Lünen. Auch heute noch gibt es Halden, die kontrolliert werden, damit sich die Restkohle nicht selbst entzündet. Wir trafen den Brandschutzexperten Jörg Kayser auf der Preußenhalde in Lünen.

Man stelle sich vor, es brennt und man sieht es nicht. Tief unter der Erde entzündet sich ein Rest Kohle, gefährliche Gase steigen bis zur Erdoberfläche auf. Das klingt nach Sience-Fiction, ist aber Teil der Geschichte des Kohlereviers. Allerdings gibt es Experten wie Jörg Kayser, die solche „Warmstellen“ auf den Bergehalden aufspüren und kontrollieren. Wir trafen den Brandschutzsachverständigen der Deutschen Montan Technologie (DMT) auf der Preußenhalde in Lünen, um mit ihm über dieses heikle Thema zu sprechen: brennende Halden.

Es ist lange her, dass die Zeche Preußen an dieser Stelle das Bergematerial auftürmte, von 1875 bis 1925. Aber bis heute gibt es noch Restkohle in dem tauben Gestein, so dass die Gefahr von Schwelbränden besteht. Es ist einst nur locker aufgeschüttet worden, Sauerstoff kann so eindringen. „Das Bergematerial geht mit dem Sauerstoff eine Verbindung ein“, erklärt Kayser. „Diese Oxidation setzt Wärme frei. Wenn die nicht abwandern kann, kann sich die Kohle selbst entzünden.“

Gesprächspartner weichen oft aus

Bis heute gebe es im Ruhrgebiet brennende Halden. Aber welche genau brennen, möchte der Brandschutzexperte nicht benennen. Er verweist auf seine Arbeitgeber, die ursprünglichen Haldenbesitzer, die verpflichtet sind, die so genannten Warmstellen zu kontrollieren.

Brandschutzexperte Jörg Kayser kontrolliert einen Messpegel für Gas und Temperatur.
Brandschutzexperte Jörg Kayser kontrolliert einen Messpegel für Gas und Temperatur. © Volker Hartmann

So ergeht es uns immer wieder bei der Recherche zu dieser Serie. Spricht man das Thema „Brennende Halden“ an, weichen die Gesprächspartner oft aus. Ein Sprecher der RAG zum Beispiel verneint gar die Existenz von schwelenden Halden, so etwas gebe es heute nicht mehr. Experten bestätigen Warmstellen, wollen damit aber nicht namentlich in der Zeitung genannt werden. Und auf die erste Nachfrage beim RVR bekommen wir die Antwort: „Die Halden, die wir haben, haben keine Warmstellen mehr.“

Warmstellen auf mehreren Halden

Als die Bergbauabteilung der Bezirksregierung Arnsberg jedoch der Redaktion eine Liste schickt, auf der Halden vermerkt sind, die wegen solcher Selbstentzündungsbereiche kontrolliert werden (siehe unten), sind dort auch welche des RVR verzeichnet. Nochmals nachgefragt, bestätigt der RVR schließlich, dass folgende Halden heute noch Warmstellen haben: Rheinelbe in Gelsenkirchen, Norddeutschland in Neukirchen-Vluyn und Großes Holz in Bergkamen. Die Sprecherin entschuldigt sich glaubhaft, sie habe das nicht gewusst. Die Kontrolle liege beim ursprünglichen Besitzer, der RAG...

Teils scheint es Unwissenheit zu sein, teils aber auch die Angst vor Imageproblemen, die das Thema „Brennende Halden“ so nebulös wirken lässt.

Eine Schattenseite des Haldenwandels

Die Vorstellung ist schließlich unangenehm, dass der so wunderbar vollzogene Wandel auf den Halden eine Schattenseite hat: Man wandert über den Hügel, genießt die Aussicht, während unter den Füßen tief in der Erde die Kohle glimmt.

Jörg Kayser, Brandschutzexperte in Lünen auf der Preußenhalde.
Jörg Kayser, Brandschutzexperte in Lünen auf der Preußenhalde. © Volker Hartmann

400 Grad Celsius heiß war es hier, sagt Kayser und zeigt einen Hang hinab. Anfang der 90er stellte das die DMT fest. Das Unternehmen wurde damals beauftragt, die Halde zu sichern, für die Landesgartenschau 1996 in Lünen. Die Mitarbeiter haben mit Temperaturfühlern das Erdreich erforscht, dann gebohrt, in der Tiefe die Temperatur gemessen. Sie ließen Warmstellen ausbaggern, schlossen die Lücken mit Material, das nicht brennen kann. Noch heute fliegen sie einmal im Jahr über die Halde und machen zur Kontrolle Infrarotluftbilder. „Hier brennt es nicht mehr“, beruhigt Kayser. Aber warme Stellen gebe es noch. Allerdings seien die harmlos, maximal 30 Grad warm.

