Essen. . Den ersten Schultag vergisst man nie. Viele Leser haben uns davon erzählt. Danke für die zahlreichen Zuschriften! Auszüge lesen Sie hier:

Die Schultüte spielte bei den Erinnerungen oft eine große Rolle. Man war stolz – oder traurig, weil man keine bekam.

1927

Meine Eltern hatten keine Zeit, mich zur Schule zu bringen. So wurde eine Nachbarin, deren Sohn auch eingeschult wurde, gebeten, mich mitzunehmen. . . Der erste in meinem Leben geschriebene Buchstabe war ein i. Wir mussten dabei sagen: „Rauf, runter, rauf, Püngsken drauf“ (Sütterlin). . . Schultüten gab es damals nicht. Niemand wurde mit einem Pkw zur Schule gebracht. Solche gab es so gut wie nicht. Johannes Saxe, Essen

1932

Ruth Dornseif mochte ihre Schulschürze 1932 nicht.
Ruth Dornseif mochte ihre Schulschürze 1932 nicht. © privat

Jungen und Mädchen waren streng getrennt, sogar auf dem Schulhof trennte uns eine hohe Mauer. Unsere Jungenklasse war damals 64 „i-Männeken“ stark, von denen heute noch fünf leben. Diese Klassenstärke war für die damalige Zeit keineswegs ungewöhnlich. Ludger Frieling, Mülheim, eingeschult: katholische Volksschule im Sauerland

Ich hasste es, diese Schürze zu tragen und knubbelte sie in den Tornister. Als ein Foto von uns gemacht wurde, schlug mein Gewissen und ich tat sie um. Meine Mutter war von dem Bild nicht sehr angetan, aber es bewahrte mich nicht davor, mit Schürze in die Schule zu gehen. Ruth Dornseif, Dortmund, eingeschult in Schwerte

1934

Ich war ausgestattet mit einem braunen Ledertornister an dem außen seitlich ein gehäkeltes Tafelläppchen hing. Er war bestückt mit einer Schiefertafel, an der das Tafelläppchen befestigt war, einer Schwammdose und einer Griffeldose mit Griffeln. Anni Schäfer, Bottrop, kath. Mädchenschule

1935

Der junge Willi an seinem ersten Schultag 1935
Der junge Willi an seinem ersten Schultag 1935 © privat

Der Schulrektor unterbrach mich: „Du heißt nicht Willi! Willi ist kein Name. Deine Eltern nennen dich nur so. Willi ist ein Kosename. In Wirklichkeit trägst du, wie auch schon der deutsche Kaiser, den stolzen Namen Wilhelm.“ Verlegen brachte ich nur hervor, dass ich wirklich Willi heiße. Da schlug er mit der flachen Hand auf das Pult, dass es nur so krachte. „Du gehst jetzt sofort nach Hause und holst das Familienbuch!“ . . . Später starrte er kopfschüttelnd auf die Geburtsurkunde. Als ich an meinen Platz zurückging, meinte ich so etwas wie „Proletenallüren“ gehört zu haben. . .

Vor der Schule hatte ein Fotograf ein von einer Ziegenattrappe gezogenes Wägelchen dabei. Einer nach dem anderen von uns Schulanfängern kletterte in das Wägelchen, um fotografiert zu werden. Willi Balthun, Gelsenkirchen, eingeschult in Günnigfeld/ Wattenscheid

1939

Der Tag meiner Einschulung war der 1. September 1939. Es war der Tag, an dem der Zweite Weltkrieg ausbrach. Alle Leute waren geschockt, daher verlief dieser Tag ganz anders. Wir wurden in der Schule nur kurz begrüßt. . . . Schnell waren wir wieder zu Hause. Mutti und Oma nahmen alle Taschen mit, die wir hatten. Sie wollten noch ganz viele Lebensmittel einkaufen, bevor alles rationiert wurde. Renate Pill, Essen, eingeschult in Berlin

1942

Marianne Ling freute sich 1942 über die Schultüte aus Tapeten-Resten, Geschenkpapier und alten Servietten.
Marianne Ling freute sich 1942 über die Schultüte aus Tapeten-Resten, Geschenkpapier und alten Servietten. © privat

Es war Krieg, bedingt durch die Bombenangriffe war nichts mehr zu bekommen. In unserem Mietshaus wurden drei Kinder eingeschult. Unsere Vermieterin bastelte für uns drei Tüten aus Tapeten-Resten, Geschenkpapier und alten Servietten. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Wie sie den leckeren Inhalt für uns beschaffen konnte, ist mir bis heute ein Rätsel. Marianne Ling, Lennestadt, eingeschult in Essen-Rüttenscheid

1943

Ich ging an der Hand meiner Mutter den langen Weg zur Schule Löhen. Ich wurde so müde, dass wir uns auf einem Baumstamm im Wald ausruhen mussten. Wahrscheinlich war in der Nacht wieder Luftalarm gewesen, so dass ich, wie so oft, in den Keller rennen musste. Wir schliefen in unserer Kleidung. Wenn die Sirene Alarm heulte, stürzten wir in den Keller. Christel Kutsch, Sprockhövel

