Essen. . Psychologe Björn Süfke setzt sich mit der Krise des heutigen Männerbilds auseinander. Er plädiert dafür, positive Visionen und Ziele zu finden.
Sie taucht immer wieder auf, die alte Grönemeyer-Frage: „Wann ist der Mann ein Mann?“ Dass wir ihr ständig begegnen, kann als Indiz für eine Krise unseres Männerbilds gedeutet werden. Doch Psychologe und Therapeut Björn Süfke aus Bielefeld weist den Weg von der Krise zur Chance. Im Buch „Männer – Erfindet. Euch. Neu.“ fächert er die Bestandteile des traditionellen, in vielerlei Hinsicht katastrophalen Männerbilds auf und führt sie zusammen mit modernen Entwürfen einer männlichen Identität. Was da entsteht, ist kein Patentrezept, aber ein Wink in eine neue Richtung. Georg Howahl sprach mit ihm darüber, wohin die Reise gehen kann.
Sie beschreiben zunächst das traditionelle Männerbild, geprägt von den Aspekten: Ernährer, Beschützer, Härte, Rationalität, Dominanz. Sind die alten Eigenschaften des Mannes heute auf dem Rückzug?
Süfke: Sie sind insofern auf dem Rückzug, dass sie nicht mehr unwidersprochen sind. Wobei die Anforderungen weiter bestehen, sie werden ja teils auch von Frauen gefordert. Der Rückzug geschieht bestenfalls auf Raten. Die Frauen hatten ganz starke positive Visionen für ihre Entwicklung, weil es eine klar wahrnehmbare Unterdrückung gab. Das fehlt den Männern. Was nicht heißt, dass Männer nicht auch in gewissen Bereichen leiden und diskriminiert werden.
Sie erklären, dass man das Leid von Männern ernst nehmen muss – und dass das nichts mit Frauenfeindlichkeit zu tun hat... Inwiefern?
Es herrscht noch immer vor: Männer dürfen sich nicht beschweren, sie dürfen nicht jammern. Weil das dem traditionellen Männlichkeitsbild widerspricht. Auch, weil Männer privilegiert sind, etwa beim Lohngefälle. Natürlich haben Männer Probleme, seelische wie körperliche. Oft wird die Erwähnung männlichen Leids abgetan, Motto: Solange Frauen diskriminiert werden, sei jeder Verweis auf Missstände beim Mann ein frauenfeindliches Sich-zum-Opfer-Stilsieren. Dabei muss man das Leiden beider Seiten unabhängig voneinander betrachten. Es darf kein Aufwiegen des Leids der Geschlechter gegeneinander geben.
Sollten Männer mehr über ihre Gefühle reden?
Es gibt in vielen Frauen den Wunsch, dass der Partner sich öffnet, emotional zugewandt ist und dass es eine Augenhöhe gibt. Gleichzeitig schlummert auch in den Frauen das traditionelle Männerbild, dass er stark sein soll und selbstständig. Wenn der Mann tatsächlich über Gefühle und Probleme spricht, wird er daran gemessen automatisch klein und schwach. Das passt einem Teil der Frauen auch wieder nicht.
Als eines der Krisengebiete des Mannes bezeichnen Sie die Vaterschaft. Wie kommen Sie dazu?
Väter werden in der Erziehung oft nicht für voll genommen. Wenn ich mit einer Mutter eine Absprache wegen der Kinder treffe, erzählt meine Frau mir oft abends, dass sie eine WhatsApp-Nachricht von der Mutter bekommen hat. Sie hätte mich auch direkt noch mal fragen können. Doch meine Frau als Mutter wird als Geschäftsführerin des Unternehmens „Erziehung“ angesehen, während ich Assistent der Geschäftsführung bleibe. Die andere Mutter tut das ja nicht böswillig, sie reagiert gewiss überrascht, wenn man es ihr bewusst macht.
Würde es etwas bringen, ein positives Männerbild zur besseren Orientierung zu entwerfen?
Es ist vielleicht gefährlich, ein Positivbild zu entwerfen. Denn wer das nicht erfüllt, wird leicht zum Versager erklärt. Mein Ansatz ist eher therapeutisch: Wir müssen aufhören mit den Bewertungen. Es geht nicht darum, dem Menschen zu sagen, was er alles gut und schlecht kann. Man sollte gucken: Was ist da alles in mir? Einfach schauen, unabhängig davon, ob jemand Mann oder Frau ist. Das ist aus meiner Sicht wo wir hinkommen müssen.
>>> Im Einklang mit den Gefühlen - ein Blick ins Buch.
Björn Süfke ist Männertherapeut. Zu dem 45-jährigen Psychologen kommen seit 20 Jahren ausschließlich Männer mit seelischen Problemen. In seinem Buch „Männer – Erfindet. Euch. Neu“ befürwortet er die Trennung vom traditionellen Männerbild des harten Beschützers und Familienernährers, der sich aber ansonsten als ein emotionstoter Egomane und sozialer Trottel gebärden kann. Die traditionellen Vorgaben führen den Mann im Extremfall dazu, seine Gesundheit zu vernachlässigen, Gefühle zu unterdrücken, Brutalität zuzulassen und sich in der Arbeit zu verausgaben, während sein Leben vorbeizieht.
Süfke sieht die traditionellen Eigenschaften des Mannes auf dem Rückzug, will sie aber nicht vollständig verbannen, vielmehr ins Verhältnis setzen zu persönlich erstrebenswerten Eigenschaften wie etwa der, ein guter Vater und Partner zu sein. Er rät Männern: „Wenn wir es tatsächlich schaffen, uns immer mehr von den Männlichkeitsvorstellung der Gesellschaft (...) zu emanzipieren, wenn wir auch immer häufiger erkennen, was in unserem Inneren vorgeht, welche Impulse es gibt, welche Gefühle in einer bestimmten Situation auftauchen, dann, bitte, zeigen wir anderen doch etwas davon!“