Ruhrgebiet. Ruhrgebiet soll Modellregion für Wasserstoff-Transformation werden. Städte bündeln Kräfte und bereiten auf Baustellen und Veränderungen vor.

Das Ruhrgebiet wittert Morgenluft. War es einst die Steinkohle, die Unternehmen an Rhein und Ruhr lockten, soll es künftig der Wasserstoff sein. Die Städte Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund und Hamm haben auf Initiative der Duisburger Wirtschaftsförderung vereinbart, ihre Kräfte bei der Transformation zu bündeln, um das Revier zu einer Modellregion zu machen. Das erklärten sie in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Darin weisen aber auch darauf hin, dass der Region und ihren Menschen mit Baustellen und Einschnitten in die Landschaft viel zugemutet werden müsse.

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„Wasserstoff ist kein Thema für eine Stadt in der Metropole Ruhr. Damit kann keine einzelne Stadt einen Blumentopf gewinnen. Die Transformation gelingt uns nur gemeinsam als Region“, appelliert Rouven Beeck, Co-Geschäftsführer der Wirtschaftsentwicklung Bochum, an den gemeinsamen Geist. „Das Ruhrgebiet ist der mit Abstand größte Abnehmer von Wasserstoff. Einzigartig ist, dass wir hier alles abbilden können: Herstellung, Verteilung und Nutzung.“

Thyssenkrupp Steel braucht den meisten Wasserstoff

Allein das Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg wird langfristig rund 720.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr benötigen, um grünen Stahl zu produzieren. Das sind fast 250 Millionen mit Wasserstoff gefüllte Lkw – jährlich, wie der Konzern nachgerechnet hat. Doch nicht nur die Industrie schielt auf den Energieträger der Zukunft. „Leuchtturm der Transformation zu Wasserstoff ist natürlich Thyssenkrupp mit seinem grünen Stahl. Dazu gehört aber auch der große Mobilitätssektor mit Bussen und Müllfahrzeugen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Deshalb müssen wir auch das entsprechende Tankstellennetz ausbauen“, sagt André Boschem, Geschäftsführer der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft.

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Die Dimensionen sind gewaltig. „Die Industrie im Ruhrgebiet wird raue Mengen grünen Strom benötigen, um Wasserstoff CO2-neutral zu erzeugen. Das ist auch eine Chance für andere Bereiche, denn ein Bus braucht pro Schicht etwa 40 Kilogramm Wasserstoff“, erklärt Rasmus Beck, Geschäftsführer der Duisburg Business & Innovation GmbH. „Der Hochlauf der Wasserstoff-Wirtschaft in der Mobilität wird deshalb zunächst besonders in industriell-urbanen Regionen gelingen, wo es ausreichend Wasserstoff und eine entsprechende Infrastruktur gibt.“

Wirtschaftsförderer aus dem Ruhrgebiet wollen die Kräfte ihrer Städte beim Zukunftsthema Wasserstoff bündeln. Auf dem Dach des Funke Media Office in Essen v.l.: Rouven Beeck (Bochum), Rasmus Beck (Duisburg), Pascal Ledune (Hamm), Heike Marzen (Dortmund), André Boschem (Essen) und Michael Hübner (Hy Region Rhein-Ruhr).
Wirtschaftsförderer aus dem Ruhrgebiet wollen die Kräfte ihrer Städte beim Zukunftsthema Wasserstoff bündeln. Auf dem Dach des Funke Media Office in Essen v.l.: Rouven Beeck (Bochum), Rasmus Beck (Duisburg), Pascal Ledune (Hamm), Heike Marzen (Dortmund), André Boschem (Essen) und Michael Hübner (Hy Region Rhein-Ruhr). © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Beck lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass die Transformation sichtbare Spuren im Ruhrgebiet hinterlassen werde. „Am Ende wird es auch Eingriffe in die Umwelt geben. Dort, wo bisher eine Brache war, stehen dann vielleicht Elektrolyseure, die Platz verbrauchen, in die Höhe ragen und die Schaffung vergleichsweise weniger Arbeitsplätze im Betrieb nach sich ziehen, aber dafür viele Jobs in der Industrie sichern“, prophezeit der Wirtschaftsförderer aus Duisburg.

