Hattingen. . Schlösser-Serie: Als Türmer und Nachtwächter führen sie durch Ort und Burg Blankenstein in Hattingen. Die Ruine gehört eigentlich zu Bochum.
Um die Menschen durch Blankenstein, die gleichnamige Burg und in vergangene Zeiten zu führen, schnappt er sich nicht nur die Laterne und seinen Umhang. Der 67-Jährige gibt sich auch einen anderen Namen: Henning Nachtwacht. Dabei wäre sein richtiger Name für die Führung als Nachtwächter auch passend: Henning Sandmann. Freilich sind seine Geschichten alles andere als zum Einschlafen. Schließlich geht es um Mord . . .
Der Bischofsmörder wurde gerädert
Ein Streit um die Ausbeutung der Untertanen gipfelte 1225 in Verhandlungen in Soest. Doch dort konnten sich die Adeligen nicht mit dem Erzbischof Graf Engelbert einigen. Graf Friedrich von Isenburg fürchtete um seine Einnahmen und ließ Engelbert überfallen, um ihn zu erpressen. Dabei starb der Bischof. Als Mörder wurde der Isenburger öffentlich hingerichtet. Sandmann: „Er wurde in Köln gerädert.“
Die Isenburg wurde geschleift und Graf von der Mark ließ ein, zwei Jahre später in der Nähe die Burg Blankenstein errichten. „Um zu verhindern, dass die Isenburger die Burg wieder aufbauen.“ Von Blankenstein aus konnte er die Ländereien gut kontrollieren. Die Burg wurde neben Altena, Volmarstein und Wetter eine der vier Hauptburgen der Grafschaft Mark.
Ein ohrenbetäubender Ton zerschneidet die gespannte Stille: Andreas Reese pustet in sein Signalhorn. Auch er trägt bei den ehrenamtlichen Führungen der „Bürgergesellschaft Blankenstein“ einen anderen Namen: Eisenhut. Passend zu seiner Kopfbedeckung als Türmer: „Das ist der Vorläufer der Feuerwehr. Er hat in die Ferne geschaut, ob es brennt oder sich Feinde nähern“, erklärt der 51-Jährige.
Die beste Sicht hatte er natürlich von einem Turm aus. Von dem Bergfried stehen heute nur noch die Grundmauern. Auch der Graf-Engelbert-Turm musste bereits im 16. Jahrhundert abgebrochen werden. An der Stelle befindet sich nun ein Haus, das an einen Sakralbau erinnert. „Es sieht aus wie eine Kapelle, aber es gibt Zweifel, ob es wirklich eine war“, sagt Sandmann. Bleibt also nur noch ein Turm, der eckige, gewaltige Torturm, der älteste Teil der Ruine.
Bis oben auf die Plattform wollen der Nachtwächter und der Türmer an diesem Tag jedoch nicht gehen, jedenfalls nicht mit den langen Stangenwaffen, den Hellebarden. Links hinter dem Eingang zur Burg führt eine Treppe hinauf. Bis 21 Uhr ist der Zutritt täglich möglich – außer im Winter.
Nun, es gibt gepflegtere Türme. Vor Spinnweben und Taubendreck darf man nicht fies sein. Und eine Taschenlampe ist unerlässlich, denn der teils schmale Gang ist nicht komplett ausgeleuchtet. Aber dann geht man ganz oben durch die Tür – und wird belohnt. Mit einem wunderschönen Ausblick.
Die Ruhr suchte sich ein neues Bett
Die Vogelperspektive eröffnet dem Besucher nicht nur die Sicht auf pünktchenkleine Schafe, sondern auch auf flügelschlagende Schwäne, die elegant auf dem Wasser landen. Früher floss die Ruhr viel näher an der Burg vorbei. Aber beim Hochwasser von 1486 suchte sich der Fluss ein neues Bett, etwas entfernt von der Burg. Ein kleiner Seitenarm blieb zurück.
Der echte Türmer wird von der Höhenburg natürlich weniger diese Idylle genossen, dafür mehr den Feind in der Ferne beobachtet haben. Am Hang gegenüber liegt heute Bochum-Stiepel mit der alten Dorfkirche. Wer nicht auf den Torturm steigen mag, kann den Kirchturm auch von der Mauer auf der anderen Seite der Burg erspähen. Und damit blickt er direkt auf den heutigen Eigentümer der Burg: die Stadt Bochum.
Nicht Blankenstein oder Hattingen, zu dem der Ort seit 1970 zählt, sondern die Nachbarstadt hat sich die Burg zu eigen gemacht. Und das kam so: Gustav vom Stein erwarb die Burg 1860 und ließ dort in neuen, burgähnlichen Gebäuden eine Garn-Fabrik errichten.
Auch eine Gaststätte gab es schon damals auf dem Anwesen, die täglich Tausende Besucher empfing. Steins Nachfahre geriet jedoch in einen Streit mit den Blankensteinern und verkaufte 1922 das Anwesen an Bochum. So schließt sich der Kreis: Graf Engelbert II. hatte 1321 der Stadt Bochum auf der Burg die Stadtrechte verliehen. Sandmann: „Die Stadtoberen von Blankenstein waren natürlich sauer.“
Am Fuße des Turms liegt die Freiheit
Direkt am Fuße des Torturms liegt die „Freiheit“. So nannte man einst den Teil des Anwesens, der geschützt hinter dem Befestigungsring lag. Handwerker und Dienstmannen mit besonderen Freiheitsrechten wohnten dort. Kehrte dieses Gesinde abends zu spät zurück, bekam es Torschlusspanik.
Reese: „Man kam nicht mehr rein. Und draußen vor den Toren warteten die Räuber, das Gesindel.“ Noch heute ist die Freiheit schön anzusehen, die sich zu einer Siedlung mit malerischen Fachwerkhäusern entwickelt hat. In einem Gehege grast das Damwild. Wie ein Graben sieht die Wiese dort aus. Von dort wurde ein Teil der Steine für die Burg geborgen.
Es gibt zwei Erklärungen für den Namen der Burg: Zum einen wurde sie aus blanken, also hellem Stein errichtet. Zum anderen stand sie auf einer blanken, also nackten Felsnase, so Sandmann. Blankenstein wurde im 17. Jahrhundert baufällig und teilweise abgerissen. Aber die alten Steine kann man noch heute bewundern: Sie wurden im Ort Blankenstein verbaut – im Haus Kemnade.