Essen. Für Duisburg, Gelsenkirchen, Herne, Hamm und Kreis Unna stehen 662 Millionen Euro für innovative Projekte bereit. Das Verfahren zieht sich hin.
Die Energiekrise hat die Frage in den Hintergrund gerückt, was in den Städten und Kreisen passiert, in denen bis spätestens zum Jahr 2038 Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden. Der Bund hat Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Herne und dem Kreis Unna insgesamt 662 Millionen Euro in Aussicht gestellt, um Innovationen zu fördern und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Um die Kommunen bei der Projektfindung zu unterstützen, steuert die Landesregierung nun 1,8 Millionen Euro für Fachpersonal bei.
Bereits seit dem Jahr 2019 läuft das sogenannte 5-Standorte-Programm, das federführend der damalige NRW-Wirtschaftsstaatssekretär Christoph Dammermann entwickelt hatte. Die Idee: Im Zuge des Ausstiegs aus der Kohle bei der Energieerzeugung sollen die von Kraftwerks-Schließungen betroffenen Ruhrgebietskommunen frühzeitig Konzepte entwickeln, wie die wegfallenden Arbeitsplätze durch Neues kompensiert werden können.
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In einem hochkomplexen Verfahren können sich Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Herne und der Kreis Unna seither um Mittel aus dem von der Bundesregierung bereit gestellten Topf mit 662 Millionen Euro bewerben. Die Koordination hat das federführende NRW-Wirtschaftsministerium der Business Metropole Ruhr (BMR) in Essen übertragen. Das Projektbüro erhält jetzt vom Land 1,8 Millionen Euro, um weitere drei Jahre die Kommunen zu unterstützen.
1,8 Millionen Euro für Projektbüro in Essen
„Das Projektbüro der Business Metropole Ruhr leistet einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des 5-Standorte-Programms“, sagte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) bei der Überreichung des Förderbescheids an BMR-Geschäftsführerin Julia Frohne. „Unser gemeinsames Ziel ist es, dass durch diese innovativen Projekte gut bezahlte Arbeitsplätze für die Menschen in der Region entstehen“, so die Ministerin.
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Mit dieser Einschätzung dürfte Neubauer in den Städten offene Türen einrennen. Hinter den Kulissen wird das Grummeln im Ruhrgebiet aber immer lauter, weil sich der Prozess nun schon seit drei Jahren hinzieht und erst ein Projekt sichtbar auf die Schiene gesetzt wurde. Dabei finanziert das Land nicht nur das Projektbüro bei der Business Metropole Ruhr, sondern auch Projektbüros in den betroffenen Kommunen. Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) hatte im Gespräch mit unserer Redaktion schon vor einem Jahr mehr Tempo gefordert.
5-Standorte-Programm mit komplizierter Struktur
Insider machen die überaus komplexe Struktur des 5-Standorte-Programms dafür verantwortlich, dass es nicht so recht vorangeht. Zunächst berät der 40-köpfige Strukturstärkungsrat, in dem alle betroffenen Städte und Kreise, Ministerien, Staatskanzlei, Bezirksregierungen, Kammern, Sozialpartner, Hochschulen, Wissenschaft und die Agentur für Arbeit vertreten sind, über Projektideen und muss eine Empfehlung abgeben. Mit dem Votum befasst sich danach der Lenkungskreis, bevor die Landesregierung entscheidet, ob das Projekt förderungswürdig ist. Am Ende entscheidet dann der Bund, ob Geld aus dem Strukturstärkungspakt fließt.
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Für Unmut sorgte überdies, dass die ersten Mittel aus dem großen Topf für die Finanzierung einer Machbarkeitsstudie freigegeben wurde, die Realisierungschancen für einen Windsurfer-Park in Werne ausloten soll. Die „Surfworld“ soll immerhin nicht nur ein Freizeitspaß sein. Auf der ehemaligen Zeche soll auch zu den Themen Küstenschutz, Hochwasserschutz und Wellenverhalten geforscht werden.
Gelsenkirchen erwartet kurzfristige Entscheidung
Auch andernorts sind die Ideen gereift. Für Gelsenkirchen hat die Stadtverwaltung eine Projektbewerbung der Westfälischen Hochschule zur anwendungsorientierten Wasserstoffforschung platziert. Im geplanten „H2 Solution Lab“ sollen die Wasserstoffforschung in Gelsenkirchen ausgebaut und Innovationen mit der Industrie in der Region unterstützt werden. „Kurzfristig wird eine erfolgreiche Qualifizierung als Förderprojekt erwartet“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann. Darüber hinaus bereite Gelsenkirchen gerade mehrere Flächenentwicklungsprojekte für Projektbewerbungen im 5-Standorte-Programm vor.
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Duisburg hat für sein Zentrum für angewandte künstliche Intelligenz immerhin bereits eine Förderempfehlung des Strukturstärkungsrats erhalten. Partner der Stadt sind das Fraunhofer Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS, die Universität Duisburg-Essen sowie der Firma Krohne Innovation GmbH. Weitere Projekte, die sich noch in der Planung befinden, listet Stadtsprecher Jörn Esser auf: ein Inkubator für Start-ups, die sich mit der neuesten Mobilfunk-Generation 5G beschäftigen, ein Technologiequartier, ein 3D-Druckzentrum und ein Bildungszentrum, das Beschäftigte aus Unternehmen auf den Zukunftsfeldern Wasserstoff und Brennstoffzelle qualifizieren soll, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Erste Förderungszusage hat Herne erhalten
Am weitesten ist Herne. Als erste der fünf Kommunen hat die Stadt eine Förderzusage in Höhe von 44 Millionen Euro für ihr Transformationszentrum für Georessourcen und Ökologie erhalten. Als weltweit erstes Institut soll es ganzheitlich die Folgen des Bergbaus erforschen. In der Nähe des Bahnhofs sollen somit 88 Arbeitsplätze entstehen. Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) hat indes eine ganze Projektliste ausarbeiten lassen, die in das 5-Standorte-Programm passen könnten.
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Zwei Posten stehen ganz oben: das Urban Arts Center Ruhr, das in der Innenstadt von Wanne-Eickel urbane Kultur- und Freizeitangebote schaffen soll. Zum anderen das Schlüsselprojekt General Blumenthal. Auf dem ehemaligen Bergwerk-Standort will die Stadt Herne Flächen kaufen und sanieren, um dort „Techno Ruhr International“ mit einem Mix aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kongressflächen, Wohnungen und Grün zu schaffen. Eine Seilbahn soll das 30 Hektar große Areal mit Wanne-Mitte verbinden.