Duisburg. . Der Rockelsberg bietet eine unverstellte Aussicht auf Duisburg, Rhein und Hafen - und soll ein Zuhause für Reptilien sein. Ein Treffen mit Stadtförster Axel Freude.
Bei Aprilwetter eine Halde besteigen? Nun, man muss das schon wirklich wollen. Aber dann wird man belohnt mit einem Wolkenspiel, das die eh schon sehr besondere Aussicht auf dem Rockelsberg in Duisburg-Rheinhausen noch spektakulärer macht.
In einem Moment färbt sich der Himmel fast schwarz über dem Außenhafen und der Duisburger Innenstadt mit Rathaus, Salvatorkirche und Landesarchiv. Dann reißt plötzlich der Himmel auf, Sonnenstrahlen lassen den Rhein glitzern, der sich am Fuß des künstlichen Hügels entlangschlängelt.
„Sehen Sie dahinten?“, fragt Axel Freude, während er in die Ferne zeigt. „Der Landschaftspark Nord!“ Freude ist Stadtförster seit 26 Jahren. Er ist nicht nur Fachmann für Flora und Fauna in Duisburg, sondern – wie sich bei dieser Halden-Tour herausstellt – auch für die ganze Industriekulisse.
Es gab schon Ideen für eine kunstvolle Landmarke, auch ein Kreuz von einem unbekannten Spender stand schon mal auf dem Gipfel der Halde, aber was ihr wirklich fehlt, sind Tafeln, die den Ausblick erklären. Sie müssten allerdings riesig sein, um die ganzen Schornsteine und Kühltürme zuordnen zu können. Die Hochöfen von Thyssen-Krupp in Bruckhausen ebenso wie das Kraftwerk Walsum, aber auch ganz weit weg: die Skyline von Düsseldorf. Und ebenfalls von hier aus winzig klein, die riesige verschlungene Achterbahn-Landmarke „Tiger & Turtle“ auf der Heinrich-Hildebrand-Höhe.
Auf der anderen Uferseite befindet sich der noch recht neue Rheinpark, in dem die Menschen bis zum Fluss laufen können, den die rot-blaue „Brücke der Solidarität“ überquert. Dort trafen sich Ende der 1980er-Jahre die Stahlkocher, um gegen die Schließung von Krupp zu protestieren.
Die Halde in Rheinhausen ist keine Bergehalde. Das Ufer des Rheins wurde einst zunächst ausgekiest und dann mit Schlacken der Krupp-Hütte verfüllt. Die Halde macht nur einen Teil des 70 ha großen Deponie-Körpers aus. Eigentlich steht Freude gerade auf der Werkdeponie Krupp I. Aber den Bürgern gefiel der Name „Rockelsberg“ besser – so hieß einst ein Duisburger Recyclingunternehmen.
Fertiggestellt wurde der Rockelsberg jedoch erst vor wenigen Jahren. Bis dahin war in seiner Mitte noch ein tiefes Loch, das dann aber mit Schlacken von weiteren Thyssen-Krupp-Standorten verfüllt und schließlich mit einer Folie abgedichtet wurde. Frische Erde obendrauf sollte das Grün sprießen lassen. Auch die Hausmüll-Deponie nebenan und die dahinter angefangene, aber nie zu Ende geschüttete Deponie Krupp II wurden in den vergangenen Jahren – zuletzt noch 2015, nach einigem Hin und Her über die Zuständigkeiten – mit frischer Erde aufgefüllt. So einfach lassen sich Halden eben doch nicht renaturieren, wie Axel Freude weiß.
Der Erd-Deckel war vorher viel zu schmal gewesen. „Da kam Müll raus“, so der 56-Jährige. Nachdem das Regenwasser die Erde weggespült hatte. Nun ist Freude guter Dinge, dass auch auf den Nachbarshügeln die Pflanzen gedeihen. „Halden sind für Pflanzen Extremstandorte“, so der Förster. Der karge Boden sei eine Herausforderung. Aber: „Pflanzen sind faszinierende Überlebenskünstler.“
Zunächst gehen die sogenannten Pioniergewächse an: Weiden, Pappeln, Erlen, Birken . . . „Die sind der Klassiker. Von irgendwo kommen immer Birkensamen angeflogen.“ Gräser sind sowieso sehr zäh. Und auch der Sanddorn, der auf Halden häufig zu sehen ist, überlebt bei einem Boden, der nicht viel Wasser speichert. Buchen jedoch, „werden hier nicht froh.“
Brombeeren geben der Böschung Halt – und den Kaninchen Schutz. Dahinter am Hang hat sich etwas Selteneres breitgemacht: „Zwergholunder“, erzählt Axel Freude. „Kijeh, kijeh“, ertönt es auf einmal: Bussarde gleiten mit dem Wind über die Halde. Auch ein Rüttelfalke „steht“ am Himmel und schaut nach einer Maus.
An die Tiere wurde bei der Halden-Gestaltung auch gedacht: unter großen Steinen sollen sich Reptilien vermehren. Eidechsen oder Blindschleichen. Hat er schon eine Echse gesehen? Freude: „Bisher noch nicht, aber das ist nur eine Frage der Zeit.“ Dafür sieht er einmal im Jahr Schafe. Denn nicht nur mit Mähgeräten halten der Förster und seine Kollegen das Grün in Schach. Ein Schäfer führt auch seine Herde über die ehemalige Deponie, erzählt Freude, während Graupel auf den Schotter fällt. Der Gipfel ist gänzlich vom Grün befreit worden, kein Halm soll stören bei der – man kann es nicht oft genug sagen – spektakulären Aussicht.