Essen. Ein Glasfaser-Konsortium aus Telefónica und Allianz will auch in NRW Fuß fassen. Chef Prautzsch erklärt, warum der Ausbau schleppend verläuft.
Nur jeder vierte Haushalt in Deutschland hat Zugang zum leistungsfähigen Glasfasernetz. Das ist im europäischen Vergleich eine sehr niedrige Quote. Zahlreiche Unternehmen und Konsortien haben sich aufgemacht, die deutschen Netze auszubauen. Eines der jüngsten ist „Unsere Grüne Glasfaser“ (UGG), die jetzt auch in Nordrhein-Westfalen Fuß fassen will.
„Unser Netz braucht signifikant weniger Energie“, leitet Jens Prautzsch den ungewöhnlichen Namen seines Unternehmens her, dessen Chef er seit Juni 2021 ist. „Unsere Grüne Glasfaser“ ist eine im Jahr 2020 gegründete Kooperation der Deutschlandgesellschaft des spanischen Telekommunikationskonzerns Telefónica/O2 und dem Versicherungsriesen Allianz. „Die Allianz ist unser Finanzpartner und will langfristig Geld aus Erlösen der Lebensversicherungen in das Glasfasernetz investieren“, sagt Prautzsch.
„Unsere Grüne Glasfaser“ plant zwei Millionen Anschlüsse
Die Firma hat sich eine Menge vorgenommen. Innerhalb von fünf Jahren will sie zwei Millionen Haushalte mit ihrer grünen Glasfaser versorgen und dafür bis zu fünf Milliarden Euro investieren. „Unser Fokus liegt auf ländlichen Regionen und Gemeinden mit maximal 10.000 Haushalten, die mit Glasfaser unterversorgt sind. Wir gehen dorthin, wo der Bedarf am größten ist“, gibt der Geschäftsführer die Richtung vor.
Nordrhein-Westfalen ist das achte Bundesland, in dem „Unsere Grüne Glasfaser“ tätig wird. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ist sie bereits gut im Geschäft. „Vor allem in NRW wollen wir stark wachsen. Wir werden im Moment häufig auch von größeren Kommunen angesprochen“, berichtet Prautzsch. Mit der Stadt Hennef sei sich UGG bereits einig geworden. Mit anderen Gemeinden etwa im Sauerland liefen Gespräche.
„Glasfaser ist Teil der Grundversorgung“
„Wir investieren, wenn wir in einer Gemeinde den Bedarf sehen, es keine Parallelstrukturen gibt und der Bau des Glasfasernetzes zu vernünftigen Kosten möglich ist“, sagt der Geschäftsführer, der zu der Technologie, die hohe Internet-Geschwindigkeiten ermöglicht, keine Alternative sieht. „Glasfaser ist inzwischen ein Teil der Grundversorgung und so wichtig wie ein Stromanschluss. Ich gehe davon aus, dass das Telefonnetz aus Kupferkabeln ganz verschwinden wird“, blickt er in die Zukunft.
Um diesen Idealzustand zu erreichen, hat die Branche allerdings noch eine Menge Arbeit vor sich. „In Deutschland sind ausreichend Unternehmen und Kapital im Markt. Bei den Behörden gibt es leider oft zu wenige Mitarbeitende, die rasch Genehmigungen erteilen können“, beschreibt Prautzsch das Dilemma, unter dem auch andere Anbieter nach eigenem Bekunden leiden.
NRW-Quote unter dem Bundesdurchschnitt
„Für Telefónica Deutschland ist Glasfaser ein komplett neues Geschäft, weil es zuvor keine Bestandskunden gab“, sagt er. Dass sich der Konzern dabei Finanzpartner mit ins Boot geholt hat, ist in der Branche nichts Ungewöhnliches. „Wegen ihres hohen Verschuldungsgrads können die meisten Telekommunikationsunternehmen den Glasfaser-Ausbau in der Regel nicht allein stemmen“, weiß Prautzsch, der seit 20 Jahren in dem Metier unterwegs ist und in der Zeit zahlreiche Glasfasernetze und Rechenzentren gebaut hat.
Der zuletzt hierzulande so schleppend verlaufene Ausbau der Glasfaser-Infrastruktur macht ihm Sorgen. „Deutschland ist beim Glasfaser-Ausbau hinten dran. Der Anteil der angeschlossenen Haushalte ist im europäischen Vergleich extrem gering. In Spanien etwa sind über 90 Prozent der Wohngebiete erschlossen“, vergleicht der UGG-Chef das südeuropäische Land mit der deutschen 26-Prozent-Quote. Auch nach den Erfahrungen in der Corona-Pandemie hat der Ausbau in der Bundesrepublik allerdings Fahrt aufgenommen. Im Vergleich zu Ende 2020 gab es einen Zuwachs von 4,4 Millionen auf insgesamt 12,7 Millionen Glasfaseranschlüsse, wie aus Zahlen des Bundesverbands Breitbandkommunikation hervorgeht.
Mit einer Anschlussquote von 61 Prozent der Haushalte liegt Schleswig-Holstein mit großem Abstand an der Spitze in Deutschland. Schlusslichter sind Baden-Württemberg und Berlin mit 17 und zehn Prozent. Nordrhein-Westfalen liegt mit einer Glasfaser-Quote von 23 Prozent im Mittelfeld, aber unter dem Bundesdurchschnitt von 26 Prozent.
>>> Neutraler Netzbetreiber
Im Kanon der vielen Anbieter stellt „Unsere Grüne Glasfaser“ ein Unterscheidungsmerkmal heraus. „UGG bietet keine Verträge für Endkunden an. Wir sind ein komplett neutraler Glasfasernetz-Betreiber und stellen unser Netz jedem zur Verfügung, der möchte“, sagt Geschäftsführer Prautzsch. Wettbewerber wie Deutsche Glasfaser oder Telekom erwarten dagegen, dass Haushalte in den ersten Jahren deren Telefon- und Internet-Produkte buchen.