Essen. . Meditation, Kicker-Pause, Schlafcafé: Für Arbeitnehmer gibt es viele Unterhaltungsprogramme für zwischendurch. Aber nicht alle sind sinnvoll.
Es soll ja Großraumbüros geben, in die haben die Chefs schon vor langer Zeit Kicker-Tische gestellt, damit die Arbeitnehmer öfter mal eine aktive Pause einlegen. Manche Firmen animieren ihre Beschäftigten, zwischendurch die hauseigenen Laufbänder zu benutzen. Andere heuern während der Arbeitszeit einen mobilen Massageservice an. So weit, so gut.
Das Wetteifern um die Pausenzeit bringt aber noch exotischere Angebote hervor: In Essen böte sich dienstags bis donnerstags von 12.30 bis 13 Uhr die „Meditation in der Mittagspause“ im Buddhistischen Zentrum an. Wer in Köln arbeitet, könnte jeden Donnerstagmittag zum Philharmonie-Lunch. In München gibt’s Mittagsdisco. In Berlin wurde das erste Schlafcafé gesichtet, mit 8 Euro pro Stunde nicht gerade ein Schnäppchen für den Power-Nap. Müssen Pausenangebote heute attraktiv oder zumindest originell sein, damit Arbeitnehmer sie wahrnehmen? Und funktioniert die Formel: Je origineller, desto entspannter?
„In unserer Gesellschaft ist verankert, dass man Pausen machen kann, wenn man sonst nichts zu tun hat. Das ist völlig falsch. Wir brauchen kleine Pausen, um leistungsfähig zu bleiben“, sagt Anja Gerlmaier vom „Institut Arbeit und Qualifikation“ an der Universität Duisburg-Essen. Wobei die Ausgestaltung von Person zu Person vollkommen unterschiedlich ausfallen kann: „Eine Pause wird definiert als Arbeitsunterbrechung mit Erholungswert. Da wir aber alle ein wenig unterschiedlich ticken, hat für den einen die Meditation in der Mittagspause einen Erholungswert und für den anderen das gemeinschaftliche Mittagessen mit Kollegen“, so die Arbeitspsychologin.
Viele Arbeitnehmer fühlen sich gestresst
Zwar gibt es in Deutschland keine einheitlichen Studien zum Thema Stress, aber bei allen Untersuchungen kommt heraus, dass sich die Mehrheit der Arbeitnehmer gestresst fühlt. In der „TK-Stressstudie 2016“ gaben 61 Prozent der Befragten an, sich häufig oder zumindest manchmal gestresst zu fühlen, laut der Pronova-BKK waren es 2016 sogar 86 Prozent der von der Krankenversicherung Befragten.
Häufige Folgen des Dauerstresses: Schwierigkeiten beim Abschalten, beim Schlafen, Burnout. Ein Indiz dafür, dass wir uns zumindest in einer gesellschaftlichen Schieflage in unserem Umgang mit Stress befinden: Die Zahl der Fehltage durch psychische Erkrankungen hat laut DAK Gesundheitsreport 2016 seit 2006 ständig zugenommen und erreichte in der Untersuchung zuletzt über 246 Ausfalltage pro 100 Versicherten – ein neuer Allzeit-Spitzenwert.
Der Mensch unterliegt seinem Biorhythmus
Dabei ließe sich mit einer gut getakteten Pausenkultur, wie wir sie aus der Schule noch schrill klingelnd im Ohr haben, schon durchaus etwas ausrichten. „Der Mensch unterliegt einem relativ starren Biorhythmus. Das wollen viele von uns in unserer digitalisierten Welt nicht wahrhaben. Unser Körper reagiert extrem heftig, wenn wir diesen Biorhythmus ständig durcheinanderbringen. Menschen, die ein regelmäßiges Ess- und Schlafverhalten an den Tag legen, werden älter und sind weniger krank. Man kann sagen: Die Digitalisierung und Individualisierung ist eigentlich schön, aber sie widerspricht dem menschlichen Naturell.“
Arbeitswissenschaftliche Befunde legen Folgendes nahe: vormittags alle 80-90 Minuten fünf bis zehn Minuten Pause; nachmittags kann das Pausenintervall erhöht werden auf 180 Minuten Arbeit, die durch zehn bis 15 Minuten Pause unterbrochen werden.
