Bochum. . Die „Flotte Karotte“ gehörte zu den ersten im Ruhrgebiet, die regionale Frische an öko-bewusste Privatkunden lieferten - ein Erfolgsmodell.

Wenn man selbst nicht zum Hofladen fahren kann, dann kommt der Hofladen eben nach Hause... So einfach ist das Prinzip, nach dem die „Flotte Karotte“ arbeitet. Und aus heutiger Sicht mag es trivial klingen, aber als Christian Goerdt sich 1996 mit der Idee eines Biokisten-Betriebs selbstständig machte, war die Idee eines Lebensmittel-Bringdienstes, der frische Waren nach Hause liefert, für manche Menschen noch ziemlich abseitig. Es war nicht einmal selbstverständlich, zum Bauernhof zu fahren und dort im Hofladen einzukaufen: „Ich habe seinerzeit den Franz-Sales-Hof in Essen-Steele auf ökologischen Landbau umgestellt“, berichtet Goerdt (55), der gelernter Landwirt und studierter Agraringenieur ist. „Es kamen damals immer mehr, die sagten, dass sie dort einkaufen wollten. Wir hatten Milch, Eier und Kartoffeln. Aber die Eröffnung eines Ladens klappte nicht. Heute gibt es dort natürlich den eigenen Hofladen.“

Eine Nachfrage unter den Freunden von Öko-Lebensmitteln gab es also durchaus. Und so gründete Goerdt in Essen-Steele seinen Lieferdienst, der seit 2013 in Wattenscheid sitzt – zufällig genau gegenüber der „Backbord“-Biobäckerei. „Normalerweise war ich immer der erste Öko in der Straße“, sagt der Chef und lacht.

Kernprodukt ist damals wie heute die „Saisonkiste“

Keine Kiste gleicht der anderen...
Keine Kiste gleicht der anderen... © André Hirtz

Tatsächlich steht das Firmengebäude mitten in einem Gewerbegebiet, also ein Stück weg von Feldern und Obstbäumen. Doch drinnen in der Halle packen die Mitarbeiter sorgsam ihre Bio-Kisten. Und die könnten unterschiedlicher nicht aussehen. „Unser Kernprodukt ist damals wie heute die sogenannte ,Saisonkiste‘. Wir haben Vertragslandwirte, sie melden sich bei uns und sagen: ,Der Mangold ist gut, ich habe die ersten Zwetschen da...’“

Jetzt im Sommer hat der Kunde praktisch alle Waren regional. Goerdt ergänzt: „100 Prozent bio, 100 Prozent regional und 0 Prozent Müll. Weil es eben in der Mehrwegkiste kommt, unverpackt, maximal mit einem Papiertütchen drum. Und die leere Kiste und die leere Milchflasche nimmt der Fahrer nächste Woche wieder mit.“ Selbst die reine „Regio-Kiste“ ist noch im Winter sehr passabel bestückt. „Durch den neuen Gewächshausbetrieb haben wir die Regio-Kiste ans Laufen bekommen, nach drei Anläufen. Nun gut, im Winter ist natürlich auch viel Kappes dabei.“ Aber ebenso Blatt- und Asia-Salate aus dem unbeheizten Gewächshaus, und Pilze von niederrheinischen Produzenten.

Die Palette eines großen Biomarkts abgedeckt

Keine Kiste gleicht der anderen: In der einen liegen gerade Zwetschen, Paprika und Bananen, in der nächsten Blaubeeren, Kresse und Portobellopilze, in einer dritten stecken eher Eier, Milch und Gurken…

Petra Korten beim Zusammenstellen der Kisten nach Kundenwünschen.
Petra Korten beim Zusammenstellen der Kisten nach Kundenwünschen. © André Hirtz

Petra Korten arbeitet mit drei anderen Mitarbeitern in der modernen, luftig kühlen Lagerhalle gerade die Bestellungen der Kunden ab, die per Internet-Bestellung oder Telefon eingegangen sind. Außer der Saison-Kiste tragen die Grundmixe solche Namen wie „Quer durchs Gemüsebeet“, „Schonkost-Kiste“, „Fruchtige Vielfalt“ oder ganz simpel „Apfel-Zucchini“. Und es lassen sich Waren hinzufügen und entfernen. Der Kunde bestimmt. Und weil das so ist, hat die „Flotte Karotte“ ihr Sortiment so sehr erweitert, dass sie die Palette eines großen Biomarkts abdecken kann, inklusive Fleisch, Brot, Aufstrichen, Bio-Limos und Weinen. Der liebste Tropfen von Christian Goerdt heißt sogar „Landpartie“…

Der Erfolg der „Flotten Karotte“ gibt dem Öko-Unternehmer recht. Und er sagt Sätze wie: „Die Wertschöpfung bleibt hier, die Arbeitsplätze sind hier, wir haben die Produkte hier produziert.“ Für die Vermarktung seiner Waren hat Goerdt ein Händchen. Das sieht man schon daran, wie auffällig die Karottenflotte ist: Auf den Fahrzeugen findet sich eine überdimensionale Möhre, für alle ein weithin sichtbares Markenzeichen des Bringdienstes.

Holzständerbauwerk mit Geothermie gekühlt und beheizt

Eine einzige alte Möhre steht übrigens auf dem Ladehof, ein alter Toyota-Lieferwagen: „Wir nennen ihn den Unsterblichen! Nach 220 000 Kilometern musste er zum ersten Mal außerplanmäßig in die Werkstatt. Jetzt ist er bei 260 000“, berichtet Goerdt, der gerade dabei ist, auf E-Mobile umzustellen. Das erste ist schon da, das zweite gerade bestellt.

Fassade mit Kunst: Das Gebäude der „Flotten Karotte“.
Fassade mit Kunst: Das Gebäude der „Flotten Karotte“. © André Hirtz

Und auch das Gebäude gehört zu den ökologischsten, die man im Ruhrgebiet finden kann: Ein Holzständerbauwerk, das mit Geothermie gekühlt und geheizt wird. Oben drauf eine Photovoltaik-Anlage für die Stromversorgung, alles komplett C02-frei. Holz aus Kunstwerk-Recycling steckt in der Fassade: Die Reste des „Fußgängerkreuzes“ von Martin Kaltwasser, das 2012 bei der Ruhrtriennale an der Jahrhunderthalle stand, wurden hier eingearbeitet.

Auch wenn die „Flotte Karotte“ längst nicht mehr der einzige Biokisten-Bringdienst ist, beharken sich die Anbieter nicht. „In Dortmund ist der Werkhof, auch ein Ökokistenbetrieb und im gleichen Dachverband wie wir. Im Westen ist der Lammertzhof. Man guckt schon ein bisschen, dass man sich abspricht. Das Geld soll ja nicht beim Scheich bleiben.“

  • Die „Flotte Karotte“ist ein Bio-Lieferservice, bei dem man per Internet (flottekarotte.de) oder Telefon 02327/8308630 individuell zusammengestellte Biokisten im Abo bestellen kann. Geliefert wird einmal pro Woche nach Essen, Hattingen, Gelsenkirchen, Bochum und Herne.