Rhein und Ruhr. Interaktive Radkarten, 360-Grad-Panoramen, Videotouren, Audioführer in zig Sprachen: Die Städte haben für Touristen digital stark aufgerüstet.

In Ruhrort dümpelt friedlich die Oscar Huber am Ufer, jener schmucke Seitenrad-Schleppdampfer, der seit Jahr und Tag als Museumsschiff seinen Dienst tut. An der Promenade davor steht Kai Homann mit seinem Smartphone in der einen und dem Brompton-Falt­rad in der anderen Hand. Er gerät beim Erzählen manchmal ins Schwärmen, gerade wenn es ums Radeln am Wasser geht, er zitiert schöne Sätze wie „Die Ruhr küsst hier den Rhein“ und zählt kurz aus dem Effeff die Pluspunkte von Duisburg auf: „37 Rheinkilometer“, „größter Binnenhafen der Welt“. Und, und, und… Das ist einerseits sein Job, andererseits muss er die Begeisterung nicht spielen, die ist da. Homann ist beim Stadtvermarkter „Duisburg Kontor“ für den Tourismus zuständig und, wenn es hier ebenfalls etwas blumig werden darf, daran beteiligt, dass „Die virtuelle Welt die reale küsst“. Oder trivialer: Dass die tatsächlich traumhafte Aussicht an der Rhein-Ruhr-Mündung auch bestens mit dem Handy zu finden ist.

Wer heute eine Stadt kennenlernen will, wird meist nicht mehr nur mit dem Stadtplan durch die Straßen ziehen oder radeln. Und jede Stadtrundfahrt und -führung hat zwangsläufig Lücken, die man am besten selbst schließt. Sehr wichtig dabei ist auch die Verzahnung von traditionellen und elektronischen Medien: „Es geht immer noch sehr viel über Stadtpläne, weil die Menschen einfach gern etwas in der Hand haben. Wer ein Smartphone hat, wird trotzdem oft noch auf einen Stadtplan zurückgreifen“, so Homann.

„Was heißt Innenhafen auf Chinesisch?“

13 Printprodukte haben seine Mitarbeiter und er in den letzten 15 Monaten erstellt: Duisburg für Familien, mit dem Rad, für Museumsfreunde, für Business-Reisende, eine Hotspot-Karte für Ruhrort, auf Englisch, Niederländisch, Chinesisch, was eben so nachgefragt wird… „Was heißt Innenhafen auf Chinesisch?“ Das kann man zumindest dann erfahren, wenn man den entsprechenden Prospekt durchblättert, den es natürlich auch online übers Portal issuu.com gibt, ebenfalls zum lokalen Download. „Jedes Produkt, das wir erstellen, soll zugleich digital verfügbar sein, das ist unser Anspruch.“

Während sich viele Städte auf ihren Webseiten noch eher wie ein virtuelles Rathaus oder als verlängerter Arm der Verwaltung präsentieren, hat duisburg.de den Tourismus in den Vordergrund gestellt und die klassischen Funktionen dahinter. Wer auf die Seite geht, findet in Smartphone-kompatibler Kacheloptik auch gleich ein Portal für Hotelübernachtungen vor Ort, einen Eventkalender und digitale Radtouren. Die sind nicht nur über die eigene Webseite verfügbar, sondern zusätzlich über gängige Outdoor-Portale wie „Outdoor Active“ und „Komoot“.

„Die Leute dort abholen, wo sie unterwegs sind.“

Dabei ist etwa als Route die „Duisburger Acht“ verfügbar, von der Homann heute einen Teil nachradelt und die auch nach Ruhrort führt, zwei Schleifen, die viele der 40 touristischen Sehenswürdigkeiten umfassen. Der Weg über mehrere Infokanäle ist für Homann selbstverständlich: „Wir wollen die Leute dort abholen, wo sie ohnehin unterwegs sind.“ Dazu gehören natürlich soziale Medien wie Facebook oder Instagram. Das ist alles sehr umfassend aufbereitet und optisch voll auf der Höhe der Zeit.

