Essen. Mit „Connected Essen“ will die Stadt smarter und für Unternehmen attraktiver werden. Straßenlaternen sollen nicht nur Licht spenden.
Intelligente Ampelanlagen, die Staus vermeiden, Straßenlaternen, an denen E-Autos tanken, Rathäuser, die ihre Bürgerservices online anbieten – die Digitalisierung bietet unzählige Möglichkeiten. Die Ruhrgebietsstädte nutzen sie mehr oder weniger stark. Essen geht einen besonderen Weg.
Einmal im Jahr veröffentlicht der Digitalverband Bitkom ein Ranking der smarten Städte in Deutschland. Bochum landete jüngst mit den Messergebnissen für 2022 auf Platz 8 unter den zehn digitalsten deutschen Kommunen – nicht weit hinter den Spitzenreitern Hamburg, München und Dresden. Essen erreichte Rang 29 von 81. Das klingt nach Mittelmaß, bedeutet aber eine Verbesserung um zehn Plätze im Vergleich zu 2021.
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Den spürbaren Aufwärtstrend hat Silke Berger mit Wohlwollen registriert. Die ehemalige Energiemanagerin steht seit Sommer 2021 an der Spitze der Initiative „Connected Essen“, die sich zum Ziel gesetzt hat, die zehntgrößte Kommune Deutschlands smarter zu machen. „Viele Städte konzentrieren sich auf die Digitalisierung ihrer kommunalen Verwaltungen. Essen geht einen anderen Weg und bezieht auch Unternehmen, Kliniken, Schulen, Wissenschaft und den Mobilitätssektor mit ein“, sagt die gebürtige Gelsenkirchenerin.
„Hohe Datenschutzauflagen bremsen die Digitalisierung“
Berger ist bewusst, dass Deutschland bei der Digitalisierung einen immensen Nachholbedarf hat, der nicht erst mit dem schallenden Gelächter über die angestaubten Faxgeräte in den Gesundheitsämtern während der Corona-Pandemie offenbar wurde. „Immer zu gucken, was wir besser machen können, ist kein Selbstzweck. So schaffen wir auch Mehrwert für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger“, ist die Bereichsleiterin von Connected Essen überzeugt.
Sie kennt aber auch die Hürden. „Mein Eindruck ist, dass hohe Datenschutz-Auflagen die Digitalisierung bremsen. Deutschland ist sehr stark reguliert“, erklärt Berger und unterstreicht zugleich, dass sie ihn keineswegs abschaffen will: „Datenschutz ist wichtig, an der einen oder anderen Stelle brauchen wir aber eine Modernisierung.“ Dessen ungeachtet sieht sie nun endlich Bewegung – ausgelöst durch die Corona-Krise. „In die Digitalisierung ist nun ein Schub gekommen. Wir haben jetzt die Möglichkeit, die Dinge zu bewegen und die Zukunft zu gestalten“, sagt Berger.
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Auch wenn Essen im bundesweiten Bitkom-Ranking zuletzt nur einen Platz im Mittelfeld belegte, sieht sie die Stadt gut gerüstet. „Beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz sind wir in Essen schon recht weit. Die Stadt setzt sie unter anderem ein bei der Bewertung des Zustands von Straßen und des Trockenheitsgrads von Bäumen“, zählt die Bereichsleiterin auf. Aktuell arbeite man an einer intelligenten Verkehrslenkung und Lösungen für verzweifelte Autofahrerinnen und Autofahrer, die in der Großstadt keinen Parkplatz finden. Sensoren sollen über eine Smartphone-App anzeigen, wo es freie Parkplätze gibt. Denn sie weiß: „In Spitzenzeiten kommt es häufig immer wieder zu erheblichen Belastungen.“
Städte wollen sich untereinander austauschen
Dabei hat Berger durchaus auch die Region im Blick. „Die Fördermittelgeber möchten, dass sich die Städte über Smart City-Projekte austauschen. Nicht jeder soll die Entwicklungskosten haben. Wir gucken auf die anderen und die anderen auf uns“, sagt sie.
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Zu einer smarten Stadt gehört für Berger zweifellos auch die Zukunftsfrage, wie sich die rund 600.000 Essenerinnen und Essener und die mehr als fünf Millionen Menschen in der Metropole Ruhr künftig umweltschonend fortbewegen. Vor ihrem Wechsel zu Connected Essen war Berger für eine Reihe von Energieunternehmen im Ruhrgebiet wie die Stadtwerke Gelsenkirchen, Innogy und Westnetz tätig. „Innovationsthemen wie Digitalisierung, Glasfaser, WLAN, E-Mobilität oder Quartierslösungen haben mich schon immer fasziniert. Ich habe mich immer als Innovationstreiber verstanden“, sagt sie.
Alle 30 Meter eine Straßenlaterne
Bei Innogy war die Managerin unter anderem für die Straßenbeleuchtung und damit für rund eine halbe Million Straßenlaternen verantwortlich. „Ich bin fest davon überzeugt, dass man diese Stadtmöbel, die im Abstand von 30 Metern auf den Straßen stehen, noch vielfältiger nutzen kann als bisher“, meint Berger.
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Auf der zentralen Huyssenallee, die den Essener Hauptbahnhof mit dem angesagten Stadtteil Rüttenscheid verbindet, sind 15 Straßenlaternen durch „Smart Poles“ ersetzt worden. Sie leuchten nicht nur, einige von ihnen sind zugleich Ladepunkte für E-Autos. Andere sind mit Bildschirmen ausgestattet, über die aktuelle Informationen und Warnhinweise abgerufen werden können. Zugleich spannen die Smart Poles ein WLAN-Netz in der Umgebung.
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Von diesen Innovationen soll es in absehbarer Zeit mehr geben. Denn, davon ist Silke Berger überzeugt: „Smarte Lösungen erleichtern nicht nur den Menschen das Leben, sondern sind auch ein Standortvorteil für Unternehmen.“