Hünxe. Detlef Schulz unterrichtet Kunstflieger, aber auch Kapitäne von großen Maschinen, mit denen Menschen in den Urlaub fliegen. Damit alle gut landen.

Wie eine gelbe Biene am hellblauen Himmel sieht das Flugzeug aus. Doch seinen Flug wird kein Insekt der Welt nachahmen können: Fast senkrecht stürzt der Flieger in die Tiefe, um im nächsten Moment die Kurve zu kriegen und wie bei einer Achterbahn den Weg wieder hinauf zu nehmen. Dann dreht er sich auf den Rücken, fliegt so seine Bahnen, als ob es das Normalste der Welt wäre. Allein schon vom Zuschauen vom sicheren Boden aus, auf dem Flugplatz Schwarze Heide in Hünxe, bekommen viele Menschen feuchte Hände. Doch Detlef Schulz sagt: „Nach drei Tagen gewöhnen Sie sich daran, dann ist Ihnen nicht mehr schlecht.“

Schulz ist Trainer für Kunstflieger. Dabei geht es nicht nur um den Nervenkitzel, um Loopings. Schulz betont die Sicherheit. Für Kunstflieger, aber auch für Piloten von Maschinen, die in Urlaubsorte fliegen. Denn so manches, was einem kleinen Flugzeug passiert, kann auch einem großen zustoßen. „Es gibt Zwischenfälle in der Luftfahrt, davon erfahren Sie nichts!“

Unglücke könnten so verhindert werden

Nur, wenn es zum Unglück kommt: Schulz erinnert an den Air-France-Flug 447 von Rio de Janeiro nach Paris. Das Flugzeug sei damals in der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 2009 intakt gewesen. „Nur“ die Geschwindigkeitsmesser waren während der Turbulenzen defekt. Doch wenn man in solch einer Situation zu langsam oder zu schnell fliegt, strömt zu wenig Luft unter den Flügeln hindurch, die sonst den Auftrieb des Fliegers sichert. „Das Flugzeug ist in einen Strömungsabriss gekommen“, sagt Schulz. Und der unerfahrene Pilot reagierte falsch. Das Flugzeug stürzte ab. Alle 228 Menschen an Bord starben.

Ein trudelnder Flieger ist nicht das Ende

Kurz vor dem Start: Detlef Schulz im Cockpit seines kleinen Flugzeugs.
Kurz vor dem Start: Detlef Schulz im Cockpit seines kleinen Flugzeugs. © Volker Hartmann

„Bei richtiger Ausbildung wäre er gar nicht in die Situation gekommen“, meint Schulz. „Er hätte eingreifen können.“ Auch darum geht es, dass die Piloten die Anzeichen für eine gefährliche Situation erkennen, bevor sie eintritt. Und wenn sie einmal erlebt haben, wie es sich anfühlt, wenn der Flieger zum Beispiel auf dem Kopf ist, könnten sie ganz anders mit solch einer Lage umgehen.

Die gelbe Biene „fällt“, dabei dreht sie sich spiralförmig um die eigene Achse. So sieht das Trudeln aus, wenn die Strömung nur noch auf einer Seite des Flugzeugs korrekt ist. Schulz bringt den Flieger wieder in die Waagerechte. Alles ist gut! Um dann im nächsten Moment plötzlich stehen zu bleiben. So sieht es jedenfalls von unten aus, bevor der Flieger quasi einen Purzelbaum in der Luft schlägt.

Später an diesem Tag wird Schulz’ Sohn in den Flieger steigen. Mit acht Jahren war er beim ersten Kunstflug dabei. Heute ist er Co-Pilot bei einer großen Fluggesellschaft. „Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein Flugzeug nicht mehr fliegen will.“ Schulz gibt Piloten von Airlines ein Sicherheitstraining. Die europaweite Gesetzgebung hat sich geändert, so dass künftig auch ein Kapitän eines Airbus für besonders brenzlige Situationen gewappnet sein muss. Nicht alle nehmen Stunden bei Lehrern wie Schulz. Aber einige Kapitäne, die dann überlegen, wie sie die Situationen auf den Flugsimulator übertragen können, mit denen die Piloten trainieren, erklärt Schulz.

Wobei der gelbe Flieger mit den roten Flammen schon etwas Besonderes ist: eine „Walter Extra 200“. „Die Firma, die das Flugzeug gebaut hat, ist hier am Platz“, sagt Schulz. Sie sei der weltweit größte Hersteller für Kunstflugzeuge. „Die Maschine hat eine höhere Belastungsgrenze.“ Mit einem anderen Flieger würde er das Trudeln nicht freiwillig üben.