Klingt nach einer einfachen Faustformel, doch sie wird selten beherzigt. „Wir haben immer noch Arbeits- und Leistungskulturen, in denen Leute, die lange arbeiten und wenig Pausen machen, Karrierekandidaten sind“, bedauert die 46-jährige Gerlmaier.
Kurzpausen helfen enorm
Wenn sie Seminare zur Stressprävention hält, dann ist sie oft erstaunt, dass weder Mitarbeiter, noch viele Betriebsräte oder Führungskräfte sich der Wichtigkeit von Pausen bewusst sind. Die Kurzpausen, die man zusätzlich zur ausgedehnteren Mittagspause durchführen sollte, erhöhen die Leistungsfähigkeit bis zu 30 Prozent. Und wer sich nach dem Mittagessen, in der Zeit des berühmt-berüchtigten Suppenkomas, ein Mittagsschläfchen von weniger als 30 Minuten oder eine viertelstündige Meditation gönnt, ist mit seiner Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit schnell wieder bei 100 Prozent.
An dieser Stelle werden manche Chefs hellhörig: „Einige fangen an, sich während des Vortrags auszurechnen, um wie viel Prozent dann die Leistungsfähigkeit steigt. Einige überlegen dann, ob sie nicht die Beschäftigten zwingen sollen, Pausen zu machen, um die Leistungsvorteile und die Produktivitätseffekte abschöpfen zu können.“
Hauptsache, man macht die Pause allem Druck zum Trotz: „In Stress-Präventionsmaßnahmen ist der Klassiker, dass alle sagen: ,Wenn ich Druck habe, stelle ich meine Pausen ein oder mache nur kurze Pausen.’ Und das ist genau an der Stelle falsch.“ Denn nur, wer gut erholt ist, kann mit voller Leistung und Konzentration an die Arbeit gehen. Um sich in der Pause zu erholen, muss man nichts Ausgefallenes unternehmen, dazu reicht es schon, eine Tasse Kaffee zu trinken und aus dem Fenster zu schauen.
>> VIER APPS – für das richtige Pausieren
Ein Arbeitstag nach dem Häppchen-Prinzip: Die Android-App „Clockwork Tomato“ orientiert sich an der Pomodoro-Methode, die Arbeit in Intervalle von 25 Minuten Länge einteilt – und dazwischen Pausen lässt. In der App sind die Zeitintervalle und Pausen frei einstellbar. Da die App Arbeits- und Pausenzeiten protokolliert, hat man einen Überblick über die Menge der konzentrierten Arbeitszeit.
Clockwork Tomato, Android, kostenlos mit In-App-Käufen
Die „Focus To-Do“-App funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie der Tomaten-Timer, also mit abwechselnden, selbst eingestellten Arbeits- und Pausenintervallen. Sie liefert aber noch zusätzliche Funktionen für Aufgabenarrangement und Projektverwaltung. So lassen sich nicht nur einzelne Arbeitstage, sondern ganze Arbeitsmonate strukturieren – inklusive grafischer Darstellung des Getanen.
Focus To-Do, iOS, 1,09 €
Andere Apps verleiten dazu, zum Handy zu greifen, doch „Forest“ tut das Gegenteil: Wenn Sie dazu neigen, bei der Arbeit oder gar in der Pause ständig zum Handy zu schielen, hilft dieses Programm. Auf dem Bildschirm wächst ein Bäumchen, aber nur, wenn man nicht ständig zum Handy greift. Tut man es dennoch, geht das virtuelle Pflänzchen elendig ein.
Forest, iOS, Android, ca. 2,30€
Helfen bei Ihnen nur Beschimpfungen, um Arbeits- und Pausenzeiten einzuhalten? „Carrot To-Do“ findet knackige Worte, leider nur auf Englisch, um einem die Flausen auszutreiben. Gibt’s auch als unverschämten Kalorienzähler.
Carrot To-Do, iOS, 3,49 €