Liebesroboter und täuschend echte virtuelle Fantasien: Wie wird die Liebe in der Zukunft aussehen? Wir haben nach vorne geschaut.

Ich bin allein, mal wieder ganz allein
Starr auf den Fernsehschirm, starr auf den Fernsehschirm
Hab heut Nacht nichts zu tun, heut Nacht nichts zu tun
Ich brauch ein Rendez-vous, ich brauch ein Rendez-vous
Computerliebe

Kraftwerk, „Computerliebe“ (1981)

In unserer Vorstellung ist es schon lange möglich: Roboter, die dem Menschen als Partner dienen. In Fritz Langs „Metropolis“ (1927) trug Maschinenfrau Maria durchaus attraktive weibliche Züge. In „Westworld“ (1973) gab es bereits willige Liebesandroiden. Und selbst im weitgehend jugendfreien „Star Trek – Next Generation“ beteuerte Android Data, er sei „voll funktionsfähig“, bevor er sich Ende der 1980er-Jahre von der blonden Sicherheitschefin Tasha Yar ins Raumschiffbett ziehen ließ.

Die Gegenwart. Im kalifornischen San Marcos, nahe San Diego, hängen sie gleich dutzendfach am Haken, bereit dazu, sich für den Endverbraucher individualisieren zu lassen. Sie nennen sich „Harmony“ und werden von der Liebespuppen-Fabrikation Abyss Creations hergestellt. Wer will, kann dafür 15 000 bis 30 000 Dollar ausgeben.

Zum Greifen nah – und doch nicht da: Die Industrie arbeitet an neuen virtuellen Sex-Szenarien.
Zum Greifen nah – und doch nicht da: Die Industrie arbeitet an neuen virtuellen Sex-Szenarien.

Was der Kunde erhält, sieht in etwa so kunstvoll aus wie eine weiche, animierte Schaufensterpuppe, die mit den Augen klimpert – und zuhören und sprechen kann sie auch, nicht so gut wie Amazons „Alexa“ oder Apples „Siri“, aber immerhin. Man darf vermuten, dass die Kreuzung aus Gummipuppe und Smartlautsprecher, deren Körper mit zusätzlichen Technikspielereien ausgestattet ist, nur besonders menschenscheue Charaktere anspricht. Der Markt ist klein, von „Harmony“ verkaufen sich im Jahr weltweit 600 Stück, von Serienfertigung ist das weit entfernt.

Je menschenähnlicher, desto gruseliger

Selbst wenn man wie Trendforscher Matthias Horx oder der Computerwissenschaftler David Levy, der an Künstlicher Intelligenz arbeitet, die weitere Verbreitung solcher Roboter bis 2050 für durchaus wahrscheinlich hält, bleiben Vorbehalte: „Je menschenähnlicher Roboter werden, desto mehr gruseln wir uns vor ihnen“, meint Horx.

Weit näher an einem kommerziellen Erfolg und damit auch zukunftsweisender dürfte die Entwicklung in Richtung Cybersex sein. Die amerikanische Firma Reality Lovers etwa verspricht, man könne sich fühlen wie Schauspieler Charlie Sheen, weil sie ein Filmchen mit dessen Ex-Verlobter Brett Rossi gedreht hat. Um es in virtueller 3D-Pracht zu bewundern, benötigt man Smartphone und Virtual-Reality-Brille.

VR-Brillen erzeugen Schwindel

Von solchen Brillen freilich weiß man, dass sie im Menschen am allerbesten ein ganz spezielles Gefühl hervorzukitzeln wissen: Schwindel! Und da es sich hier um ein rein visuelles Vergnügen handelt, denken die Entwickler längst weiter. Sie träumen von Cybersex-Anzügen mit hunderten von Sensoren und Vibratoren, die vernetzt sind – und ferngesteuert werden können. In primitiver Form gibt es das bereits zu kaufen, in Form von WLAN-fähigen Sexspielzeugen, die übers Netz bedient werden.

