Essen. . Schreiben und genesen. Doch wie fängt man an? Poesietherapeutin Silke Heimes hilft, Gedanken auf Papier zu ordnen.

Warum ich? Warum passiert das ausgerechnet mir? Wenn das Schicksal zuschlägt, sind Wut und Verzweiflung oft sehr groß. „Da kann man sich mit dem Schreiben ein Ventil schaffen, um diesen ganz akuten Stress herunterzufahren“, sagt Silke Heimes, Ärztin, Poesietherapeutin und Journalistik-Professorin an der Hochschule Darmstadt. Dabei geht es nicht darum, gut oder schön zu schreiben, sondern die Gedanken zu sortieren.

Schreibtherapeutin Silke Heimes.
Schreibtherapeutin Silke Heimes. © HO

Das Schreiben ins Tagebuch kann ein Anfang sein. Danach empfiehlt sie Übungen des Therapeutischen Schreibens. „Weil sonst die Gefahr ist, dass man in der ersten Phase hängenbleibt, dass man hadert und zweifelt und grübelt, ohne vom inneren Fleck wegzukommen.“ Die 50-Jährige nennt als Beispiel das „Krisen-ABC“. Man kann zu jedem Buchstaben ein Blatt nehmen und sich so mit der Krise auseinandersetzen. „A steht für ,aktiv werden’.“ Wie etwa, Fachliteratur lesen. B ist: Bewertung ändern. „Wie bewerte ich das, was mir gerade zustößt?“, so Heimes. „Das erlebe ich oft beim Therapeutischen Schreiben, dass zum Beispiel eine Krebserkrankung für die Leute wie ein Weckruf ist: Wie will ich den Rest meines Lebens verbringen?“ Und dann ist man schon bei C wie Chancen.

Die positiven Seiten des Schreibens

„Wer versucht, das nur gedanklich auf die Kette zu kriegen, der bekommt irgendwann einen Knoten im Kopf.“ Wer sich die Gedanken dagegen notiert, erkennt Querverbindungen, kann die Texte nachlesen, ergänzen, jemand Drittes zeigen, nennt Heimes die positiven Seiten des Schreibens. „Indem ich so meine Emotionen und Gedanken sortiere und in den Griff bekomme, bin ich selbstwirksam. Ich habe allein die Kraft, mir zu helfen.“ Es sei denn, das Schreiben wühlt mehr Gefühle auf als dass es beruhigt. „Dann ist es Zeit, einen Therapeuten hinzuziehen.“

Heimes rät zu festen Zeiten fürs Schreiben. „Zehn Minuten am Tag. Wenn ich nur ein Wort aufschreibe, ist das völlig in Ordnung, aber sich diese Zeit einzuräumen, finde ich wichtig.“ Am Computer kann man das Geschriebene besser speichern, verschicken. „Beim Schreiben mit der Hand werden jedoch ganz verschiedene Areale im Gehirn aktiviert, die für Kreativität und Vernetzung von Gedanken zuständig sind.“ Wer direkt mit dem Schreiben anfangen möchte, braucht also nur zum Stift zu greifen und diesen Halbsatz fortzuschreiben: „Als ich heute Morgen erwachte...“ Silke Heimes: „Da ist man sehr schnell am Punkt, wo es ums Wesentliche geht.“

>> WEITERLESEN UND -SCHREIBEN

Silke Heimes hat mehrere Bücher zum Thema verfasst, z.B.: Schreib dich gesund – Übungen für verschiedene Krankheitsbilder, V&R, 125 S., 15 €

Das Krisen-ABC steht etwa in dem Buch: Diegelmann/ Isermann: Kraft in der Krise, Klett-Cotta, 160 S., 19 €