Gelsenkirchen. . Tolga Harmer übt für den Lauf im Gelsenkirchener Nordsternpark. Dort wird nicht nur gerannt. Der Weg geht auch durch Schlamm oder Eiswasser.

Tolga Harmer läuft locker aber zügig die Treppe hoch zur Rungenberghalde. Es nieselt, es ist grau. Gar nicht sommerlich. Der junge Mann nimmt davon keine Notiz. Nass wird er ohnehin, bei dem, worauf er sich vorbereitet. Kalte Duschen gehören dazu beim Hindernislauf „Xletix“. Am Sonntag, 28. August, findet dieser zum zweiten Mal im Nordsternpark in Gelsenkirchen statt. Tolga Harmer ist dann wieder dabei.

„Positiv verrückt muss man schon sein“, meint der 29-Jährige. Im vergangenen Jahr ging er mit 4500 Gleichgesinnten an den Start. Morgen werden es 6500 Teilnehmer sein. Sie können zwischen drei Distanzen wählen. Die S-Distanz beinhaltet 15 Hindernisse auf rund sechs Kilometern. Die M-Distanz hält auf etwa zwölf Kilometern 25 Hindernisse für die Teilnehmer bereit. Auf der L-Distanz müssen 18 Kilometer oder mehr und rund 30 Hindernisse bewältigt werden. Tolga Harmer ist wieder für die längste Strecke angemeldet. „Die anderen lohnen sich für mich nicht“, erzählt der gebürtige Gelsenkirchener, der schon lange intensiv Sport treibt. Über den Halbmarathon kam er zum Hindernislauf.

Tolga Harmer beim Treppen-Training.
Tolga Harmer beim Treppen-Training. © Lars Heidrich

„Wenn man auf Sport steht, dann kommt man zwangsläufig zu solchen Events“, meint er. Dabei zähle ja auch der Spaß-Faktor. „Vor allem, wenn man mit Freunden gemeinsam im Team antritt.“ Zu fünft werden sie starten. Als Team „Stauder“. „Weil wir das alle gern trinken.“ Hin und wieder mal ein Bier und ein Burger, das sei schon drin, erzählt Tolga Harmer. „Wir machen alle viel Sport, ernähren uns gesund. Da können wir uns das an einem Tag in der Woche leisten.“ Öfter aber nicht.

Sein erster Hindernislauf war der „Strong Man Run“ am Nürburgring. Ein echtes Event, sagt er. „Da sind viele verrückte Typen. Manche laufen als Wikinger verkleidet, andere mit Kriegsbemalung.“ Das gab es bei der ersten „Xletix Challenge“ im Revier noch nicht. „Vielleicht kommt das noch.“

Eine steile Wand hochlaufen

Auch wenn Tolga Harmer viel läuft, trainiert, sein „Treppen-Training“ absolviert, wirklich vorbereiten auf einen solchen Hindernislauf könne man sich nicht, meint er. Was für Herausforderungen man antrifft, weiß man schließlich im Vorfeld nicht. „Eine Grundfitness ist schon von Vorteil. Das Treppensteigen hat mir im letzten Jahr geholfen, eine steile Wand hochzulaufen. Man kann sagen, die Grundübungen helfen viel. Dazu gehören Liegestütze, Kniebeugen und Klimmzüge. Und viel laufen.“

Ausruhen - aber nur für einen sehr kurzen Moment. Tolga Harmer auf dem Rungenberg-Gipfel in Gelsenkirchen.
Ausruhen - aber nur für einen sehr kurzen Moment. Tolga Harmer auf dem Rungenberg-Gipfel in Gelsenkirchen. © Lars Heidrich

Trotzdem: Die Hindernisse haben es in sich. Schwitzend vor Anstrengung und bei heißen Temperaturen in ein Becken mit Eiswasser zu steigen, das klingt nur nach erholender Abkühlung. „Das hat mir Probleme bereitet. Da bleibt einem erst einmal die Luft weg. Und wenn man raus ist aus dem Wasser, ist man richtig kalt, muss sich über zwei Kilometer erst einmal wieder warm laufen. Man isst nur noch Bananen um die Energie zurückzubekommen.“ Andere überstünden das nicht so schadlos, erinnert sich der Wahl-Essener. „Man sieht auf der Strecke schon einige Verletzte. Manche haben nur Krämpfe, andere sogar Bänderrisse.“ Der Sportler weiß, warum. „Es heißt immer, auch Untrainierte können den Lauf schaffen. Das glaube ich auch. Die Frage ist, schaffen sie das ohne Verletzungen. Man benutzt ja Muskeln, die man sonst nie gebraucht. Das sind Bewegungsabläufe, die ist man nicht gewohnt. Wann zum Beispiel zieht man sich schon mal an einem Seil hoch, wann robbt man durch Schlamm unter einem Netz her? Ein bisschen vorbereitet sein sollte man schon.“

Aus der Hocke in den Strecksprung

An die besonders anstrengenden Hindernisse kann sich Harmer noch gut erinnern. Einer davon war der „Burpee Boulevard“. So klangvoll der Name ist, so beschwerlich ist die Übung. Bei diesem Training – nur mit dem eigenen Körpergewicht – startet man in der Liegestütz-Position, springt in die Hocke und dann in den Strecksprung. „Das ist unglaublich anstrengend. Und das musste man mehrfach machen.“ Andere Aufgaben sind nur im Team zu bewältigen. Das ist die eigentliche Philosophie der „Xletix Challenge“. Sie ist eine sportliche Herausforderung mit Teambildungs-Effekt. „Deswegen wird da auch nicht die Zeit gemessen.“

Rauf und runter: Tolga Harmer will für den Hindernis-Lauf fit sein.
Rauf und runter: Tolga Harmer will für den Hindernis-Lauf fit sein. © Lars Heidrich

Die letzten Tage vor dem großen Event lässt es der Kaufmann in der Lebensmittel-Branche locker angehen. Ins Fitness-Studio geht er nicht mehr. „Damit ich Sonntag keinen Muskelkater habe.“ Ein paar leichte Laufeinheiten sind alles. „Den Tag vor dem Event lade ich nur noch meine Energie auf.“ Im Klartext heißt das: gut und viel essen. Das geht am Wettkampftag nicht mehr. „Da gibt es nur noch ein Brot mit Honig und Bananen.“ Dazu fünf bis sechs Liter Wasser und Magnesium. „Sonst hat man auf jeden Fall Krämpfe.“ Nach den drei Stunden, in denen Harmer mit seinem Team den Lauf schaffen will, heißt es „Ausruhen!“. „Danach ist man platt.“ Und die nächsten Tage auch. „Die ersten beiden sind die schlimmsten. Jeder Muskel tut weh. Ich habe dann zum Glück Urlaub.“ Den gönnt er auch seinem Körper. „Nach so einem Event braucht man Zeit, um wieder motiviert sein zu können. Obwohl ich Sport liebe und brauche.“

Es regnet. Beim „Steigerungs-Training“ auf der Treppe mit rund 300 Stufen geht es den ersten Abschnitt hinauf und wieder herab. Dann wieder hoch bis zur zweiten Ebene und wieder runter – immer eine Treppe mehr, bis Tolga Harmer ganz oben angekommen ist. Erst danach legt er los mit seinem 10-Kilometer-Lauf. „Das ist der härteste Trainings-Tag der Woche“, gibt er zu. Und doch erzählt er davon mit strahlenden Augen. Ein Kino-Hit hat ihn dazu inspiriert: „Wenn man da hochläuft, fühlt man sich wie Rocky Balboa.“