Von dieser einst so heißen Stelle sieht man heute Wasser in der Sonne glitzern: Im Horstmarer See ziehen die Menschen im Sommer ihre Bahnen. Eine Familie mit Hund spaziert über die Halde. Achtlos laufen die Kinder an einem umzäunten Rohr vorbei, das aus der Erde ragt. Rund 15 dieser Messpegel gibt es auf der Halde.

Schädliche Gase aus der Erde

Messpegel stehen am Rande der Spazierwege auf der Preußenhalde.
Messpegel stehen am Rande der Spazierwege auf der Preußenhalde. © Volker Hartmann

Wenn Kayser die Halde prüft, lässt er durch diese Rohre Sonden hinab, bis zu 20 Meter tief. Dort misst er die Temperatur und entnimmt Gasproben, die später im Labor untersucht werden. Bis Mitte der 90er habe man die Gase noch auf der Halde gerochen, so der 50-Jährige. „Beim Öffnen der Pegel haben wir ein Gasmessgerät dabei, falls direkt schädliche Gase herauskommen.“ Methan, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid. Anfangs hätten sie mehrere Tausend ppm Kohlenmonoxid gemessen. „Ab 8000 ppm reicht teilweise ein Atemzug, dann ist man tot.“

Heute seien die Werte unauffällig, sagt Kayser. „Es gibt keine Gefahr mehr für Mensch und Natur.“ Auch müsse man nicht mit Hohlraumeinbrüchen rechnen. Andreas Nörthen, Sprecher der Bergbauabteilung der Bezirksregierung Arnsberg, versichert: „Die Halden werden so intensiv bewacht, dass man nichts befürchten muss, wenn man darüber geht.“ Das gilt natürlich nur für die Halden, die man auch offiziell begehen darf.

Bei neuen Halden, so Kayser, sei die Gefahr gering. Das Bergematerial hat heute nur noch einen sehr kleinen Kohleanteil. Zudem wird das taube Gestein nicht mehr wie früher als Spitzkegel locker aufgeschüttet, sondern als Landschaftsbauwerk ordentlich verdichtet. So kann kaum Sauerstoff eindringen.

Thermische Nutzung der Erdwärme

Aus der Not wollte ein Team der Uni Aachen und weiterer Institute eine Tugend machen. Von 2007 bis 2013 untersuchte es den Teil der Halde Wehofen, auf dem einst Bergematerial aufgeschüttet wurde. Ob sich die Erdwärme von schwelenden Halden thermisch nutzen lässt? Die Forscher kamen zu einem positiven Ergebnis. Thyssen Krupp, Betreiber der Halde auf der Grenze zwischen Duisburg und Dinslaken, nutzt die Erdwärme aber nicht. Stattdessen wurde Wehofen-West „mit einer Schicht Schlacke und sogenanntem bindigen Boden abgedichtet, um den Sauerstoffzutritt zu verhindern“, so Sprecher Erik Walner. Nun soll noch Erde aufgebracht werden, damit die Halde begrünt werden kann.

Also alles im Griff? Lässt man in einem Wald auf einer nicht abgedichteten Halde etwa eine glühende Zigarette fallen, ist die Brandgefahr, so Kayser, größer als anderswo, denn dort können nicht nur Bäume Feuer fangen. Nachdem die Feuerwehr solche Brände gelöscht hat, kontrolliert Kayser, ob auch der Untergrund betroffen ist. Über 100 Grad heiß sei es auf der Preußenhalde nach einem Brand vor drei Jahren gewesen. Die warme Stelle wurde ausgebaggert, neu verfüllt. Kayser warnt: „Alle alten Halden, die bisher unauffällig waren, können sich immer noch entzünden.“ Auch neue Bauwerke auf den Halden könnten den Schutzmantel stören, Sauerstoff eindringen lassen...

Kayser wird jedoch nicht nur auf Halden gebraucht. Auch zu einem Brand eines Bahndammes wurde er schon gerufen: „Dort hatte man Bergematerial als Baumaterial eingesetzt.“

  • Schwelende Halden in der Region: Laut Bergbauabteilung der Bezirksregierung Arnsberg werden diese Halden bezüglich Selbstentzündungsbereiche überwacht: Großes Holz in Bergkamen, Rheinelbe und Rungenberg in Gelsenkirchen, Graf Moltke in Gladbeck, Norddeutschland in Neukirchen-Vluyn. Da es unterschiedliche Halden-Besitzer gibt, existiere laut Nörthen, Sprecher der Bergbauabteilung, keine Gesamtübersicht der brennenden Halden.