andere Zapf-Stellen (1,50 € pro l): milchbauer-matthias.de