Transportiert wird das touristische Markenzeichen Duisburg meist über Fotos der Skulptur „Tiger & Turtle“ auf der Heinrich-Hildebrand-Höhe, einer Halde aus Überresten einer Zinkhütte, Slogan „Stadt von Wasser & Feuer“.

Und wer die Stadt technisch noch ein wenig anspruchsvoller erschließen möchte, kann die App „Locallee DU“ aufs Telefon herunterladen, bei der eine animierte Karte stets auf die Sehenswürdigkeiten Duisburgs ausgerichtet ist, selbst wenn man gerade gar nicht in der Stadt ist.

„Was wir wollten? Heiligenhaus in der Hosentasche!“

Eine Spur schwindelerregender wird’s noch, wenn man etwa ins Niederbergische schaut, wo man den „HeiligenhausGuide“ findet. Die App zielt nicht in erster Linie auf Tourismus, sondern auf den Handel. Aber sie verweist in einer spektakulären 360-Grad-Panorama-Luftaufnahme auch auf alles Sehenswerte in der Stadt. Wer etwa auf einen der Hotspots klickt, die über den Dächern zu schweben scheinen, wird mit einer Animation an diesen Ort gezoomt – und auch dort wartet wieder eine 360-Grad-Rundumsicht… „Was wir wollten? Heiligenhaus in der Hosentasche“, formuliert Annelie Heinisch vom Heiligenhauser Stadtmarketing es ganz salopp.

Die Technik hinter diesem Portal, das sich per Browser unter heiligenhaus.guide öffnen lässt, liefert die Mülheimer Firma „citymarketing.online“, solche Ansichten liefert sie bereits für Mülheim und Essen (muelheim.guide, essen.guide), Oberhausen kommt bis jetzt noch ohne die Rundumsicht daher.

„Auch die besten können nicht zwölf Sprachen!“

Auch andere Städte sind multimedial gut dabei. Heike Regener von meineheimat.ruhr, die in und um Dortmund Stadtführungen anbietet, verweist auf Audioguides, die es mittlerweile in zwölf Sprachen gibt. Sie weiß zwar: „Kein Audioguide kann einen kundigen Führer ersetzen. Aber auch die besten können nicht zwölf Sprachen sprechen.“

Bochum etwa setzt auf einen interaktiven Audio- und Videorundgang mit Karte und Anbindung ans City-WLAN.

Städten, die sehr klein oder touristisch weniger stark aufgestellt sind, hilft oft ein privater Anbieter auf die Beine. Der Magdeburger ehs-Verlag bietet seine Apps für mittlerweile 300 Städte an, in Zusammenarbeit und Datenaustausch mit den Tourismus-Vermarktern. „Wir wollen aber sowohl die Bürger einer Stadt als auch die Touristen ansprechen“, erklärt Geschäftsführer Raik Wilke. Am besten und umfassendsten klappe das derzeit in Krefeld.

Eine Postkarte vom Halden-Gipfel

Dass man sich nicht auf eine Stadt beschränken muss, zeigt der Kreis Recklinghausen. Er brachte schon vor drei Jahren die App zum „Halden Hügel Hopping“ an den Start, die zwölf Touren über die schönsten Erhebungen des Reviers im Angebot hat. „Die App ersetzt bei uns die gedruckte Karte“, sagt Sven Ahrens, der Vater dieses Freizeit- und Touristen-Angebots. Und am besten gefällt ihm bei all der Digitalisierung, dass ein Teil seines Programms ein Vorbild aus der analogen Welt hat: „Wer mit unserer App ein Foto macht, kann es gleich als Postkarte mit digitalem Rahmen und ,Schönen Grüßen aus dem Vest‘ verschicken.“ Hier treffen sich also digitale und analoge Welt abermals.

>>>Saisonstart auf Hoheward

Das „Halden Hügel Hopping“ startet an diesem Wochenende: Am Sonntag, 6. Mai, gibt es eine geführte Eröffnungstour (10.15-14.15 Uhr, 10 €). Eine vorherige Anmeldung ist erforderlich und noch möglich im Besucherzentrum Hoheward (Werner-Heisenberg-Straße 14, 45699 Herten, 02366/1811-60) und per Netz unter www.landschaftspark-hoheward.de