Essen. . Smartphones werden bei Senioren immer beliebter. Aber viele haben Probleme mit der Bedienung der modernen Geräte. Kurse und Enkel helfen.
Sie haben es versucht. Mehr als einmal aber stets ohne Erfolg. „Hat keinen Zweck“, sagt die grauhaarige Dame, „ohne Hilfe bekomme ich das nicht hin.“ Deshalb ist sie heute gekommen. VHS-Essen, fünfter Stock, Raum 172.5A260H. Früh am Morgen ist es, aber das ist kein Problem, denn die Teilnehmer dieses Kurses müssen nicht mehr arbeiten, sie sind Rentner. In vier langen Reihen sind Tische aufgebaut, 15 Plätze gibt es, zwölf Teilnehmer haben Platz genommen. Auf dem Programm steht der Kurs: „Android Smartphones und Tablets für Senioren“.
Angebote wie in Essen gibt es mittlerweile an nahezu jeder Volkshochschule im Land. Aus gutem Grund. Fast jeder zweite Verbraucher in der Altersgruppe über 65 Jahren besitzt nach einer Untersuchung im Auftrag des IT-Branchenverbandes Bitkom bereits ein Smartphone. Und es werden täglich mehr.
Wer bei den oft auftretenden Problemen mit der neuen Technik niemanden im Familien- oder Freundeskreis hat, den er fragen kann, der landet oft in der Volkshochschule oder bei den Wohlfahrtsverbänden. „Die Nachfrage ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen“, sagt Frank Schwalfenberg, der den Kurs in Essen leitet.
„Es geht einfach nicht mehr ohne“, antwortet Elisabeth Weber (Name geändert) auf die Frage, warum sie den Kurs besucht. In erster Linie, erzählt die 77-Jährige dann, nutze sie das Telefon ja immer noch zum Telefonieren. Wie die meisten anderen Teilnehmer auch. Irgendwann aber hat ihr die 13-jährige Enkeltochter verraten, dass so ein Telefon noch viel mehr kann. Vor allem „dieses Whatsapp“ hat es der Rentnerin seitdem angetan. „Ich freue mich über jedes Bild, das mir meine Enkel schicken.“
Einige trauen sich an die Technik nicht mehr ran
Die meisten erzählen ähnliche Geschichten. Erzählen, dass sie „unterwegs mal ein Foto machen wollen“, „nach dem Weg gucken möchten“ oder danach, „wann der nächste Bus kommt“. „Man kann mit so einem Smartphone ja unglaublich viel machen“, hat Eva Grund (64) festgestellt und die anderen nicken. „Man traut sich nur an vieles nicht ran.“ Wieder Nicken. „Auch weil es ja heutzutage keine vernünftige Bedienungsanleitung mehr gibt.“ Nicken, die Dritte. „Deshalb sitzen wir ja hier“, sagt jemand aus der ersten Reihe.
Manche aber müssen schon bald wieder aufstehen. Weil sich bei der Erst-Kontrolle Schwalfenbergs herausstellt, dass sie gar kein Smartphone haben, auf dem das Betriebssystem Android läuft. Sondern das von Apple, für das es einen anderen Kurs gibt, oder das von Microsoft, für das es mangels ausreichender Verbreitung gar keinen Kurs gibt. Und manchmal muss der Kursleiter auch Besitzer von Android-Handys wieder nach Hause schicken. Weil das Gerät zu alt oder der Speicher zu klein ist. „Da kann man dann nichts machen“, sagt Schwalfenberg.
Für alle anderen aber wirft er in der ersten Stunde ein Diagramm an die Wand, auf dem das Kursprogramm steht. Von Apps und Widgets ist da die Rede und von Google-Konten und Powerbanks. Elisabeth Weber wird blass um die Nase. „Ach Gott oh Gott, wie soll ich das denn alles behalten?“ Schwalfenberg beruhigt: „Keine Sorge, immer eins nach dem anderen.“
Ein Drücken hier, ein Wischen dort
Heute steht die Grundbedienung des Handys auf dem Programm. Wie komme ich in die einzelnen Menüs, wie wieder raus? Ein Drücken hier, ein Wischen dort. Was Schwalfenberg auf seinem Handy macht, können die Kursteilnehmer auf einem großen Bildschirm verfolgen. „Sieht alles ganz leicht aus“, sagt eine Teilnehmerin. „Aber bei mir klappt das irgendwie nicht.“ Auch aus den anderen Reihe tönt es „ich komme hier nicht weiter“ oder „gucken Sie mal, was habe ich denn jetzt gemacht?“.
