Mülheim. Nicht nur im Fernsehen, auch in Vereinen wird Dart populärer. Was macht den Sport plötzlich so aufregend. Ein Besuch bei den Dart Devils Mülheim.

Schöner kann man sich eine Ruhrgebiets-Kneipe nicht malen: An der Theke würfeln drei Menschen beim Feierabendbier, in der Ecke blinkt der Spielautomat fröhlich vor sich hin, aus den Musikboxen dudelt Schlager. Aber da ist doch noch ein Geräusch? So ein dumpfes Klopfen.

Ein paar Schritte links um die Theke herum wartet die Auflösung: Durch eine Tür geht es in den großen Saal der Gaststätte. Dort hängen vier Dartscheiben. Die Pfeile schlagen im Sekundentakt ein. Hier trainieren die Dart Devils Mülheim. Ihr Hobby ist der Sport, dessen TV-Übertragungen auf dem Weg zum Kultstatus sind.

Das Duell: Mann gegen Mann.
Das Duell: Mann gegen Mann. © Fabian Strauch

„Konzentration, Spannung, das Duell Mann gegen Mann – das macht den Reiz beim Dart aus“, sagt Dirk Berger. Seit 1981 spielt er Dart. An das Brett brachte ihn der pure Zufall: „Ich wollte mit einem Kumpel in einer Kneipe Billard spielen. Der Wirt hatte aber den Tisch herausgeräumt und gegen zwei Dartboards getauscht. Also haben wir es mal versucht.“

Dart ist große Show

Beim Versuch ist es nicht geblieben. Das Geschicklichkeitsspiel, bei dem eine gute Auge-Hand-Koordination gefragt ist, spielt im Leben von Dirk Berger und seiner Frau Claudia eine große Rolle. „Ich wollte nicht immer nur gucken, wie die Männer spielen“, erinnert sich Claudia Berger. Mittlerweile spielt sie selbst seit 20 Jahren. In ihrer Mannschaft ist sie der Kapitän, also der Chef ihres Mannes. Das sei ganz schön, sagt sie und lacht.

Dart – das ist ihrem Gatten sogar unter die Haut gegangen: Auf seinen Unterarm hat er sich ein Auge und einen Pfeil tätowieren lassen. Darunter prangt der Schriftzug „Devil inside“. Teuflisch gut werfen auch die Stars der Szene. Die füllen mittlerweile Arenen auf dem ganzen Globus. In den Hallen herrscht Karnevalsstimmung. Im Fernsehen ist Dart – wie zuletzt bei der WM im Dezember und Januar – eine große Show: Die Spieler werden beim Einlauf von Schönheiten begleitet, während die Ansager die Namen van Gerwen, Taylor, Anderson oder Hopp ins Mikrofon brüllen.

Claudia Berger ist die Chefin der teuflischen Dart-Spieler.
Claudia Berger ist die Chefin der teuflischen Dart-Spieler. © Fabian Strauch

„Die Übertragungen sind Pflichtprogramm und natürlich bringen sie auch neue Leute zu dem Sport“, sagt Claudia Berger. Ihr Sport, das ist aber der Vereinssport. In der Bezirksklasse heißen die Gegner Hart am Dart, die Gladiatoren oder Triple-Inn Issum. Gespielt wird immer am Samstag, Anwurf ist immer um 20 Uhr.

An diesem Abend ist jedoch erst einmal Training – wie jeden Donnerstag und Freitag. „Die Präzision kommt einfach über die Wiederholung“, unterstreicht Dirk Berger, während er sich seitlich für seinen ersten Versuch aufstellt. Beim Rechtshänder ist der rechte Fuß vorne. Langsam verlagert der 52-Jährige sein Gewicht auf das vordere Bein („Das andere ist nur für die Balance da“), hebt den Wurfarm, visiert das 20er-Segment an und lässt den Unterarm nach vorne schnellen.

Ganz knapp über der Double-20 bohrt sich der Pfeil ins Brett. „Im Training versucht man die Doubles zu üben.“ Zur Erklärung: Nur mit einem Treffer in die dünnen Felder, die doppelt zählen, kann man eine Partie beenden. Eine knifflige Aufgabe, an der dann und wann selbst die Profis verzweifeln.

