Bedburg-Hau. . Schloss Moyland bietet hinter historischer Fassade einer gewaltigen Joseph-Beuys-Sammlung und vielen anderen modernen Kunstwerken ein Dach.

Es liegt so entzückend dekorativ in der Landschaft, als hätte Disneys Zauberlehrling mit seinem Stab ein Cinderella-Schlösschen mitten an den Niederrhein getupft, so schön, dass es fast kitschig wirkt. Man steht vor dieser neugotischen Pracht und Wucht an jener Stelle, an der einst eine Zugbrücke über den Schlossgraben führte, und plötzlich erscheint etwas im linken Augenwinkel: Warum dümpelt dort recht schräg ein Häuschen im ruhigen Wasser? Warum dringen Festgeräusche aus dem Inneren? In diesem Moment ist man auf einmal tief drin im großen Thema von Moyland: Schloss trifft Kunst. Denn was da im Schlossgraben halb zu versinken scheint, ist eine „Atlantis“-Installation der finnischen Künstlerin Tea Mäkipää, die in der Vorburg von Moyland ihre gesellschaftskritische Ausstellung „Early Harvest“ zeigt. Wer zuvor durch den Schlosspark geschlendert ist, wird vielleicht mehrere der Installationen betrachtet haben, doch der Kontrast springt vor der malerischen Kulisse des Schlosses unübersehbar ins Auge.

Faszination aus der Monumentalität

Im Schlossgraben scheint ein Häuschen zu versinken, eine Installation der Finnin Tea Mäkipää.
Im Schlossgraben scheint ein Häuschen zu versinken, eine Installation der Finnin Tea Mäkipää. © Ralf Rottmann

Bettina Paust weiß darum: „Moyland übt in seiner Monumentalität eine Faszination aus, der man sich nur schwer entziehen kann.“ Paust ist die stellvertretende künstlerische Direktorin und Leiterin des Joseph Beuys Archivs – und als solche begrüßt sie es, wenn durch Kunst eine Irritation entsteht. Moyland ist so ein Ort der Kontraste, denn es bietet dem weltweit größten Bestand an Werken von Joseph Beuys ein Dach, jenes international bedeutenden, aber auch umstrittenen deutschen Künstlers. Es ist ein Teil der Sammlung der Brüder van der Grinten.

Dass auf Moyland, erstmals erwähnt 1307, Alt auf Neu trifft, hat viele Besucher verblüfft. Außen neogotischer Backstein, innen strahlendes Weiß mit Marmor, ein fast blendendes, lichtdurchflutetes Entree, elegant und nüchtern gestaltet.

Die Sache zwischen Beuys und Rau

Moyland von oben: Vom Nordturm aus blickt man über den Rest des Schlosses und weit über den Niederrhein.
Moyland von oben: Vom Nordturm aus blickt man über den Rest des Schlosses und weit über den Niederrhein. © Ralf Rottmann

Die Entscheidung, es so zu halten, fiel bewusst. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg war Moyland eine verfallene Ruine, vom Inneren war so gut wie nichts erhalten. Es dauerte viereinhalb Jahrzehnte, bis sich eine Folgenutzung fand. „Um Moyland neu aufleben zu lassen, fanden sich im Jahr 1990 drei Stiftungspartner zusammen. Das war zum einen die Familie van Steengracht, in deren Besitz das Schloss schon zuvor war. Das waren zum anderen die Brüder van der Grinten. Und als drittes das Land Nordrhein-Westfalen unter dem damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau“, erzählt Paust. Mit Moyland versuchte Rau eine postume Wiedergutmachung an Beuys. Denn im Jahr 1972 hatte Rau als Wissenschaftsminister den rebellischen Beuys, der mit abgewiesenen Studenten das Sekretariat der Düsseldorfer Kunstakademie besetzt hatte, fristlos entlassen und mit der Polizei aus dem Haus geworfen. Ein ungeheuerlicher Vorfall.

Streit um die „Moyländer Hängung“

Im Mai 1997 wurde Moyland als Museum eröffnet, gut elf Jahre nach Beuys’ Tod, Rau war dabei. In den ersten beiden Jahren waren die beiden Brüder van der Grinten künstlerische Direktoren.

Jean-Antoine Houdons „Der Winter, genannt Frileuse“ (1783).
Jean-Antoine Houdons „Der Winter, genannt Frileuse“ (1783). © Ralf Rottmann

In dieser Zeit wurzelt ein weiterer postumer Streit ums Beuys-Werk.
„2009 habe ich die Leitung dieses Hauses übernommen. Und ich habe etwas verändert, was manchem Tränen in die Augen getrieben hat, nämlich die legendäre ,Moyländer Hängung’ abgeschafft“, berichtet Bettina Paust. Dicht an dicht waren zuvor die Beuys-Bilder an den Wänden kombiniert zu großen Flächen. Eine Präsentation, die einzelnen Werken wenig Raum ließ, ihre Wirkung zu entfalten. Damals wie heute ist umstritten, ob die Abschaffung gut oder schlecht war für die Präsentation des Beuys-Werks. Beuys ist eben auch nach seinem Tod kein einfacher Künstler.

Neben seinem beherbergt das Museum noch zahlreiche andere Werke, darunter eine Sammlung von Skulpturen, auch Arbeiten von Max Klinger und Rudolf Belling.

Als Friedrich der Große auf Voltaire traf

Bettina Paust, stellvertrende künstlerische Leiterin.
Bettina Paust, stellvertrende künstlerische Leiterin. © Ralf Rottmann

Einer sehr erwähnenswerten Fußnote in der Moyländer Geschichte ist derzeit eine weitere Ausstellung gewidmet: der Begegnung von Friedrich dem Großen und Voltaire am 11. September 1740, „aus der sich eine lange, durchaus wellenreiche Freundschaft entwickelte“, so Paust. „Voltaire wollte hier eine Philosophenakademie einrichten. Daraus ist aber nichts geworden.“ In einem Zeichenprojekt verbindet nun Jochen Stücke die Personen und Gedanken von Friedrich, Voltaire und Beuys miteinander.

Ohne Beuys wird es auf Moyland ohnehin nicht mehr gehen, zu sehr sind nach 20 Jahren Bauwerk und Kunstwerke miteinander verbunden. „Zu uns kommen auch viele Menschen, die zunächst gar keinen Berührungspunkt zu Beuys haben“, sagt Paust. Und die hinterher mehr sehen als den „durchgeknallten Künstler“. Der Blick in die nahe Zukunft offenbart, in welche Richtung es geht. Am 15. Oktober beginnt eine neue Beuys-Ausstellung. Sinnfälliger Titel: „Mehr als Fett und Filz“.