1944

Zuerst lernten wir den Hitlergruß. Nach zwei Wochen wurden die Schulen geschlossen. Die Bombenangriffe auf Hamm waren immer häufiger geworden. Rita Beims, Kreuztal, eingeschult in Hamm

1945

Der Krieg war gerade vorbei, auf dem Weg zur Schule lagen noch Trümmerreste. Schultüten? Keine. Schultaschen? Für was? Meine Tafel war einmal ein Stück vom Dach der zerstörten Engelbertuskirche. Der Ton untereinander war manchmal heftig, die Lehrer befehlend streng. Sie mussten vor kurzer Zeit noch als Soldaten kämpfen. Jetzt sollten sie sich einer Rektorin unterordnen? Und wir Kinder? Wir hatten in Trümmern oder baufälligen Häusern gelebt, trugen abgerissene, geflickte Klamotten – aber sauber! Wilfried Schürger, Mülheim, eingeschult in der Volksschule Bruchstraße

1947

Klaus Heimann stellte sich dem Schulsturm.
Klaus Heimann stellte sich dem Schulsturm. © privat

Wir wohnten direkt gegenüber der Schule auf Norderney, aber an diesem Tag tobte ein furchtbar heftiger Sturm. Der Wind riss mir meinen Pappmaschee-Tornister vom Rücken, Tafel und Stifte verteilten sich, der Tornister hatte einen tiefen Riss in der Ranzenklappe. Aber ich gab nicht auf, und hab mich, wenn auch gleich beim ersten Schulbesuch mit Verspätung, in die Schule gegen den für mich starken Sturm gekämpft! Klaus Heimann, Bochum

Ich ging mit einer alten Aktentasche (Tornister gab es nicht) allein zur Schule, da meine Mutter Waschtag hatte. Eine Schultüte und Süßigkeiten gab es nicht in dieser Zeit. Hans-Jürgen Vangenhassend, Duisburg

1948

Herbert Sabiers bei seiner Einschulung 1950.
Herbert Sabiers bei seiner Einschulung 1950. © Ralf Rottmann

Die Lehrerin kam persönlich zu uns nach Hause, weil ich Linkshänder war. Also man soll bitte dafür sorgen, dass ich das „richtige“ Händchen nehme. Margot Eilhardt, Crengeldanzschule Witten

1950

Als der Lehrer, Konrad Nietschke, ein Flüchtling aus Schlesien, den Raum der Pestalozzi-Schule in Wetter betrat, wurden wir angewiesen, jeden Morgen aufzustehen und „Guten Morgen, Herr Lehrer“ zu sagen. Nachdem wir unsere Namen genannt hatten, ging der Unterricht los. Wir mussten die Schiefertafeln hervorholen und Krückstöcke malen. Wenn sie nicht schön waren, wurden sie mit dem Schwämmchen ausgeputzt – „das Ganze noch einmal“. Zwischenzeitlich spielte unser Lehrer Liedchen auf der Geige. Herbert Sabiers, Wetter

1951

Renate Habets dachte, ihre Mutter hätte sie im Stich gelassen.
Renate Habets dachte, ihre Mutter hätte sie im Stich gelassen.

Bei meiner Einschulung lag meine Großmutter im Krankenhaus und ich war in Bensberg bei Köln im Kinderheim, weil meine Mutter alleinerziehend war. Außer mir hatten noch zwei Jungen aus dem Heim ihren ersten Schultag, wir gingen mit völlig identischen Schultüten zur Einschulung. Ich war schrecklich traurig, weil meine Mutter mir versprochen hatte, bei meinem ersten Schultag dabei zu sein. So verging dieser Vormittag für mich quälend langsam. Als wir in das Heim zurückkehrten, lief mir auf dem Weg meine Mutter entgegen, eine riesige Schultüte im Arm. Meine Mutter war pünktlich zu meiner Einschulung im Heim angekommen, um mich zu begleiten. Dies aber verbot ihr die Heimleitung, damit die Jungen nicht traurig würden. Also musste meine Mutter tränenüberströmt hinter einer Fensterscheibe zusehen, wie ihre kleine Tochter mit einer Heimtüte davonging. Renate Habets, Duisburg

1953

Im Klassenzimmer erwartete uns schon Fräulein Jasper, unsere Lehrerin. Sie war unverheiratet, was in der damaligen Zeit bei Frauen ihres Berufsstandes die Regel war. Auf die Anrede „Fräulein“ wurde besonders Wert gelegt. Die Titulierung „Frau“ wäre einer Beleidigung gleichgekommen. Fräulein Jasper hatte die dunklen Haare streng zurückgekämmt und im Nacken zu einem Knoten gebunden. Sie trug ein bodenlanges, schwarzes Kleid.
Inge Pietschmann, Essen, eingeschult: katholische Volksschule in Letmathe

