Finnentrop. Das Sauerland und die Eifel haben großes Potenzial bei der Energiegewinnung durch Wasserkraft. Wo es liegt und warum es ungenutzt es bleibt.
Das Sauerland und die Eifel sind die Motoren der Wasserkraft in Nordrhein-Westfalen. Aus Sicht des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) NRW laufen sie allerdings leider nur mit arg gebremster Kraft. Dabei sind Wasserkraftwerke ziemlich verlässliche Energielieferanten und könnten laut Experten einen erheblich größeren Anteil an der Energiewende haben. „20 bis 25 Prozent mehr Leistung wären allein durch Repowering der bestehenden Anlagen ohne Weiteres möglich“, sagt Philipp Hawlitzky, stellvertretender Geschäftsführer des LEE NRW.
Nur drei neue Mini-Kraftwerke im Jahr 2022 in NRW
Im vergangenen Jahr sind landesweit drei Anlagen mit zusammen 170 Kilowatt Leistung neu ans Netz gegangen, wie eine vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) vorgenommene Auswertung des Marktstammdatenregisters zeigt. Die größte dieser drei Anlagen, eine Mindestwasserturbine mit 125 Kilowatt Leistung, wurde am Kraftwerk Ahausen bei Finnentrop in Betrieb genommen.
„Bei solchen Minizahlen verbietet es sich von Wachstum zu sprechen“, kommentiert Philipp Hawlitzky, stellvertretender Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), die jüngsten Zahlen. Im Wasserkraftsektor setze sich damit die unbefriedigende Entwicklung aus den zurückliegenden Jahren fort: Im letzten Jahrzehnt ist die neu installierte Wasserkraft-Leistung im Land lediglich um etwa neun Megawatt gestiegen. „Nordrhein-Westfalen lässt einen wichtigen erneuerbaren Energieträger nach wie vor weitgehend ungenutzt, was angesichts der aktuellen politischen Debatte um mehr Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit von Energieimporten völlig unverständlich ist“, betont Hawlitzky.
NRW auf Platz vier im Bundesvergleich
Mit einer installierten Leistung von rd. 534 MW rangiert NRW mit seinen etwa 478 Anlagen im Bundesländer-Vergleich hinter Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf Platz 4. Mehr als die Hälfte der installierten Leistung entfällt dabei allein auf die beiden Pumpspeicherwerke in Herdecke (RWE) und das vom Hagener Unternehmen Enervie mittlerweile mit der Stawag (Aachener Stadtwerke) in Rönkhausen-Glinge betriebene Kraftwerk (zusammen 300 MW).
Die Vielzahl der Betreiber sind regionale Energieversorger, aber auch kleine oder mittelständische Gewerbe- und Industriebetriebe, die zum Teil seit mehreren hundert Jahren mit der Energie des Wassers zuverlässig und verbrauchernah Strom erzeugen – und somit auch ihre Stromkosten senken. Mit etwa 50 Prozent der gesamten Wasserkrafterzeugung liegt der Regierungsbezirk Arnsberg nach wie vor weit vorne in NRW.
Von den landesweit 81 Talsperren werden laut LEE NRW aktuell nur 38 für Energieerzeugung mittels Wasserkraft genutzt. Hier schlummert noch viel Potenzial. Das scheint im Prinzip auch die Landesregierung zu sehen. Jedenfalls haben CDU und Grüne in den Koalitionsvertrag geschrieben, das gesamte Potenzial der Talsperren nutzen zu wollen. Bislang allerdings ohne Konsequenz.
„Für die Abschätzung dieses Potenzials ist eine entsprechende Aktualisierung der Potenzialstudie (des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz/Anm. d. Red.) notwendig. Das wirtschaftliche Potenzial der Wasserkraft muss auch vor dem Hintergrund der enorm gestiegenen Energiepreise neu bewertet werden“, heißt es vom Land auf Anfrage dieser Zeitung.
Landesweit gibt es in NRW mehr als 13.000 Querbauwerke an Gewässern. Lediglich 3,7 Prozent würden für die Energiegewinnung mittels Wasserkraft genutzt. „An dem geringen Prozentsatz sieht man, dass Wasserkraft nicht das Problem unserer Gewässer ist“, sagt der Philipp Hawlitzky. Mit moderner Technik sei es ohne Probleme möglich, dass Kraftwerke laufen und Fischbestände nicht geschädigt würden.Ein fortwährender Vorwurf desFischereiverbandes Westfalen-Lippe, der so manches Projekt seit Jahren verzögere.„Mittlerweile gibt es sogar Turbinen, durch die Fische beim Betrieb hindurchschwimmen können“, versichert Hawlitzky.
Energieerzeugung nahezu rund um die Uhr durch Wasserkraft nicht besser zu nutzen halten die Experten des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW für fahrlässig. Dabei sei sie eine optimale Ergänzung zur volatilen Erzeugung mit Windkraft- und Photovoltaikanlagen, die als die Säulen der Zukunft bei der Energieversorgung angesehen werden.