Ebenfalls denkbar: Computer-Avatare, die mit holografischer Technik vielleicht nicht als Sex-, aber als Liebes- und Lebenspartner agieren, zuletzt zu sehen im Hollywood-Film „Blade Runner 2049“. Welche Rückschlüsse solch eine Bindung zu einem künstlichen Wesen allerdings über den seelischen Zustand des Benutzers und seine Bindungsfähigkeit zu Menschen gibt, darf man dahingestellt lassen.

Das Gehirn wird nicht so stark berührt

Ohnehin: Da wohl beinahe jeder Erwachsene Erfahrungen mit anderen Menschen machen durfte, wird man die technologischen Lösungen bestenfalls als schalen Abklatsch der Realität erleben. Denn all diese Angebote, an welcher Stelle unserer Haut oder unseres Körpers sie auch ansetzen, berühren nur sehr punktuell das größte und mit Abstand wichtigste Sexualorgan des Menschen: das Gehirn. Was im Falle eines erotisch aufgeladenen Sichnäherkommens als neuronales Feuerwerk von Begehren des Partners und Begehrtwerden durch den Partner abgefeuert wird, vermag keine Maschine und keine Simulation glaubhaft vorzugaukeln. Zumindest nicht schon morgen Nacht.

>> INTERVIEW MIT TRENDFORSCHER MATTHIAS HORX

Trendforscher Matthias Horx (63) hat sich der Zukunft von Sex und Liebe im Buch „Future Love“ gewidmet. Darin beschreibt er, wie vielfältig es früher war, wie es heute aussieht – und wie in ein paar Jahrzehnten. Georg Howahl sprach mit ihm.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Liebesroboter in ein paar Jahrzehnten für viele selbstverständlich sind?

Matthias Horx: „ Ein Teil der Menschheit wird beziehungsunfähig.“
Matthias Horx: „ Ein Teil der Menschheit wird beziehungsunfähig.“

Ich sage, das ist keine Frage der technischen Machbarkeit mehr. Wir werden bald in der Lage sein, Roboter sehr menschenähnlich und fleischlich herstellen zu können.

Wenn jeder einen Liebesroboter hat oder in virtuelle Sex-Szenen fliehen kann, verändert das die Menschen?

Ein Teil der Menschheit wird beziehungsunfähig und kann nicht mehr mit einem Partner umgehen. Dafür gibt es ja heute schon Anzeichen. Pornografisierung, Technisierung, Tinder, ein Teil der Menschen sexualisiert sich stark. Für jene ist Partnerschaft nicht mehr etwas, zu dem unbedingt Menschen gehören.

Stichwort Online-Dating: Sie zitieren, dass die rationalen Kriterien der Partnerwahl alle pseudowissenschaftlich seien. Aber werden Rechner trotzdem irgendwann den idealen Partner für uns finden?

Kontaktanbahnung funktioniert ja durchs Internet. Aber das Lieben wird dadurch nicht leichter. Liebe ist ja das Aufgeben aller Vergleiche. Wenn ich jemanden liebe, dann vergleiche ich ihn nicht mehr: Es gibt eine Fixierung auf eine einzige Person, alle anderen blendet man aus. Dagegen wirkt natürlich dieses ewige Vergleichsmodul in unserem Hirn.

So wie im Internet?

Das Internet funktioniert in der Partnerwahl wie ein Supermarkt. Da hat man das Gefühl, man hat jetzt genug Fischstäbchen von einer Sorte gekauft und braucht was Neues. Das ist das Fatale. Leute, die es irgendwann übertrieben haben mit der Partnersuche im Internet, binden sich auch, aber sie bleiben immer unruhig. Weil sie das Gefühl haben: Da kommt noch einer mit besserem Ranking. Das Vergleichen selbst ist ein Stück weit Anti-Liebe.

Matthias Horx: Future Love - Die Zukunft von Liebe, Sex und Familie. DVA, 336 Seiten, 19,99 Euro