Essen. . Die Verkehrswacht veranstaltet Schnupperkurse fürs Elektrorad. Neulinge befürchten, dass sich das Rad selbstständig machen könnte.
Hannelore Efler ist heute Turbo gefahren. Stufe vier ist das. Mehr geht nicht. „Man unterschätzt diese Fahrräder, die Beschleunigung ist die Überraschung dabei“, sagt die Frau aus Essen. 25 Stundenkilometer hat sie gemacht. Auf dem Fahrrad. In dem Alter.
Nach dieser Grenzerfahrung auf dem Verkehrsübungsplatz ist sie dem Gedanken noch näher getreten, sich ein Pedelec zu kaufen. Bis, ja, bis sie es zu heben versucht: „Ich weiß, dass die schwer sind“ (hebt es an) „oh mein Gott, da geh’ ich lieber zu Fuß“ (setzt es hart auf). Das muss aber nicht das letzte Wort sein, denn: „Ganz allmählich fehlt mir die Kraft.“ Die zum Radeln: sehr schade, ein ganzes Fahrradfahrerleben neigt sich. Lässt es sich vielleicht verlängern?
Elektroantrieb unterstützt Fahrer
An diesem Samstag im Juni gehört der Verkehrsübungsplatz deshalb mal den Fahrradfahrern. Die Verkehrswacht und die Polizei laden nämlich ein zum Schnuppertraining, und das Rote Kreuz ist auch da, falls etwas passiert. Ältere Leute können sich auf Elektrofahrrädern üben. In der Variante Pedelec, das sind die Räder, die nicht schneller können als 25 und bei denen der Elektroantrieb den Fahrer nur unterstützt, wenn der selbst in die Pedale tritt. Bestimmt.
Sven Berger betont das gerade vor den zehn oder zwölf Männern und Frauen, die um ihn herum stehen. Denn diese Sorge kommt jedes Mal auf: dass das Elektro-Fahrrad sich selbstständig machen könnte. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Das Fahrrad fährt nicht alleine weiter, wenn Sie nicht mehr treten.“ So, mh, man weiß ja nie, erst mal gucken: Ein gewisses Rest-Misstrauen steht den Leuten ins Gesicht geschrieben . . . tatsächlich aber wird in der kommenden Stunde kein einziges Rad seinen Fahrer entschlossen in den umliegenden Wald entführen.
Vier Beschleunigungsstufen
Und warum sollen sie das also ausprobieren, dieses Pedelec? Mit 65 Jahren, mit 70, mit 73? Wie Hannelore Efler haben alle den Wunsch, trotz nachlassender Kräfte mit elektrischer Unterstützung weiter Rad fahren zu können: „Wir fahren eigentlich sehr viel Fahrrad, aber man wird langsam bequem“, sagt Silvia Fiedler: „Ich geh’ auf die 70.“
Und für die Polizei ist der Schnupperkurs Vorbeugung: „Die Leute müssen ein Gefühl dafür bekommen, was Tempo 25 bedeutet“, sagt Polizeidirektor Wolfgang Packmohr aus dem Präsidium Essen. Und: „Es geht nicht nur um Kraft, es geht auch darum, noch richtig sehen, hören und reagieren zu können. Wenn das nicht gegeben ist, muss man ihnen jedenfalls abraten.“
Die erste Hürde, von der kein Teilnehmer ahnte, ist überwunden: Die Verkehrswacht hat einen Film gezeigt namens „Glück auf, Helm auf“ – und niemand hat herumgezickt in Sorge um seine einzigartige Frisur. Helm auf zum Pedelec: Der Tag fängt gut an! Auch akzeptieren alle die komischen Plastiktütchen, die sie aus hygienischen Gründen zwischen Haupthaar und Leih-Helm ziehen müssen. Dann suchen sie sich ein Rad aus, und dann geht es hinüber zu Sven Berger, der das Display erklärt und die vier Beschleunigungsstufen: „Eco, Tour, Sport und Turbo.“ Nein, nein, auch bei Turbo mache sich das Fahrrad nicht selbstständig.
Vollbremsung üben
Und hinter dem freien Fahren wartet schon wieder die Polizei. Sie hat einen Parcours aufgebaut, der eigentlich für Mofas geschaffen wurde – logisch. Ein Kreis, eine Acht, ein Slalom, eine Engstelle; eine Barriere, um Vollbremsung zu üben. Und eine Polizeihauptkommissarin aus der Unfallvorbeugung.
