Westönnen . Rainer Kiko war schon viermal in den Polarregionen unterwegs. Ein außergewöhnliches Erlebnis war die Begegnung eines Pinguins auf einer Scholle.
Klirrende Kälte und weit und breit nur Eis und Meer – so stellt man sich die Umgebung in den Polarregionen vor. Keine Menschen, kein Lärm, absolute Stille.
Ganz so harmonisch geht es für die Polarforscher in diesen Gebieten nicht zu. Auf Menschen treffen sie zwar meist nicht mehr, aber absolute Stille herrscht bei ihrer Arbeit auch nicht. Werkzeuge und Schiffe sorgen für eine geräuschvolle Atmosphäre. Meeresbiologe Dr. Rainer Kiko konnte aber einen einzigartigen Augenblick der Ruhe im ewigen Eis erleben – gemeinsam mit einem Pinguin.
Expeditionen in Arktis und Antarktis
Der 39-Jährige war bereits viermal auf Expeditionen in Arktis und Antarktis unterwegs. Jeweils zwei Monate lebte und arbeitete er dort an Bord des Forschungsschiffs „Polarstern“. Sein Ziel: Mehr über die Meeres-Organismen in den Regionen erfahren. „Mich hat besonders interessiert, wie die Lebewesen es schaffen, dort zu überleben“, sagt der Experte. Er hat zum Beispiel kleine Krebse und Rädertierchen, die im Meereis leben, untersucht.
Ursprünglich kommt Dr. Rainer Kiko aus Westönnen in der Nähe von Werl. Für sein Meeresbiologie-Studium entschloss er sich, nach Kiel zu gehen. Dort bekam er schon während des Studiums die Chance, zu Forschungszwecken nach Grönland zu reisen. Die Faszination der Expeditionen in die Kälte ließ ihn danach nicht mehr los. 2003 hatte er erstmals die Möglichkeit, mit dem „Polarstern“ in die Arktis zu reisen – und nutzte sie.
Im Schneesturm nur mit Gewehr
Die Forscher haben meist in Schiffsnähe gearbeitet und alleine seien sie schon aus Sicherheitsgründen nicht unterwegs gewesen, sagt Rainer Kiko. „Es kann schon ziemlich gefährlich werden. Bei Schneesturm zum Beispiel mussten wir ein großes Gewehr bei uns tragen.“ Das sollte zur Verteidigung griffbereit sein – falls sie einem Eisbären begegneten.
Und doch kann sich der Meeresbiologe an einen außergewöhnlich stillen und einsamen Moment während seiner ersten Reise in die Antarktis erinnern: „Ich war dort mit einem Pinguin ganz alleine auf einer Eisscholle. Hunderte Kilometer kein Mensch um mich herum.“ Ein Moment, den der Forscher als absolutes Highlight seines Lebens bezeichnet. Doch wie kam es überhaupt dazu?
Mit dem Hubschrauber auf die Eisscholle
Bei der Expedition in die Antarktis 2004 wollte das Forscherteam eine besonders große Eisscholle untersuchen. Diese zerbrach allerdings in mehrere große Stücke und so musste sich das Team einen neuen Plan überlegen. Denn mit ihrem großen Schiff konnten sie die abgetriebenen Teile nicht erreichen. „Anfangs sind wir mit einem Gummiboot zu den einzelnen Schollen gefahren. Doch irgendwann waren die dann einfach zu weit weg“, erinnert sich Rainer Kiko.
Er und seine Kollegen wurden daraufhin für einen Tag mit dem Hubschrauber an ihre Arbeitsplätze geflogen und nacheinander wieder abgeholt. Der Meeresbiologe war als Letzter an der Reihe. Fernab vom Schiff hatte er so vor der Ankunft des ohrenbetäubenden Hubschraubers Zeit, die Stille zu genießen. „Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich mit der Arbeit fertig war“, sagt Rainer Kiko, „endlich waren keine Geräusche mehr um mich herum und ich saß ganz alleine auf der Eisscholle. Das war sehr besonders.“
Doch ganz allein war der Forscher auf seiner Scholle nicht: Ein Kaiserpinguin leistete ihm Gesellschaft. „Diese Tiere sind wirklich unglaublich neugierig“, sagt der Meeresbiologe lachend. Gemeinsam mit dem Pinguin wartete er auf den Hubschrauber. Um ihn herum nichts als Meer und Eis. „Das war wirklich einmalig. Diesen besonderen Moment werde ich wohl so schnell nicht vergessen “, sagt der Meeresbiologe glücklich. Denn so etwas hat er auf all seinen Expeditionen kein zweites Mal erlebt.
Das klimatische Gegenteil
Mittlerweile ist Rainer Kiko nicht mehr in den Polarregionen unterwegs. Das liegt aber keinesfalls am fehlenden Interesse: „Es hat beruflich einfach nicht geklappt, weiter in der Polarforschung tätig zu sein, da das Institut für Polarökologie in Kiel geschlossen wurde“, sagt der 39-Jährige, „jetzt mache ich quasi das klimatische Gegenteil.“
Der Meeresbiologe ist nun auf Expeditionen in tropischen Gewässern unterwegs, zum Beispiel vor der Küste von Peru. Auch dort gibt es bei der Arbeit auf dem Schiff nicht viel Ruhe. Momente der Stille versucht er sich deshalb selbst zu schaffen: „Nach dem Essen schnappe ich mir meist eine Tasse Kaffee, stelle mich auf der Backbordseite an die Reling und schaue aufs Meer. Da bin ich dann zumindest für einige Minuten ungestört.“