Jeder Dartspieler erinnert sich an seine erste 180

Mehr zum Modus: Von 501 an werden die Punkte runtergezählt. Die Spieler werfen im Wechsel drei Pfeile (Darts) hintereinander. Die magische Zahl beim Dart ist die 180. Drei Darts in Folge in die Triple 20 sind einfach nicht zu toppen. „Jeder Dartspieler erinnert sich an seine erste 180“, erklärt Berger. Er hat das Kunststück das erste Mal vor über 20 Jahren fertiggebracht. „Ein schöner Moment.“

Konzentration: Dirk Berger beim Training.
Konzentration: Dirk Berger beim Training. © Fabian Strauch

Die Vergangenheit verschafft ihm im Trainingsmatch mit Jan Connor Rice aus der ersten Mannschaft, die in der dritthöchsten Klasse antritt, keinen Vorsprung. Nur 27 Würfe braucht Rice, um die Partie für sich zu entscheiden. Kein Wunder, schließlich wurde ihm das Dartspiel in die Wiege gelegt. Sein Vater, ein britischer Soldat, brachte Dart Anfang der 80er-Jahre nach Mülheim. „Als er das erste Mal eine Dartscheibe in einer Kneipe aufhängen wollte, ist das Ordnungsamt eingeschritten – zu gefährlich“, erzählt der Sohn.

Wie ist das mit Dart und Alkohol?

Von der Insel kommt die Verbindung der Sportart zu den Kneipen. Dort wurde schon immer in den Pubs gespielt. Und auch die Helden des Dartsports sehen so aus, als hätten sie gestern noch in der Eckkneipe an der Theke gestanden. Das mache sie eben so sympathisch, findet Claudia Berger. Und wie ist es mit dem Dart und dem Alkohol? „Klar gehört ein Bier mal dazu. Gesoffen wird hier aber nicht“, macht Dirk Berger deutlich.

Ihm fällt es nicht schwer, den ganzen Abend Geschichten über sein Hobby, seine Leidenschaft, zu erzählen. Eine nette Anekdote aus dem Bereich der Regelkunde: Beim Training sei ein flotter Spruch in Richtung des Gegenübers ganz normal, im echten Match ist das dagegen strengstens untersagt.

Nach der Plauderei ruft aber wieder das Training. Berger pinnt einen Bierdeckel auf die Dartscheibe und feuert eine Serie lang Pfeile auf ihn ab. Und dann noch eine. Achja, die Präzision kommt ja über die Wiederholung. Denn beim nächsten Ligaspiel müssen die Würfe wieder teuflisch genau sitzen.

>> SO LERNT MAN DART

Dart, das ist Sport. Da lassen die Mitglieder der Dart Devils nicht mit sich diskutieren. „Vor allem aber ist es eine Sache, die jeder lernen kann“, sagt Dirk Berger. Das Training bei den Mülheimern ist offen für jedermann. Trainiert wird donnerstags und freitags ab 20 Uhr in der Gaststätte Speldorfer Hof in Mülheim, Duisburger Straße 192. Spieler aus anderen Vereinen schauen immer wieder bei den Einheiten vorbei. „Das ist der Vorteil daran, dass wir in einer offenen Gaststätte trainieren“, findet Berger.

2,37 Meter sind die Werfer vom Brett entfernt.
2,37 Meter sind die Werfer vom Brett entfernt. © Fabian Strauch

Die Fitness spielt beim Dart keine Rolle. Wenn die Pfeile aus 2,37 Meter Entfernung auf die Dartscheibe geworfen werden, geht es vor allem ums Geschick. Deshalb sei das Alter hier nur eine Nummer, so Berger. Der älteste Teufel bei den Dart Devils ist 77 Jahre alt, der jüngste gerade mal 16. Und wo wir gerade bei Zahlen sind: 31 Mitglieder hat der Verein derzeit. „2004 haben wir uns mit gerade einmal sieben Leuten gegründet“, erinnert sich Claudia Berger.

Mülheim ist ein bekannter Fleck auf der internationalen Dart-Landkarte. Dreimal fand dort die Dart-EM statt. Claudia Berger dazu: „Wir haben in der Security mitgeholfen und konnten hinter die Kulissen blicken. Ein Traum.“ Was kann man sich abschauen, wenn man den Idolen einmal so nah ist? Nicht die Wurftechnik oder die Fußstellung. Dirk Berger verrät: „Am interessantesten ist es zu beobachten, welche Rechenwege die Stars nehmen.“