Iserlohn. Horst-Werner Maier-Hunke (84) ist gern unbequem und will es auch nach 25 Jahren an der Spitze des Märkischen Arbeitgeberverbandes bleiben.
Wer ein Vierteljahrhundert dasselbe Amt ausfüllt, könnte in Verdacht geraten, es sich allzu gemütlich gemacht zu haben. Horst-Werner Maier-Hunke repräsentiert seit 25 Jahren als Vorsitzender des Märkischen Arbeitgeberverbandes die Interessen von mehreren hundert Unternehmen aus dem starken Mittelstand im Märkischen Kreis, Hagen und dem südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis – und macht es seitdem sich und den Mitgliedern kein bisschen bequem. Der 84-Jährige ist vermutlich der dienstälteste Verbandsboss der deutschen Wirtschaft.
Keine Interesse an schlechten Gesprächen
Als der MAV-Chef vor anderthalb Jahren zum Verbandstag in der Iserlohner Schauburg Gregor Gysi als Gastredner präsentierte, gab es im Vorfeld unüberhörbares Grummeln unter den Firmenbossen und kühle Distanziertheit an den vornehm eingedeckten runden Tischen, als die Ikone der Partei „Die Linke“ ans Rednerpult trat. Maier-Hunke nahm das bewusst in Kauf. Mitunter erscheint es ihm sogar Vergnügen zu bereiten, bewusst anzuecken. Weil ihn echte Typen, Leute wie Gysi, offenbar reizen – und weil er selbst keine erwartbaren Schranken im Kopf zu haben scheint: „Wir brauchen eine Rentenreform, sonst wird sich die Gesellschaft noch mehr spalten. Wir haben alle nichts davon, wenn Deutschland in Arm und Reich auseinanderfällt“, sprang Maier-Hunke dem linken Gastredner bei der Absage an eine Rente mit 70 an diesem Abend demonstrativ bei. Immer wieder mahnt der kluge Unternehmer eine Rentenreform als überfällig an, um des sozialen Friedens willen.
Maier-Hunke mag kluge Köpfe, die wirklich etwas zu sagen haben, nicht nur stromlinienförmig nachplappern, was en vogue erscheint. An Gesprächen mit Letzteren zeigt der Unternehmer wenig Interesse und kann dies schlecht verbergen. Selbstbedienungsmentalität von Managern ist ihm zuwider. „Wir müssen aufzeigen, dass ethische und soziale Werte und erfolgreiches Wirtschaften sich gegenseitig befördern“, forderte er 2016 beim Campus-Symposium in Iserlohn.
Zeit mit schlechten Gesprächen verschwenden? In ein paar Tagen wird Maier-Hunke 85 Jahre alt. Immer noch fühlt er sich fit und gedanklich frisch genug, dem altehrwürdigen Märkischen Arbeitgeberverband als dessen Vorsitzender weiter Impulse zu verleihen. 25 Jahre sind ein Jubiläum, kein Grund, sich aus der Verantwortung zu verabschieden, auch wenn es „eigentlich richtig ist, Wechsel rechtzeitig einzuleiten“.
Aber wann ist der richtige Zeitpunkt? Erst einmal nicht. Der Verbandstag am 11. Mai in der Schauburg Iserlohn ist kein Wahltag, sondern als Feiertag für den langjährigen Vorsitzenden geplant. Mit einem Vortrag des Ökonomen Michael Hüther, als Direktor des unternehmernahen Instituts der Wirtschaft ein gänzlich unverdächtiger Redner, dieses Mal – obwohl auch Hüther sich die Freiheit nimmt, der Wirtschaft unverblümt die Leviten zu lesen. Mit vermutlich warmen Worten von Arndt G. Kirchhoff, seinem Nachfolger als NRW-Arbeitgeberpräsident. Und mit NRW-Ministerpräsident a. D. Jürgen Rüttgers (CDU), der ihm 2010 das Bundesverdienstkreuz verlieh, ehe die Genossin Hannelore Kraft ihn auf dem Platz in der Staatskanzlei beerbte.
