Essen. Allensbach hat 30- bis 59-Jährige zur Lebenssituation befragt. Trotz vieler persönlicher Sorgen hat sich ihre Lebensqualität meist verbessert.

Momentaufnahme: Samstagnachmittag in einem veganen Café in Duisburg, in den plüschigen Oma-Sesseln haben es sich die Gäste gemütlich gemacht, sie reden, lesen Zeitung, schlürfen Kaffee-Latte mit Mandelmilch und essen eine Mohn-Marzipan-Leckerei. Als Deko dienen Relikte ihrer Kindheit, Bilder und Actionfiguren aus Comics, Retro-Videospielkonsolen. Dazwischen spielen Kinder. Wer hierher kommt, ist oft Einsteiger in die „Generation Mitte“ oder steuert gerade darauf zu. Einige werden nun fragen: „Generation was???“

Altersmäßig lässt sich die „Generation Mitte“ klar definieren als jene zwischen 30 und 59 Jahren, die Menschen, die mitten im Berufsleben stehen – oder stehen sollten. Nur darf man trotzdem fragen: Wer ist diese „Generation Mitte“ und wie fühlt sie sich? Und kann man die 30-Jährigen in einen Topf werfen mit den fast schon 60-Jährigen? Das Institut für Demoskopie Allensbach hat das getan. Und ein paar Erkenntnisse über jene gut 35 Millionen Menschen gewonnen, die man so nicht unbedingt erwartet hätte.

Eine Generation der Zufriedenen?

Erste Überraschung: Obwohl in öffentlichen Diskussionen oft das große Jammern und Klagen vorherrscht, stellte sich heraus: Vier von fünf der Befragen beurteilen die eigene Lebensqualität als „gut“ oder „sehr gut“. Damit hat sich dieser Wert im Vergleich zum Vorjahr von 75 auf 79 Prozent gesteigert. Eine Generation der Zufriedenen also?

Auf die Frage, ob sich ihre Lebensqualität in den letzten fünf Jahren verbessert hat, antworteten 40 Prozent mit „Ja“, immerhin 41 Prozent gaben an, dass sich seitdem „nicht viel verändert“ hat. Und nur 17 Prozent sehen sich heute schlechtergestellt als vor fünf Jahren. Auf die Frage, wie sie unabhängig von der eigenen Situation die Lebensqualität in Deutschland bewerten, antworteten 87 Prozent „gut“ oder „sehr gut“. Und was macht die positive Einschätzung aus?

Eltern gehen aufs Rock-Konzert

Momentaufnahme: Ein Konzert in Bochum, in einer altgedienten Konzerthalle treten Rock-Helden der 80er-Jahre auf. Der Laden ist rappelvoll, ausverkauft, die Gäste gehören meist zu jenen, die die große Zeit dieser Band miterlebt haben, also zwischen 40 und 50 Jahre alt sind. Einige, bekommt man mit, haben fast erwachsene Kinder – und doch noch Lust auf Konzerte. Auf dem Parkplatz stehen meist gut gepflegte Mittelklassewagen, genügend Kombis darunter.

Als die Allensbacher Meinungsforscher wissen wollten, was Deutschlands Stärken sind, ermittelten sie eine Top 10, die Sie im Detail in der Grafik auf dieser Seite sehen können. Überraschung: An der Spitze der Stärken lag das kulturelle Angebot des Landes, 83 Prozent der Deutschen wissen Vielfalt und Qualität zu schätzen. Damit liegt dieser Standortfaktor noch knapp vor dem „Lebensstandard“ und der „Meinungs- und Pressefreiheit“ (beide je 80 Prozent).

Gesundheit und Qualität der Lebensmittel

Zu den hochgeschätzten Eigenschaften zählen zudem unser Gesundheitssystem und die Qualität der Lebensmittel, was beides auf hohes Gesundheitsbewusstsein schließen lässt. Erstaunlich: Vergleichsweise weit hinten landete die derzeit schwer geprüfte „politische Stabilität“, die „nur“ zwei Drittel der Befragten als Stärke werteten – allerdings fand die Befragung vor der Bundestagswahl und dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen statt.

