Dorsten. . Autofahren ist wie Radfahren, das verlernt man nicht! Oder etwa doch? Fahrlehrer Heiner Lüning über typische Fehler und neue Prüfungsthemen.

„Kupplung langsam kommen lassen“, „Schulterblick!“, „Die Nächstmögliche rechts abbiegen, bitte!“ – wer einen Führerschein hat, kennt diese Sätze. Und Heiner Lüning hat sie unzählige Male selbst gesagt. Denn seit er 1972 mit 21 Jahren als einer der jüngsten Anwärter in NRW die Prüfung zum Fahrlehrer absolvierte, bringt Lüning anderen das Autofahren bei. Grund genug für ein paar grundsätzliche Fragen.

Herr Lüning, Sie sind nun schon über 30 Jahre Fahrlehrer und führen Ihre Fahrschule bereits in der dritten Generation. Am „rechts vor links“ hat sich nichts geändert. Und sonst?

Heiner Lüning: In den 1980ern gab es Unterricht an der Tafel und es wurden Fragebögen ausgefüllt. Später kam der Computer als Unterrichtsmittel dazu. Und seit einem Jahr werden auch Videosequenzen mit Verkehrsszenen gezeigt, die der Fahrschüler mit seinen Worten einschätzen muss. Gerade die Technik hat sich stark verändert.

Und was ist mit den Lehrinhalten?

Lüning: Es ist viel dazu gekommen. Derzeit müssen 1000 Fragen beantwortet werden und in der Prüfung werden 30 abgefragt. Früher standen die Schilder und Regeln im Vordergrund, heute sind es Verkehrssicherheit und Gefahrenlehre. Es gibt viele neue Inhalte, von der Verkehrspsychologie bis hin zu Drogen und Alkohol. Diese Themen nehmen in der Theorie sogar ein extra Kapitel ein.

Ich erinnere mich aus meiner Fahrprüfung noch an die schon damals veraltet wirkenden Fragen zu Pferdefuhrwerken. Gibt es die noch?

Lüning: Die Kutschenfragen sind kurioserweise kürzlich wieder rein gekommen: „Woran erkennt man, dass der Kutscher abbiegen will?“*

Ist es denn heute schwieriger als vor 20, 30 Jahren, den Führerschein zu machen?

Lüning: Wenn man früher nicht gelernt hat, ist man durchgefallen, und heute ist das genauso. Aber man muss heute mehr Themen abdecken und öfter selber denken, reines Auswendiglernen reicht nicht mehr.

Sind die Fahrschüler heute anders, machen Sie andere Dinge falsch?

Lüning: Insgesamt sind die jungen Leute viel weniger am Autofahren interessiert. Das Smartphone ist da wichtiger. Sie üben auch nicht mehr auf dem Feldweg mit Freunden. Da dauert es schon mal ein Jahr, bis sie zur Prüfung antreten können. Die Fahrfehler sind aber die gleichen geblieben. Dass jemand vor lauter Aufregung rechts vor links übersieht etwa.

Gibt es auch Fehler, die vor allem jüngeren oder häufiger älteren Autofahrern unterlaufen?

Lüning: Bei den jüngeren Fahrern hat sich das begleitete Fahren sehr positiv ausgewirkt, finde ich. Man kann den Führerschein ja mit 17 Jahren machen und hat dann bei jeder Fahrt Erwachsene als Moderatoren dabei. Da bekommt man auf gesicherte Weise Fahrpraxis. Ältere Autofahrer haben viel Routine, sind aber oft körperlich nicht mehr so fit und verzichten auf den Schulterblick oder sehen und hören einfach nicht mehr so gut, was ja eine Gefahr darstellt.

Was raten Sie älteren Autofahrern, um fit für die Straßen zu bleiben?

Lüning: Ab 70 Jahren würde ich freiwillig einen jährlichen Gesundheitscheck durchführen lassen, der zeigt, ob ich noch am Steuer sitzen kann.

Würden denn wohl alle, die einen Führerschein haben, heute wieder durch die Prüfung kommen?

Lüning: Sie werden lachen, aber ein Fernsehteam hat neulich bei uns einen Test durchgeführt. Dabei sind neun von zehn Autofahrern bei der Prüfung durchgefallen. Die Jüngste hatte ihren Führerschein erst vor zwei Jahren gemacht. Das liegt auch daran, dass es immer neue Fragen gibt, etwa zum Airbag oder der Technik vom Anhänger. Um da auf der Höhe der Zeit zu bleiben, muss man öfter im Internet nachschauen oder hin und wieder mal in die Fahrschule gehen.

>>> Jeder Dritte fällt bei der Führerscheinprüfung durch

Viele Fragen, viele Sprachen, viele Fehler – sieben Fakten rund um den Führerschein:

Die weltweit erste Führerscheinprüfung fand bereits 1893 in Paris statt. In Deutschland werden seit 1906 Fahrerlaubnisse erteilt. Der erste deutsche Führerschein für eine Frau wurde 1909 ausgestellt.

Der Führerschein Klasse B gestattet das Führen von Fahrzeugen mit einer zulässigen Gesamtmasse von maximal 3, 5 Tonnen und zur Beförderung von acht Personen (plus Fahrer) sowie Zwei-, Drei- und Vierrädern mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h und maximal 50 ccm Hubraum (Verbrennungsmotor) oder 4 kW Nennleistung (Elektromotor).

Der Fragenkatalog für die theoretische Prüfung wird vom Bundesverkehrsministerium herausgegeben und abhängig von neuen Regelungen immer wieder aktualisiert, zuletzt 2011.

Für die theoretische Prüfung, bei der 30 von insgesamt knapp 1000 Fragen beantwortet werden müssen, gibt es kein Zeitlimit,. Üblicherweise werden jedoch 45 Minuten dafür angesetzt. Die zulässige Fehlerpunktzahl beträgt 10, es sei denn, zwei Fragen mit Wertigkeit 5 werden falsch beantwortet.

Außer auf Deutsch kann die theoretische Prüfung auch in Arabisch, Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Kroatisch, Spanisch und Türkisch abgelegt werden.

Drei Generationen: der alte „Lappen“ (r.), der EU-Führerschein in rosa (l.) und die heutige „Scheckkarte“(m.). Foto: imago stock&people Der neue Führerschein im „Scheckkartenformat“ wurde am 1. Januar 1999 eingeführt. Der zuvor ausgegebene, rosafarbene EG- beziehungsweise EU-Führerschein hatte bereits am 1. April 1986 den alten grauen „Lappen“ abgelöst.

Bundesweit 1,7 Millionen Prüfungen wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt im Jahr 2016 abgelegt. Die Durchfallquote betrug rund 35 Prozent. In NRW, wo rund 375 000 Prüfungen stattfanden, fielen nur rund 33 Prozent durch. Die höchste Durchfallquote gab es in Sachsen-Anhalt (knapp 44 Prozent), die niedrigste in Schleswig-Holstein (knapp 30 Prozent). Insgesamt haben in Deutschland derzeit rund 55 Millionen Menschen eine gültige Fahrerlaubnis.