„Die Luft unter mir ist das Wichtigste überhaupt“

„Viele Airline-Piloten trauen sich nicht mehr, sich in Kleinflugzeuge zu setzen“, so Schulz. Zwei Plätze gibt es im Cockpit, einen für den Schüler, einen für den Lehrer. Wer über 1,90 Meter ist oder mehr als 95 kg wiegt, darf nicht mit. Das schafft der 600 kg leichte Flieger nicht. Und selbst ein Mensch von kleinerer Statur kann im Cockpit seine Arme nicht ausstrecken.

Der Fluglehrer schiebt die Maschine zur Tankstelle.
Der Fluglehrer schiebt die Maschine zur Tankstelle. © Volker Hartmann

Vor dem Start prüft Schulz das Öl – ähnlich wie beim Auto. Dann kontrolliert er jedes Ruder. Ob auch nichts blockiert ist. „Es wird wahrscheinlich fliegen“, scherzt Schulz und schiebt die Propellermaschine mit beiden Händen vor sich her zur Tankstelle. Danach setzt er den Fallschirm auf den Rücken, klettert ins Cockpit, schnallt sich mit einem Fünf-Punkt-Gurt an, schließt die Haube und startet das Flugzeug. Der Propeller dröhnt, die Maschine rollt Richtung Startbahn – und hebt schließlich mit 145 km/h ab.

Wenn ein Gast an Bord ist, fliegt er mindestens in 450 Metern Höhe, lieber in 1,5 km. „Ich würde den Teufel tun, eine gefährliche Figur zu niedrig zu üben. Die Luft unter mir ist das Wichtigste überhaupt. Sie gibt Sicherheit.“ So kann man das Trudeln nicht ganz kontrolliert stoppen. „Mal verliert man 200 Meter, mal 300 Meter. Man weiß nicht, wann es aufhört.“

Im Theorieteil lernen die Schüler auch, wie sich der Körper bei der ungewöhnlichen Belastung verhält, wenn er in die Sitze gedrückt wird und das Blut in die unteren Extremitäten rutscht. Die Augen können anfangen zu flimmern. „Man kann einen Tunnelblick bekommen, man kann vielleicht nichts mehr sehen“, warnt Schulz und betont zugleich: „Aber man kann dann noch steuern!“ Zumindest rettende Sekunden lang, die den Piloten wieder in eine sichere Situation bringen.

Nun darf der Schüler selbst fliegen

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    Wie geht er selbst mit den körperlichen Strapazen um? „Ich lasse es nicht bis zum Sichtverlust kommen.“ Am zweiten Tag fliegt der Schüler. Ähnlich wie bei einer Fahrschule begleitet Schulz den Piloten. „Aber eine Bremse gibt es nicht.“ Dann heißt es mitgehangen, mitgefangen, wenn der Schüler lernt, auf dem Rücken zu fliegen. „Das ist anfangs sehr unangenehm“, sagt Schulz. Weil der Kopf signalisiert: Hier stimmt etwas nicht! Aber auch das sei Gewöhnungssache.

    Das Fliegen hat ihn schon als 14-Jähriger fasziniert. Damals fing er mit Modellflug an, bevor er später zum Segel- und schließlich zum Kunstflug kam. „Es ist wie ein Fisch im Wasser, der sich frei bewegen kann“, beschreibt Schulz das gute Gefühl in der Luft. Nach einem 20-minütigen Flug steigt der 67-Jährige aus seinem Flieger, als ob er gerade Auto gefahren wäre. Er wischt sich über die Augenbrauen. „Diese Hitze!“ – als ob es nichts Schlimmeres gäbe. Ein mehrtägiges Training, bei dem er ständig mit einem anderen Schüler in der Luft ist, sei schon anstrengend, gibt er zu. Und noch etwas: „Auch ich kenne Flugangst. Die Angst hält uns am Leben.“

    • Ein Flug mit dem Kunstflieger: Für kunstflugbegeisterte Piloten bietet Detlef Schulz einen Einweisungsflug an. Ein Flug kostet 190 Euro, der zweite am selben Tag 170 Euro und jeder weitere 150 Euro. Ein Flug dauert 20 Minuten – danach ist der Kunstflugtank leer. „Mehr will man dann auch nicht“, scherzt Schulz. Schulz nimmt auch Privatpersonen mit. Weitere Informationen unter Tel: 02164/40 53 oder www.kunstflug.net