„Menschen heiraten heute aus guten Gründen“, so der Therapeut Wolfgang Krüger. Er erklärt, warum eine Hochzeit früher oft der Tod der Liebe war.

Der Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger ist Spezialist für Paarbeziehungen. Kathrin Gemein sprach mit ihm über die Ehe.

Hat sich die Ehe im Laufe der Jahre stark gewandelt?

Ja, vollständig. Früher hat man aus finanziellen Gründen geheiratet, aus Abhängigkeiten oder wegen der Kinder. Ab dann war der Zweck der Sache eigentlich erfüllt und man hat sich nicht mehr viel um den anderen bemüht. Deswegen war Heiraten der Tod der Liebe. Heutzutage nimmt nicht nur die Häufigkeit zu, sondern auch die Dauer von Ehen. Heiraten wird zumeist mit Romantik gleichgesetzt. Und Hochzeiten werden häufig sehr groß inszeniert.

Woran liegt das? An der Freiheit, aus purer Romantik heiraten zu können?

Bestimmt auch. Wir müssen nicht mehr. So ist Heiraten keine sachliche Entscheidung mehr. Außerdem sind Ehen in den vergangenen Jahren besser geworden. Die Ansprüche an eine Beziehung sind gewachsen – und zugleich ist die Fähigkeit, mit Partnerschaftskonflikten umzugehen, erheblich gestiegen.

Woher kommt diese höhere Beziehungskompetenz?

Im Wesentlichen heiraten diejenigen, die bereits eine gute Beziehung führen, sich viel länger geprüft und schon zusammengewohnt haben. Somit heiraten Menschen heute aus guten Gründen: als Intensivierung, als Liebeserklärung und Zeichen des Vertrauens. Zahlen zeigen, dass Paare, die heiraten, hinterher eine bessere Beziehung haben als vorher.

Und warum sollte sich durch eine Hochzeit eine sowieso schon gute Beziehung verbessern?

Es ist doch ein bewegender Akt, dass man dem anderen so öffentlich zeigt, dass man zusammen sein will! Die Ehe hat dann vor allem Auswirkungen auf Konfliktzeiten, in denen man normalerweise geneigt ist, sich zurückzuziehen. Doch dass sich beide im Klaren sind, dass dieser Bund nicht mehr so leicht aufzulösen ist, gibt einem ein tiefes Gefühl von Zugehörigkeit und Vertrauen.

Geht das nicht auch ohne eine Ehe?

Natürlich kann man das auch anders machen. Aber die Heirat hat eine so große Bedeutung, weil sie ein staatlicher Akt ist, den man nicht so einfach auflösen kann. Das führt dazu, dass man sich in den Monaten vor der Eheschließung innerlich in einem Prozess der Auseinandersetzung befindet: Will ich diesen Schritt machen oder nicht? Das führt dazu, dass man danach noch enger zusammengeschmolzen ist.

Glauben Sie nach all den großen und kleinen Liebessdramen, die Sie über Ihren Beruf mitbekommen haben, denn immer noch an die Romantik?

Die Frage ist, wie man Romantik definiert. Als sehr junger Mensch ist man romantisch aus Unwissenheit. Mit zwölf, 13 Jahren liebt man ein Mädchen, das man gar nicht kennt und zu dessen Fenster man immer hochschaut. Und später trifft man jemanden, ist völlig verliebt – und auch hier weiß man gar nicht, was auf einen zukommt. Man muss aber viel wissen über Partnerschafts- und Machtprozesse: Wann muss ich Nähe herstellen und wann ist es besser, Distanz zu haben. Partnerschaft ist ja ein unendliches Programm. Das ist eine andere Form der Romantik, die zugleich sehr erwachsen ist.