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Weil die hiesige Industrie gar nicht in der Lage sein wird, so viel grünen Wasserstoff wie erforderlich zu produzieren, wird das Ruhrgebiet auf zusätzliche oder ertüchtigte unterirdische Leitungen angewiesen sein. Beck pocht deshalb auf mehr Tempo. „Wir werden schnellere Genehmigungen, zusätzliche Gewerbeflächen, Pipelines und Umspannwerke benötigen. Es wird also an vielen Ecken Baustellen im Ruhrgebiet geben, die aber alle notwendig für die erfolgreiche grüne Transformation sind.“

„Zivilgesellschaft bei der Transformation mitnehmen“

Der frühere SPD-Landtagsgeordnete Michael Hübner ahnt bereits, dass die tiefen Eingriffe nicht ohne Vorbehalte der Bürgerschaft und Umweltinitiativen einhergehen dürften. „Eine große Aufgabe wird sein, die Zivilgesellschaft bei der Transformation mitzunehmen. Es wird viel zu erklären geben“, sagt der heutige Geschäftsführer des Vereins Hy Region Rhein-Ruhr, der sich als Klammer aller Player der aufstrebenden Wasserstoff-Wirtschaft im Ruhrgebiet versteht. Dem in Duisburg gegründeten Bündnis gehören Konzerne wie Thyssenkrupp, RWE, Grillo, Haniel, Mitsubishi Power, Siemens Energy oder HKM an, aber auch die Universität Duisburg-Essen, der Duisburger Hafen, Unternehmerverband und Industrie- und Handelskammer.

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Hübner ist davon überzeugt, dass das Ruhrgebiet „Blaupause für andere Regionen“ sein werde. In Dortmund etwa spürt man bereits die Aufbruchstimmung. „Wir sehen schon jetzt, dass sich im Ruhrgebiet viele Unternehmen im Hinblick auf die Transformation zu Wasserstoff niederlassen. Die Thyssenkrupp-Tochter Nucera will in Dortmund ihre Zentrale erweitern“, sagt Heike Marzen, Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Dortmund. Ende vergangenen Jahres hatte Dortmund bereits mit Hamm und dem Kreis Unna die „westfälische Wasserstoff-Allianz“ geschmiedet. „Damit wollen wir gemeinsam die Ressourcen im östlichen Ruhrgebiet stärken“, betont Marzen.

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In Hamm laufen indes die Vorbereitungen für eine eigene Wasserstoff-Produktion. „Der Aufbau eines eigenen Elektrolyseurs in Hamm ist ein großes Thema für uns und die Region“, sagt Pascal Ledune, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Hamm. Die Stadtwerke Hamm und Bochum sowie der Versorger Trianel wollen als „Wasserstoffzentrum Hamm“ gemeinsam die Anlage betreiben und Wasserstoff produzieren. „Ich bin zuversichtlich, dass wir zusätzliche Investitionen und Start-ups ins Ruhrgebiet holen können“, meint Lejdune.

>>> Wasserstoff-Kongress im September

Um diese Mammutaufgabe der Transformation zu bewältigen, haben sich im vergangenen Jahr Experten zu einem Wasserstoff-Kongress im Ruhrgebiet getroffen. Mit einem erweiterten Teilnehmerkreis soll es vom 18. Bis 20. September eine Neuauflage geben. „Wir wollen jetzt tiefer in die Themen gehen – vor allem auch wissenschaftlich. Dabei können wir unter anderem vom Gas- und Wärmeinstitut in Essen, aber auch von der Universitäts-Allianz Ruhr profitieren“, kündigt der Essener Wirtschaftsförderer André Boschem an.