Sie lobt („Sie machen das wunderbar, wir können jetzt den Slalom in Angriff nehmen“), sie kritisiert („Sie gucken direkt auf die Linie, sie sollten eine halbe Kreislänge vorausschauen“), und später sagt sie unter uns: „Es ist schwierig, manche Dinge anzusprechen. Manche sind beratungsresistent, die wollen das nicht hören.“ An diesem Samstag, ist aber kein hoffnungsloser Fall auf dem Platz. Radeln mit der Polizei. Die Hoffnung radelt mit. Die Hoffnung stürzt zuletzt.
>>>Training auf der Straße für Jung und Alt: Kurse für Menschen, die unterwegs sind mit dem Fahrrad oder Auto, dem Bus oder dem Rollator
Am Mittwochmorgen hat die Polizei in Duisburg drei Kinder aufgegriffen, die ein Auto vor die Wand gesetzt hatten, natürlich in der Nähe einer Grundschule. Die Begründung der drei für ihre Tour war aber nahezu unschlagbar: Sie wollten „fahren üben“.
Das ist nun etwas zu früh für 13- und 14-Jährige; aber Angebote von Verkehrserziehung aller Art gibt es für Kinder wie Senioren. Für Erwachsene dazwischen gibt es vor allem Aufklärungskampagnen („Brems dich – Schule hat begonnen“), und natürlich ist es jedem unbenommen, auch als Führerscheininhaber nochmals Stunden in der Fahrschule zu nehmen. Anbieter ist auch der ADAC mit seinem Sicherheitstraining: ein zu bezahlender Tag, an dem man richtiges Bremsen, Driften oder Gegenlenken lernen kann.
Weitaus mehr Angebote gibt es jedoch für Mädchen und Jungen. Jedem Kind einen Pylon: So funktioniert zum Beispiel ein Baustein von „Hallo Auto“, wo Kinder unter anderem lernen sollen, dass ein Auto vom Bremsen bis zum Stehen noch eine lange Strecke fährt. Sie stellen den Pylon an einer Stelle auf, von der sie glauben, es würde nach Tempo 30 oder 50 dort endlich stillstehen. Dann kommt der Praxistest – und siehe da: Meist braucht das Auto viel mehr Weg. Weitere Inhalte sind die Bedeutung von Gurt und Kindersitz oder die Ablenkung durch Handys. Andere Kurse drehen sich ums Schulbusfahren, Fahrradfahren oder um den Schulweg, wesentlicher Anbieter ist die Verkehrswacht.
Fahrscheinautomate bedienen
Das gilt auch für die Angebote an Senioren, angefangen bei eigenen Schnupperstunden auf dem Verkehrsübungsplatz, ob man noch Auto fahren sollte. Etwaige Befunde bleiben intern, doch muss der Betreffende damit rechnen, dass ein Mitarbeiter durchaus davon abraten kann, weiter zu fahren. Bei anderen Kursen kann es um sicheres Busfahren gehen. Neben der Verkehrswacht bieten auch Polizeien oft derartige Kurse an.
Nahverkehrsunternehmen und auch die Deutsche Bahn organisieren hin und wieder mehrstündige Seminare, in denen man lernen kann, den Fahrscheinautomaten zu bedienen: Mit etwas Übung ist es auch gar nicht so schwer, wie es vor allem diejenigen gern ausmalen, die nie an einem solchen Automaten sind.
Arbeiterwohlfahrt bietet Rollator-Kurs an
Relativ verbreitet sind inzwischen auch Rollator-Kurse, Wohlfahrtsverbände und Heime machen das, es gibt aber auch kommerzielle Angebote. Die Arbeiterwohlfahrt in Gladbeck bot im März 2012 einen der ersten Rollator-Kurse in Deutschland überhaupt an: Wie verhindere ich, dass er mich rollend zu Boden zieht? Wie komme ich durch eine Rüttelstrecke? Wie stelle ich ihn fest, bevor ich mich draufsetze?
Am Rande des Kurses damals stand Maria K., eine jüngere Frau, geschwächt von einem langen Aufenthalt im Krankenhaus. Sie sagte: „Das Fahren ist nicht schwer. Schwer ist, damit fertigzuwerden, dass man so ein Ding braucht.“