Bochum. . Eine Stunde kuscheln mit Ariana kostet 60 Euro. Wie eine Bochumerin Kuscheln zum Beruf gemacht hat und welche Regeln sie dabei beachten muss.

Eine Stunde kuscheln mit Ariana kostet 60 Euro. Dafür bekommen die Kunden ihre volle Aufmerksamkeit. Die Bochumerin ist nicht die Einzige, die gegen Geld Fremde streichelt. 14 weitere Profi-Kuschler, Frauen wie Männer, bieten über den Verein Kuschelkiste in Deutschland und Österreich diese Dienstleistung an. Jana Tessaring sprach mit der 34-Jährigen, wie sie zur professionellen Kuschlerin wurde, in welche Fettnäpfchen sie trat und mit welchen Bedürfnissen die Kunden zu ihr kommen.

Wie sind Sie darauf gekommen, Profi-Kuschlerin zu werden?

Ariana: Ich hatte im Sommer vergangenen Jahres ein interessantes Erlebnis mit einer Person, die mich einfach nur an den Beinen und Armen berührt hat. Nicht auf sexueller Ebene, sondern rein menschlich. Da ist mir aufgefallen, dass Berührungen dieser Art in unserer Gesellschaft total selten stattfinden. Drei Tage später habe ich auf Facebook ein Video eines professionellen Kuschlers aus Amerika gesehen. Von da an hat mich dieses Thema nicht mehr losgelassen und ich habe beschlossen, das auch mal auszuprobieren.
Dann bin ich nach Wien geflogen zu Elisa, der Gründerin der Kuschelkiste, und habe dort an Kuschelwork­shops teilgenommen.

Und dann haben Sie sich direkt in Ihre erste Kuschelstunde gewagt?

Nein. Ich habe vorher im Bekanntenkreis gekuschelt und mir „Probanden“ gesucht. Da bin ich auch erst mal in einige Fettnäpfchen getreten, beispielsweise, dass man lieber auf der Couch im Wohnzimmer statt im Bett kuscheln sollte, um keine falschen Erwartungen zu wecken.

Wie genau läuft so ein Treffen ab?

Zunächst gibt es strikte Regeln, die ich den Kunden per Mail zuschicke und die auch auf der Internetseite der Kuschelkiste stehen. Die Klamotten bleiben an, Küsse sowie Berührungen an Brust, Intimbereich und Po sind tabu und die Klienten sollen frisch geduscht sein. Meistens kommen sie zu mir nach Hause. In den ersten zehn Minuten führen wir ein Vorgespräch. Ich frage die Kunden, ob sie Wünsche haben. Dann wird 50 Minuten lang gekuschelt auf dem Sofa oder auf Matratzen, die ich ins Wohnzimmer lege.

Ist ein Kunde auch schon einmal zu weit gegangen?

Meistens halten sie sich an die Regeln. Letztens wurde eine Regel missachtet. Es lag aber daran, dass ich nicht strikt genug vorher die Grenzen abgesteckt habe. Daraus habe ich gelernt.

Sind Freundschaften oder mehr ein Tabu?

Es macht wenig Sinn, sich auch privat zu treffen. Dann wird das Kuscheln komisch. Der Kunde kann sich dann womöglich nicht mehr fallen lassen.

Was sind das für Leute, die zu Ihnen kommen?

Es sind Männer wie auch Frauen. Sie sind zwischen 25 und 78 Jahren alt. Zwei Frauen haben mir erzählt, dass sie in ihrer Kindheit Missbrauch erfahren haben. Eine Kundin hat eine starke Sozialphobie und in dem geschützten Rahmen der Kuschelstunde möchte sie lernen, Berührungen wieder zulassen zu können. Die Therapeutin der anderen Kundin findet gut, dass sie mich regelmäßig besucht. Psychisch kann die Therapeutin helfen, auf körperlicher Ebene greife ich dann mit der „Kuschel-Therapie“. Bei Menschen, die nicht zu mir kommen können, mache ich auch Hausbesuche. Ich habe einen Klienten, der am ganzen Körper gelähmt ist und nur noch seinen Mund bewegen kann. Er sagt, dass er weniger verspannt ist und es ihm auch auf seelischer Ebene viel gibt.

Wie oft treffen Sie die Kunden?

