Duisburg. Wegen des Rhein-Niedrigwassers können Schiffe weniger Ladung transportieren. Dabei ist die Nachfrage nach Kohle aktuell besonders groß.
Am Mittwoch war es so weit: Der Rheinpegel in Duisburg-Ruhrort sank auf die Marke von zwei Metern. Bis zum bisherigen Rekord-Niedrigwasser im Oktober 2018, als der Rhein auf 1,55 Meter abgesackt war, ist es noch ein Stück. Die Auswirkungen für die Wirtschaft sind dennoch bereits zu spüren: Die Binnenschiffe dürfen nur noch mit rund der Hälfte der Ladung fahren.
Hitze, kaum Regen und weniger Schmelzwasser-Nachschub aus den Bergen: Der Rhein, die wichtigste Wasserstraße für den Gütertransport, leidet unter dem Klimawandel. Die Fahrrinne für die Binnenschiffe wird immer flacher, stattdessen werden Sandbänke an den Ufern sichtbar. „Wir dürfen nur noch etwa 50 Prozent der Menge transportieren, die wir transportieren könnten“, sagt Roberto Spranzi, Vorstand der Deutschen Transport-Genossenschaft Binnenschifffahrt (DTG) in Duisburg, zu der rund 100 Schiffe gehören. Reduzierte Ladungen minimieren die Gefahr, dass Schiffe wegen der Wasserknappheit auf Grund zu laufen. Dabei könnten sie aufgrund der hohen Nachfrage nach Chemikalien, Kies und Baustoffen durchaus mehr Fracht an Bord nehmen. „Wir sind ausgebucht“, so Spranzi.
Schiffe mit Getreide aus der Ukraine in Europa unterwegs
Hinzu kommt: Als Folge der Gasknappheit spielen die Kohlekraftwerke bei der Energieversorgung wieder eine größere Rolle. Die Reeder spüren bereits, dass mehr Kohle geordert wird, die in der Regel per Schiff zu den Kraftwerksstandorten im Ruhrgebiet gebracht wird. Noch gibt sich die Transport-Genossenschaft gelassen, die Lage sei aber angespannt. Ein Lieferstopp droht nach Spranzis Einschätzung nicht - „das wird zwar eng, aber die Schiffen werden weiterfahren“, sagt er.
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Nicht nur wegen des Niedrigwassers und einem höheren Kohle-Aufkommen ist die Lage auf dem Rhein angespannt. Auch der Krieg gegen die Ukraine wirkt sich aus. Ein Teil der Binnenschiffe, die sonst auf deutschen Flüssen fahren, ist derzeit innerhalb Europas in den Transport von ukrainischem Getreide eingebunden. „Das hat die Frachtkapazitäten hierzulande spürbar verknappt“, erklärt DTG-Vorstand Spranzi.
Steag: Genug Kohle für die Kraftwerke
Die Getreidetransporte und das Hochfahren von Kohlekraftwerken führen auch nach Einschätzung des in Duisburg ansässigen Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt zu einer „enorm hohen Nachfrage nach Schiffsraum“. Sein Geschäftsführer Jens Schwanen will Lieferengpässe nicht ausschließen. „Es kann passieren, dass nicht jeder Kunde in dem Umfang bedient werden kann, wie er es sich wünscht“, warnt er.
Der Essener Energiekonzern Steag gibt sich da gelassener. „Es gibt ausreichend Kohle auf dem Weltmarkt, obwohl wir keine russische Kohle mehr zukaufen“, sagt Sprecher Markus Hennes. Trotz des Niedrigwassers und der ausgebuchten Schiffe gebe keine Versorgungsengpässe. „Es dauert aber länger, bis die Kohle an den Standorten ist“, räumt er ein. Im Ruhrgebiet ist die Steag an den Kraftwerken Walsum und Bergkamen an die Kohle-Anlieferung per Schiff gebunden. Allein in Herne könne man auf die Schiene ausweichen. Die saarländischen Kraftwerke der Steag würden dagegen allesamt via Bahn mit Kohle versorgt.
Thyssenkrupp Steel setzt auf eigene Schubleichter
Auf den Rhein und den werkseigenen Hafen Schwelgern ist Europas größter Stahlstandort Duisburg angewiesen, um vor allem Kohle und Eisenerz zu den Hochöfen zu schaffen. Dabei setzt Thyssenkrupp Steel Europe auf eine Flotte konzerneigener Schubleichter, die angesichts des Niedrigwassers auf dem Rhein mit reduzierter Last häufiger zwischen dem Seehafen Rotterdam und Duisburg pendeln. „Im Rahmen unseres Arbeitsstabes Niedrigwasser beobachten wir die Lage auf dem Rhein kontinuierlich“, sagt Sprecherin Christine Launert. Engpässe bei der Rohstoffversorgung gebe es bislang nicht.
Von der Trockenheit ist auch der Essener Spezialchemiekonzern Evonik betroffen. „Für Evonik sind zusätzlich angemietete Schiffe und Lkw im Einsatz, um unsere Transportbedarfe gewährleisten zu können. Gegenwärtig bestehen bei Evonik durch Rhein-Niedrigwasser keine signifikanten Einschränkungen für unsere Logistikketten. Unsere Produktion läuft“, betont Sprecher Ruben Thiel.
Evonik vergrößert die Lagerbestände
Nach den Erfahrungen mit dem Rekord-Niedrigwasser im Oktober 2018 sorge das Unternehmen vor, etwa durch größere Lagerbestände von Rohstoffen. „Ganz allgemein ist unser Eindruck, dass viele Unternehmen heute besser auf die Thematik Rhein-Niedrigwasser vorbereitet sind als 2018 – etwas durch Anpassung der Transportkonzepte, verbesserte Wasserstandsvorhersagen und Optimierung der Transporte“, so Thiel.
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Daran ändere aber nichts, dass es in der Logistik „gleichzeitig mehrere außergewöhnliche Herausforderungen“ gebe. Als Beispiele nennt der Evonik-Sprecher „Einschränkungen im Schienengüterverkehr durch notwendige und längst überfällige Infrastrukturmaßnahmen im Netz der Deutschen Bahn“, fehlende Lkw-Fahrer in Europa sowie marode Kanalschleusen und zusätzliche Wartezeiten für Binnenschiffe in den Seehäfen.