Duisburg. Im Radio-Museum in Duisburg sind Nostalgiker und Technikfreunde auf Empfang – mit „Schneewittchensarg“ und „Goebbelsschnauze“.

Was für eine Fülle: Ganze 350 Radiogeräte auf einem Fleck – und doch kann man nur einem einzigen zugleich zuhören. Und was für eine Ironie: Selbst die prächtigsten historischen Geräte empfangen immer nur das Programm von heute.

Und dennoch ist es eine Freude, durch das Radiomuseum Duisburg zu gehen, in der ehemaligen Schulturnhalle in Ruhrort die vielen Kästen, Kistchen und Schatullen zu betrachten, die doch eigentlich immer nur dem einen Zweck dienten: Die neuesten Nachrichten und schönsten Musikstücke aus dem Äther zu empfangen.

Der Anfang des Radio-Empfangs

Wilhelm Struth (67) und Walter Voigt (81) haben sich im Förderverein „Radiomuseum Duisburg“ e.V. der Geschichte der klingenden Kisten gewidmet. Und führen in die Anfangstage des Radioempfangs.

Radiowecker gibt es nicht erst seit dem Digitalzeitalter.
Radiowecker gibt es nicht erst seit dem Digitalzeitalter.

So sieht man am Eingang einen Schiebespulendetektor, der vielleicht sogar die erste deutsche Radiosendung im Oktober 1923 empfangen haben könnte, wobei man noch den Sender mit einer Nadel von Hand abstimmen musste. „Es war ein vollkommen neues Medium, das da plötzlich auf den Markt kam“, sagt Voigt. Und dieses Medium, das ein Ohr in die weite Welt verlieh, verbreitete sich schnell. „Weil jeder, der halbwegs Drähte geradebiegen konnte, hier einstieg“, sagt Struth. Telefonfirmen, Schalttafel-Hersteller, Namen wie Saba und Loewe. Und wie bei jedem neuen Medium trafen Anhänger auf erbitterte Gegner. „Die Enthusiasten nannten sich ,Radionisten‘. Von den Skeptikern wurden sie aber als ,Radioten‘ bezeichnet“, sagt Struth schmunzelnd.

Wilhelm Struth und Walter Voigt (v.l.) führen kundig durch die Ausstellung, zu der auch alte Wohnzimmereinrichtungen gehören.
Wilhelm Struth und Walter Voigt (v.l.) führen kundig durch die Ausstellung, zu der auch alte Wohnzimmereinrichtungen gehören.

Das Radio, man weiß es ja eigentlich, war als sich rasch verbreitendes Massenmedium mit mehr als 16 Millionen Geräten auch ein Politikum. Am augenfälligsten wird es, wenn man in die 30er-Jahre kommt und die Rolle des Volksempfängers im Dritten Reich betrachtet. Um die Propaganda der Nationalsozialisten zu verbreiten, sollten die schmucken, schwarzen Geräte zum günstigen Preis zwischen 35 und 76 Reichsmark angeboten werden – das kleinste Gerät, der Deutsche Klein-Empfänger, erhielt den Spitznamen „Goebbelsschnauze“. Und versehen waren die Geräte mit mahnenden Pappschildchen: „Denke dran. Das Abhören ausländischer Sender ist ein Verbrechen gegen die nationale Sicherheit unseres Volkes. Es wird auf Befehl des Führers mit schweren Zuchthausstrafen geahndet.“

Unterschied zwischen Volks- und Fernempfänger

Doch wie schon immer: Was technisch machbar war, das ließen sich nicht alle verbieten. Die Gleichschaltung wurde vom Kabarettisten Werner Finck im Dritten Reich in einem Radiowitz aufs Korn genommen, so Voigt: „Der hat sein Publikum gefragt, ob der Unterschied bekannt sei zwischen einem Volksempfänger und einem Fernempfänger. Er sagte, es sei ganz einfach. Mit dem Volksempfänger höre man: Deutschland, Deutschland über alles. Und mit dem Fernempfänger: Alles über Deutschland.“

Leuchtreklame der Firma Telefunken.
Leuchtreklame der Firma Telefunken.

Das Radiomuseum liefert endlos viele solcher Geschichten, es zeigt Wohnzimmer der 30er- bis 60er-Jahre, liefert zu den Radios die Spitznamen: „Beichtstuhl“, „Herr im Frack“, „Schneewittchensarg“ und „Königin von Saba“. Eine Sonderschau sammelt Aufzeichnungsgeräte, vom Ton-Draht über Tefifon-Bänder bis zum Abhörgerät.

Nur eines findet man nicht in der Ausstellung: Ganz aktuelle Radiogeräte, die ihr Programm teilweise schon aus dem Internet ziehen – denn die wären nun wirklich zu langweilig.

>> DAS LIEBSTE AUSSTELLUNGSSTÜCK

Lieblingsmodelle gibt es für Wilhelm Struth und Walter Voigt viele im Radiomuseum. Doch auch wenn die Vorlieben wechseln, immer wieder taucht das Ingelen Geographic auf: ein Radio, bei dem die Sendernamen kranzförmig um eine Europa-Karte angeordnet sind. Aber was für eine Karte, sie atmet den Geist der Zeit, also 1938. In der Mitte findet sich das „Deutsche Reich“, es leuchtet gerade auf der Sender Breslau, das heutige polnische Wroclaw.

Die Europa-Karte des „Ingelen Geographic“ mit Karte des Deutschen Reichs.
Die Europa-Karte des „Ingelen Geographic“ mit Karte des Deutschen Reichs.

Eine gewisse Ironie erkennt man darin, dass Ingelen eine österreichische Firma war, auch auf der Anzeige als solche beschrieben ist, aber Österreich zu diesem Zeitpunkt ja ans Deutsche Reich angeschlossen war.

Eine weitere Besonderheit: Das Gerät hat ein „Magisches Auge“, jene damals weit verbreitete Sender-Abstimmhilfe. Je stärker das Programmsignal, desto heller leuchtete das „Magische Auge“.

>> INFOS ZUM MUSEUM

Radiomuseum Duisburg, Bergiusstraße 27, 47119 Duisburg. Donnerstags 11-18 Uhr, sonntags 11-14 Uhr. Gruppen nach Vereinbarung. An gesetzl. Feiertagen geschlossen. Tel. 0203/5008755, www.radiomuseum-duisburg.de

Auch Oberhausen hat ein eigenes Radiomuseum in Sterkrade. Das von Friedhelm Schaik privat betriebene Museum kann allerdings nur nach telefonischer Vereinbarung (Tel. 0173/2317392) besichtigt werden.