Die meisten Kunden kommen mehrmals. Die Erfahrungen zeigen, dass meist nach einem Jahr der Kuschelbedarf gesättigt ist. Ein Mann war nur einmal bei mir. Er ist extra für eine Stunde kuscheln aus Mannheim zu mir gekommen.

Wissen Sie vorher, wie derjenige aussieht, der zu Ihnen kommt?

Viele schicken mir vorher ein Foto von sich, weil sie das so möchten. Es ist mir aber egal, wie derjenige ausschaut – ob dick oder dünn, jung oder alt, behindert oder nicht behindert. Ich nehme jeden so an, wie er ist, solange er sich an die Kuschelregeln hält.

Haben Sie schon früher gern in Beziehungen gekuschelt?

In meinen Beziehungen kam das Kuscheln lustigerweise oft zu kurz, weil man sich selten die Zeit dafür genommen hat. Wenn wir dann im Bett angefangen haben zu kuscheln, ist es schnell in etwas Sexuelles übergegangen oder wir sind eingeschlafen. Ich kenne Kuscheln eher von meiner Familie. Ich bin halb Deutsche und halb Afghanin. Die Afghanen sind sehr herzlich. In meiner Familie ist es ganz normal, dass man sich umarmt und im Gespräch mal an der Schulter oder am Knie berührt.

Im Ruhrgebiet sind Sie die einzige Profi-Kuschlerin. Können Sie die Anfragen alle annehmen?

Ich bin nur nebenberuflich Kuschlerin, habe aber regelmäßig Kuschelklienten. Überrannt wurde ich allerdings noch nicht. Vor Kurzem habe ich meinen Job als Physiotherapeutin gekündigt, weil es nur so wenig Zeit für die Patienten gab und ich das Gefühl hatte, sie abzufertigen. Nun beginne ich bald einen Bürojob. Wenn ich den ganzen Tag mit Menschen kuscheln würde, könnte es passieren, dass ich sie auch abfertige. Das möchte ich nicht. Jeder Termin soll etwas Besonderes sein.

Was sagen Ihre Freunde und Ihre Familie zu dem Nebenjob?

Meine Familie dachte erst, das wäre ein Scherz. Dann haben sie sich aber dafür interessiert und Fragen gestellt. Bis jetzt hat keiner ein Problem damit gehabt. Aber viele sagen zuerst, dass sie sich nicht vorstellen könnten, mit Fremden zu kuscheln. Wenn ich den Menschen erkläre, wie es abläuft, merken sie, dass es nichts Verwerfliches ist.

Was bewirken Ihrer Meinung nach die Berührungen bei Ihren Kunden?

Es ist eine körperliche Intimität, die energetische Auswirkungen hat. Im Alltag ist man oft gestresst. Ständig schwirren einem Gedanken durch den Kopf und wir versuchen, alles auf einmal zu erledigen. Beim Kuscheln können wir im Moment sein und vom Kopf ins Fühlen und in den Körper kommen. Das macht die Arbeit so erfüllend und wertvoll.

Ist das Kuscheln für Sie Arbeit?

Ich genieße das Kuscheln auch. Im Hinterkopf habe ich aber, dass der Kunde im Zentrum des Interesses steht und nicht ich. Primär richte ich mich also nach den Wünschen des Klienten. Manche fragen mich auch, was ich mir denn gerade so wünsche. Meistens bin ich aber wunschlos glücklich.

Eignen sich Kuschelpartys, um herauszufinden, ob das Kuscheln mit Fremden etwas für mich ist?

Ich denke schon. Persönlich habe ich gute Erfahrungen mit diesen Partys gemacht. Das letzte Mal waren 16 Leute dort. Auf dem Boden sind Matratzen ausgebreitet und man beginnt spielerisch mit Kennenlern­übungen. Man weiß aber nicht, wie die Mischung zwischen Frauen und Männern ist. Es könnte auch sein, dass ein Mann mit einem Mann kuscheln soll. Wenn man das aber nicht möchte, wird das auch akzeptiert.

>>> Kuschelparty in Mülheim

Die nächste Kuschelparty veranstalten Ina und Ramon im Zentrum Einklang, Mintarder Str. 2A, Mülheim am Freitagabend, 9. Februar oder 23. Februar, 19.45 bis 23 Uhr. Anmeldung bis freitags, 15 Uhr: essener-kuschelparty@web.de oder unter 0152/ 033 84 618. zentrum-einklang.com

Weitere Informationen zur Kuschelkiste: cuddlers.net