1955

Im April 1955 wurde ich in der Grundschule Vogelsang in Gevelsberg eingeschult. Im Mai darauf wurde ich sechs Jahre alt. Als der Lehrer mich fragte, was ich zum Geburtstag bekommen habe, zeigte ich ihm meinen Petticoat. Er bekam einen roten Kopf und die ganze Klasse lachte. Auf dem Foto trage ich mein Markenzeichen: eine große Schleife im Haar und meine Lackschuhe, die ich zu Ostern im Kaninchenstall gefunden habe. Zu meinen Freundinnen Gaby, Erika, Ulrike habe ich heute noch Kontakt. Hiltrud Fuchs, Hagen

1956

Ich hatte keine Schultüte!!!!! Als einzige von allen fünfzehn Kindern. Da meine Oma mit in unserem Haushalt lebte, bestimmte sie, dass eine Schultüte mit Inhalt Geld kostet und darum nicht gekauft wurde. Punkt! Meine Mutter konnte sich bei ihrer Schwiegermutter nicht durchsetzen. Helga Ehmke, eingeschult: ev. Volksschule in Duisburg-Wanheim

1959

Mit spitzen Fingern fasste Monika Müller 1959 die Schultüte an – sie gehörte dem Fotografen.
Mit spitzen Fingern fasste Monika Müller 1959 die Schultüte an – sie gehörte dem Fotografen. © privat

Nur die Mütter brachten die Kinder zur Schule und es gab keine Feier danach. Ich hatte keine Schultüte. Als der Fotograf erschien, brachte er eine leere Schultüte mit. Ich fasste sie mit spitzen Fingern an, sie gehörte mir schließlich nicht. Unser Jahrgang war und ist eine gute Truppe. Alle fünf Jahre findet ein Klassentreffen statt. In diesem Jahr feiern wir unsere 50-jährige Schulentlassung. Monika Müller, Hesborn

Damals gab es noch die gute alte Volksschule, die man bis zur achten Klasse durchgängig besuchen konnte. Ich war stolz wie Oskar, dass ich dem Modellversuch unserer Schule angehörte und als Mädchen sogar in eine gemischte Klasse gehen durfte. Zuvor gab es nur reine Mädchen- und Jungenklassen, die immer brav getrennt voneinander unterrichtet wurden. Ulla Plappert, Essen, eingeschult: kath. Markscheideschule, Essen-Altendorf

1960

Ich hatte einen Tornister aus Leder, eine Schiefertafel im Papp-Schuber, dieser hatte auf der Vorderseite ein buntes, gemaltes Bild, darauf war ich sehr stolz. Außerdem eine Griffelmappe und einen Tafellappen, den meine Großmutter gehäkelt hatte, weiß mit blauem Rand. Die Tafel habe ich noch heute im Besitz. . . Da es kurz nach Ostern war, lag für jedes Kind auf seinem Platz ein hartgekochtes, gefärbtes Ei. Meins war rot. Nach der ersten Stunde habe ich es sorgfältig in meinen Tornister gepackt, um es zu Hause zu zeigen. Dort war der Schreck groß: Das Ei war zerbrochen, die Eierfarbe hatte sich auf meine Tafel-Hülle mit dem schönen Bild abgefärbt. Ich war sehr traurig. Der rote Fleck hat mich noch einige Zeit lang täglich an meinen ersten Schultag erinnert. Friedhelm Pientka, Essen, eingeschult in Essen-Haarzopf

1961

Gisela Weining freute sich 1969 besonders über die Kette mit dem Herzanhänger.
Gisela Weining freute sich 1969 besonders über die Kette mit dem Herzanhänger. © privat

Traurig richtete ich mich darauf ein, alleine hinter den anderen traben zu müssen. Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, kam ein Mädchen und stellte sich neben mich. Wir fassten uns an der Hand und gingen zusammen durch das Schulgebäude in den Klassenraum. Wir freundeten uns an. Erst nach der Pubertät habe ich Susanne aus den Augen verloren. Henning Hoppe, eingeschult in Duisburg

1969

Zwar war ich vorher im Kindergarten, aber da ich sehr schüchtern war, fiel mir der Schuleintritt sehr schwer. Riesig freute ich mich über die rote Schultüte, die mit vielen Dingen gefüllt war. Besonders aber über eine Kette mit Herzanhänger und der Gravur „Gott schütze dich“ auf der Rückseite. Ich habe diese Kette geliebt und es war die schönste Erinnerung an diesen einmaligen Tag. (Auf dem Foto trage ich die beschriebene Kette) Gisela Weining, Mülheim, Schule Kurfürstenstraße

1970

Mein Vater war Auslandskorrespondent, daher wurde ich in der Deutschen Schule in Johannesburg in Südafrika eingeschult: Es gab auch eine Schultüte und später eine Schuluniform – Sommer und Winter in Mittelgrau mit kurzen Hosen. Nur Oberschüler hatten lange Hosen. Guido Rieger, Rees