Momentaufnahme: Mittwochabend, eine Fußgängerzone mitten im Revier. Einige huschen mit Tütchen von gehobenen Bekleidungsgeschäften vorbei, andere sind bepackt mit Papiertaschen vom Klamottendiscounter. Am Rand sitzt ein Mann mittleren Alters neben seinem Kaffeebecher, der hofft, dass ein paar Euro für ihn abfallen.

Verteilung von Vermögen ist nicht gerecht

Der Kontrast wird oft augenfällig, wenn man shoppen, einkaufen oder einfach nur in der Innenstadt spazieren geht: Einkommen und Vermögen in unserem Land sind ungleich verteilt, das empfindet die „Generation Mitte“ sogar als größte Schwäche von Deutschland: 77 Prozent der Befragten gaben an, dass „Die Verteilung von Einkommen und Vermögen“ nicht gerecht sei, die Schere zwischen Arm und Reich also auseinanderklafft. Und das noch vor den längst erkannten Mängeln in unserem Pflegesystem, die immerhin von 66 Prozent beklagt wurden.

Momentaufnahme: Eine knapp 60-Jährige schaut in die Zeitung. Sie liest im Lokalteil von zwei Überfällen – und weiter vorn davon, dass ein Terroranschlag geplant war, aber verhindert werden konnte. Sie hat ein mulmiges Gefühl...

Die Bekämpfung von Terrorismus

Eine Situation, die jedermann und jedefrau nachvollziehen kann. Dennoch ist sie nicht die größte Sorge der „Generation Mitte“. Denn gefragt, worum eine zukünftige Bundesregierung sich besonders kümmern solle, landeten die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität auf den Plätzen drei und vier – hinter dem Wunsch nach einem „zukunftssicheren und bezahlbaren Gesundheitssystem“ (84 Prozent) und der Verringerung der Schere zwischen Arm und Reich.

Momentaufnahme: Eine S-Bahn, morgens um sieben Uhr, Pendler fahren zur Arbeit, viele von ihnen sehen müde aus, nicht jeder glücklich. Hier sind so ziemlich alle Altersgruppen der „Generation Mitte“ versammelt.

Die Arbeit ist den meisten wichtig

Die Arbeit ist den meisten wichtig, doch bereitet ihr Verlust derzeit nicht die größte Sorge. Allensbach fand heraus: Passend zur niedrigsten Arbeitslosenquote seit dem Mauerfall fürchten nur 23 Prozent die Erwerbslosigkeit. Diese Ziffer lag vier Jahre zuvor bei 30 Prozent. Zugleich ist die Arbeit der größte Stressfaktor. Ärger, Leistungs- und Termindruck im Job gaben 56 Prozent als Ursache für Genervtheit an – weit vor Sorgen mit der Familie, dem Partner oder mit den Kindern.

„Vor zehn, 15 Jahren gab es in Deutschland ganz andere Ergebnisse. Da glaubte die Mehrheit, Deutschland hätte den Zenit überschritten“, sagt Renate Köcher, Chefin der Allensbacher Meinungsforscher... Zumindest statistisch gesehen, so könnte man die Studie zusammenfassen, geht es der „Generation Mitte“ trotz aller Sorgen, Probleme und Ängste also im Jahr 2017 vergleichsweise gut. Aber auch dies bleibt... eine Momentaufnahme.

>> MITTEN IM LEBEN - DIE UMFRAGE

Die repräsentative Umfrage trägt den Titel: „Die Generation Mitte 2017“. Dazu hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) insgesamt 1053 Männer und Frauen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren befragt, also jene Menschen, die mitten im (Erwerbs-)Leben stehen oder zumindest dort stehen sollten. Der Befragungszeitraum lag kurz vor der Bundestagswahl, vom 1. bis 23. August 2017.