Wenn Maier-Hunke feiert, gleich ob Jubiläum oder Geburtstag, dann sicher ohne Buttercreme-Marzipantorte, wie sie ihm als nett gemeinte, hübsch anzusehende Überraschung von den MAV-Beschäftigten dieser Tage vor die Nase gestellt worden ist. Lecker, aber nichts für ihn, schon der Gesundheit zuliebe. Das höchste der Gefühle: Anschneiden für die anderen. So ist er. An die Anderen denken, über den Tellerrand hinaus. Nicht nur an die Firmenbosse, wie es sein Job im Ehrenamt beim MAV ist, sondern auch an die Beschäftigten. Vor allem an den Nachwuchs.
Als Maier-Hunke noch im letzten Jahrtausend den Job als MAV-Chef übernahm, musste er sich in den folgenden Jahren auch um Tarifangelegenheiten in der Metall- und Elektrobranche kümmern. Bis dato eine Sache, die traditionell in Baden-Württemberg erledigt wurde. „Das war die Zeit der sogenannten Daimler-Verträge“, erinnert er. Großkonzerne wie der Premium-Autobauer und die Zulieferer-Ikone Bosch und ihre starken Betriebsräte mit nahezu hundertprozentiger Organisiertheit in den Betrieben gaben für die Fläche den Tariftakt in Deutschlands wichtigster Branche vor. „Damals ging es im Wesentlichen um die Lohnrunde. Inzwischen verhandeln wir viele andere Themen und die Verträge wurden immer schwieriger“, erinnert sich Maier-Hunke nur zu gut an die Marathonrunden der Sozialpartner, bei denen die Verhandlungsführer auf beiden Seiten – Gewerkschaften wie Arbeitgeber – immer größere Heerscharen von Juristen hinter sich versammeln mussten, um selbst noch durchzublicken. „Auch das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften war damals noch ganz anders. Es gab bei den Unternehmern eine ausgeprägte Stammtischmentalität.“ Das änderte sich spätestens in Folge der Krise 2008/2009, die auch in der deutschen Industrie Strukturen ins Wanken brachte und genau das erforderte, was Maier-Hunke auch auszeichnet: sozialpartnerschaftliches Denken. Der Wahl-Iserlohner war seinerzeit Präsident von Unternehmer NRW (2004 bis 2016) und Präsident von Metall NRW (2006 bis 2014) und als solcher Verhandlungsführer der Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen in NRW.
Das Ende der ewigen „Daimler-Verträge“
Mitten in der bis dato schwersten Wirtschaftskrise in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte gelang es mit ihm am Tisch, den Pilotabschluss in NRW unter Dach und Fach zu bringen, bereits in der zweiten Verhandlungsrunde noch innerhalb der Friedenspflicht und mit besonderer Qualität. Zu mehr Lohn und Gehalt wurde eine Komponente zur Beschäftigungssicherung vereinbart – der Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“. Und anders als zu Zeiten der „Daimler-Verträge“, wurde auch über die Auszubildenden geredet. „Bevor ich Verhandlungsführer war, haben die die Azubis in den Verhandlungen immer vergessen.“ Nach durchverhandelten Nächten, wie es sich bis heute gehört, wurden Verbesserungen in der Ausbildung laut Maier-Hunke damals zwischen Marmeladentoast und Ei beim Frühstück abgemacht. „Dabei war das vielleicht der wichtigste Punkt!“
Maier-Hunke steht seit einem Vierteljahrhundert auch für großes Engagement für die duale Berufsausbildung. Nur wenige Arbeitgeberverbände leisten sich eigene Ausbildungszentren wie der MAV – allenfalls eine Handvoll. Die Ausbildungsgesellschaft Mittel-Lenne mit ihrem 2015 eingeweihten Neubau in Iserlohn-Letmathe und modernstem Maschinenpark kostet viel Geld und scheint im laut Maier-Hunke „nicht unvermögenden Verband“ durchaus umstritten zu sein. Fachkräftequalifizierung und Ausbildung des Nachwuchses sei aber gerade für mittelständische und kleinere Unternehmen wie im MAV notwendiger denn je. „Die Schließung der Ausbildungszentren, das geht nur über meine Leiche – im Moment.“ Horst-Werner Maier-Hunke kann unbequem werden, wenn es um die Sache geht, und will es wohl noch eine Weile bleiben.