Bei vielen geht es weder vor, noch geht es zurück. Schwalfenberg flitzt von einem zum anderen, erkennt die Probleme, weiß die Lösungen. „Drücken Sie mal auf das Zahnrad oben rechts. Dann können sie weitermachen.“ Weber schnauft durch: „Ich glaube, ich bin zu dumm.“ Ist sie nicht. Wenn Senioren Probleme mit dem Smartphone hätten, sagt Andreas Reidl, Inhaber der Agentur für Generationenmarketing in Gelsenkirchen, dann habe das nichts mit Dummheit zu tun. „Sie sind einfach nur anders geprägt.“ Schwalfenberg sieht das ähnlich und wünscht sich, dass die Senioren am Handy „zurück zur Intuition finden“, einfach mal etwas ausprobieren. „Nur löschen oder deinstallieren sollten sie nichts. Dann wird es schwierig.“
Das ist es für Frau Weber auch so schon. Und auch Eva Grund hat so ihre Probleme. „Ja, der Kurs ist gut, man lernt viel, aber jeder hier hat ja andere Schwierigkeiten. Eigentlich müsste ich Einzelbetreuung haben.“ Wieder nicken viele. Aber was sollen sie machen? „Man kann ja nicht immer die Kinder oder Enkel nerven“, sagt Frau Weber. Sonst ergeht es einem wie der Dame, die vor ihr sitzt. „Erst hat meine Tochter mir ein Smartphone geschenkt, sechs Wochen später diesen Kurs“, erzählt sie.
Ein Technik-Geschenk für den Opa
An so ein Geschenk dachte auch die Familie von Hubert Sinn immer wieder mal, nachdem sich der 90-Jährige vor fast zwei Jahren ein Tablet gekauft und bei seinem Telefonanbieter einen Internet-Anschluss dazu gebucht hatte. Obwohl die drei Söhne und seine Tochter gemahnt hatten: „Das ist zu kompliziert für dich, Opa. Lass es lieber.“
Opa aber ließ es nicht und kann auch erklären, warum: „Meine Enkelin Kim war nach dem Abitur ein Jahr in die USA gegangen. Und der wollte ich schreiben.“ Auf Briefpapier hat er das anfangs gemacht, „aber das dauerte ja immer so lange mit der Post“. Mit dem Tablet konnte er täglich Nachrichten und Bilder empfangen, später sogar mit Bild telefonieren. „Skypen“, sagt Sinn stolz. „Ich war immer auf dem Laufenden.“
Zumindest fast immer. Denn Sinn ist einer, der es mit der von Schwalfenberg gewünschten Intuition etwas übertreibt und keine Angst vor neuer Technik hat. So gab es anfangs regelmäßig Anrufe bei den Kindern, in denen Sinn sich über sein Tablet beklagte, „dieses verfluchte Ding“ habe sich „schon wieder völlig verstellt“, aber stets beteuerte: „Ich habe nix gemacht.“
Der Enkel ist beeindruckt
Dann musste Enkel Jona ran, musste Apps neu installieren, die Internetverbindung wieder aufbauen und Passwörter eingeben. Vor allem musste der 17-Jährige seinem Großvater erklären, wo er drücken darf und wo nicht. Alles hat sich Opa Sinn in eine extra gekaufte Kladde geschrieben – hat sich Pfeile und Skizzen gemacht und Passwörter notiert. „Nach ein paar Wochen ging es dann“, erinnert sich sein Enkel. Gut, hin und wieder vergisst sein Großvater, wie er die Kamera einschalten kann oder verwechselt Skype und Whatsapp, im Großen und Ganzen aber halten sich die technischen Notfallmeldungen mittlerweile in Grenzen. Und nicht nur Jona findet es „schon beeindruckend, dass Opa in dem Alter noch so gut klar kommt mit der neuen Technik“.
Filme und Fotos hat seine Familie ihm mittlerweile auf das Gerät gespielt, hat ihm ein Facebook-Konto eingerichtet und ihm gezeigt, wie er auf „youtube“ klassische Konzerte gucken kann. Und Kontakt zu Kindern, Enkeln und Ur-Enkeln hält Sinn mittlerweile regelmäßig über die sozialen Medien. „Es dauert bei mir nur meistens etwas länger, bis ich eine Kurznachricht geschrieben oder ein Foto versendet habe“, sagt der Senior und lacht. „Jedenfalls ist das Tablet das Beste, was ich mir in letzter Zeit gekauft habe.“
Erhard Hackler, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Seniorenliga in Bonn kennt viele solcher Fälle. „Sobald Ältere den für sie zusätzlichen Nutzen eines Gerätes erkennen, sind sie fast euphorisch“, hat er festgestellt. Sinn plant dann auch bereits den Kauf eines neuen Tablets, denn beim alten lässt der Akku langsam nach. Er will aber stets erreichbar sein. Denn nächstes Jahr geht Enkel Jona in die USA. „Und mit dem muss ich doch reden können, wenn ich Probleme mit der Technik habe.“
>>SMARTPHONE-KURSE FÜR SENIOREN
In nahezu jeder Stadt in NRW bieten Volkshochschulen und Wohlfahrtsverbände Smartphone-Kurse für Senioren an (ca. 30 bis 75 Euro). Bei der Anmeldung ist es nur wichtig zu wissen, welches Smartphone man besitzt. Es gibt auch viele private Anbieter, die aber meistens teurer sind.
Wissenschaftlich bewiesen ist, dass Menschen grundsätzlich bis ins hohe Alter lernfähig sind. Um aber zuverlässig im Langzeitgedächtnis zu verankern, wie man etwa eine Nachricht verschickt, muss der Vorgang bei Senioren viel häufiger wiederholt werden als bei jüngeren Menschen.