Witten. . An der Halde Hamburg in Witten liegt ein beliebter Bahntrassen-Radweg, der viel Bergbau-Geschichte erlebt hat. Ein Besuch auf einem kleinen Gipfel.

Hamburg ist eine Halde und wird oft links oder rechts liegen gelassen – und das auch noch mit voller Absicht. Ein Satz wie dieser würde in einer bestimmten norddeutschen Hansestadt bestimmt eine Sturmflut der Entrüstung entfesseln, in Witten aber keinesfalls. Denn diese Bergehalde namens Hamburg, nicht weit entfernt vom Markt in Witten-Annen, liegt ein wenig versteckt und ist, man mag das harsche Urteil verzeihen, ein wenig unscheinbar. Was sie allerdings vor allem dem Kontrast durch die benachbarte Konkurrenz verdankt, nämlich dass an ihrem Fuß die wunderhübsche Bahntrasse „Rheinischer Esel“ liegt. Die ist heute ein äußerst beliebter Rad- und Laufweg und ihre schnurgerade Führung mitten durch Annen lenkt schlichtweg davon ab, dass hier einer der kleineren Höhepunkte der Bergbauvergangenheit des Ruhrgebiets zu finden ist.

Denn die „Zeche Vereinigte Hamburg & Franziska“ hat eine wirklich lange Geschichte, die schon 1737 ihren Anfang nahm mit der Inbetriebnahme der „Stollenzeche Hamburg“. Damals war Annen noch ein Winzling mit weit weniger als 500 Einwohnern und es war im Ruhrgebiet noch ein Leichtes, an die große Kohle zu kommen, es lag ja doch alles recht dicht unter der Erde. Erst 115 Jahre später musste man an dieser Stelle zum Tiefbau übergehen. Aber da man schon so früh mit dem Abbau des schwarzen Goldes begonnen hatte, war auch früh Schicht im Schacht. Die Kohlekrise der 1960er-Jahre mit ihren zahlreichen Zechenschließungen lag noch in weiter Ferne, da wurde die Zeche Hamburg im Sommer 1925 stillgelegt.

Aufbruchstimmung

Die Frau, die all diese Zusammenhänge wunderbar zu einer größeren Geschichte verknüpfen kann, ist Hildegard Priebel. Sie ist Stadtführerin, Museumspädagogin und Vorsitzende des Geschichtsvereins Annen. „Witten ist meine Heimatstadt, das alles hier ist für mich ganz emotional“, sagt sie – und man merkt ihr den Stolz auf ihre Stadt deutlich an.

Radfahrer lieben ihren Rheinischen Esel.
Radfahrer lieben ihren Rheinischen Esel. © Kai Kitschenberg

In Witten herrschte in den 1870er-Jahren eine geradezu überschwängliche Freude, nachdem beschlossen wurde, auf dem Wittener Bruch einen Zentralbahnhof zu errichten. „Von dieser Trasse hat man sich Werweißwas erhofft und dachte, jetzt kommt der Zusammenschluss und Witten und Annen. Dann werden wir eine Großstadt.“ Die groß angelegten Streckenpläne wurden jedoch im Lauf weniger Jahre wieder eingedampft, es entstand lediglich die Strecke zwischen Dortmund-Löttringhausen und Bochum-Langendreer, die über Witten-Rüdinghausen führte – und eben auch zentral durch Annen. Im Dezember 1880 nahm die Strecke „Rheinischer Esel“ den Betrieb auf, eingeweiht auf dem Bahnhof Witten-Annen Süd – und entpuppte sich im Laufe der folgenden Jahre leider nicht als jener Renner, den man sich erhofft hatte. Lediglich die Bergleute und die Kötter, die ihre Hühner sowie Obst und Gemüse zum Wittener Markt bringen wollten, nahmen diese Strecke voll an.

Mit Lasten bepackt

Hildegard Pribel oben auf dem Haldengipfel.
Hildegard Pribel oben auf dem Haldengipfel. © Kai Kitschenberg

Eine Frage, die man sich heute natürlich stellt: Was hat ein „Rheinischer Esel“mitten in Westfalen zu suchen? Naja, die Bahnlinie Löttringhausen-Langendreer wurde von der Rheinischen Eisenbahngesellschaft geplant und errichtet. Und den scheinbar wenig rühmlichen Namen „Esel“ bekam die Strecke natürlich, weil die Züge auf ihr vornehmlich mit Lasten bepackt wurden.

Bis in die 50er-Jahre dampften auf der Strecke die Personenzüge, ein Jahrzehnt später zumindest noch der Güterverkehr. Und 1979 kam das Aus für den „Rheinischen Esel“ in seiner damaligen Form.

Nun hatte die Stadt einen zentralen Schienenstrang, mit dem sie nicht viel anfangen konnte – bis sich in vielen Ratssitzungen herauskristallisierte, dass man hier künftig am besten Drahtesel fahren lassen könnte. Eine Entscheidung, die nicht nur die Stadt Witten traf. Doch in Annen wurde immerhin schon 1991 die Radtrasse freigegeben – und nach und nach auch andere Teilabschnitte des Rheinischen Esels, bis dann 2012 die gesamte ehemalige Bahnstrecke auch zweirädrig befahrbar war. Und die Halde Hamburg?

Ein wenig mehr Pflege täte Not

Sie ist eben kein Riese unter ihresgleichen. Auf ihrem Rücken liegen, wenn man die richtigen Stellen findet, sogar gepflasterte Gehwege, die allerdings nicht ganz nach oben führen, sondern rundherum. Und oben auf dem Gipfel? Finden wir eine verwilderte Wiese, reichlich Bäume, die die Fernsicht verwehren. In einer Ecke der Wiese steht windschief ein metallener Bauzaun mit Plastikplanen, bei dem man höchstens noch erraten kann, wozu er hier aufgestellt wurde. Dennoch ist die Halde Hamburg abgesehen von solchen Schönheitsfehlern ein hübscher, etwas verwilderter Ruhepunkt, von dem man durch die Bäume hinabschauen kann auf die Radfahrer, Jogger und Spaziergänger, die den „Rheinischen Esel“ so lieben.