Essen. Im Heimatmarkt Schweden ist VX Fiber mit dem Glasfaser-Ausbau fast durch. Von Essen aus will die Firma nun NRW aufrollen – als „Schnellboot“.
Deutschland ist spät dran beim Ausbau des Glasfaser-Netzes. Hiesige Telekommunikationsunternehmen und Stadtwerke investieren aktuell Milliarden, um Privathaushalten und Betrieben schnelles Internet ins Haus zu legen. Unter die Riesen wie Telekom und Deutsche Glasfaser mischt sich nun auch das schwedische Unternehmen VX Fiber. Von Essen aus will es auf dem großen Markt NRW mitmischen.
Jan Backman spricht fließend Deutsch und hat sich den hiesigen Markt sehr genau angeschaut. „Wegen des großen Nachholbedarfs haben wir Deutschland und Großbritannien als unsere neuen Kernländer erkannt. In Schweden ist der Glasfaser-Ausbau fast abgeschlossen“, sagt der Deutschlandchef von VX Fiber ganz ohne Häme. „In Deutschland brauchen 32 Millionen Haushalte einen Glasfaseranschluss, das ist nicht nur unser Analyseergebnis. Das ist ein riesiger Brocken“, nimmt Backman nüchtern eine Bestandsaufnahme vor.
Die Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind hinlänglich bekannt: Danach gibt es mit 85 Prozent in Südkorea die höchste Glasfaser-Dichte, Deutschland kommt gerade einmal auf 6,8 Prozent. Schlechter sind nur Großbritannien, Österreich Belgien und Griechenland. Schweden spielt in der Glasfaser-Weltliga ganz oben mit und kommt auf einen Anteil von 76 Prozent. Die guten Erfahrungen, die die Skandinavier auf dem Heimatmarkt gesammelt haben, wollen sie nun auch in Deutschland anwenden.
„Deutschland hat zu lange auf Kupferkabel als Brückentechnologie gesetzt. Man hat die Sackgasse verlängert und nicht rechtzeitig die Weichen für moderne Glasfaser gestellt“, bilanziert Backman nüchtern, der gleichwohl registriert hat, dass hierzulande ein Umdenken eingesetzt hat. Allein die Deutsche Telekom will in den nächsten Jahren rund 30 Milliarden Euro in das Glasfasernetz investieren. VX Fiber als vergleichsweise kleiner Anbieter sieht inmitten der Großen dennoch eine Chance.
„Wir scheuen nicht die Konkurrenz großer Anbieter wie Telekom und Deutsche Glasfaser. Im Gegenteil: Unser Konzept ist Kooperation mit Kommunen und Stadtwerken auf der einen Seite und Open Access als großer Nutzen für Kunden auf der anderen Seite“, betont Backman. Open Access steht für ein offenes Geschäftsmodell: Ein Telekommunikationsunternehmen baut ein Glasfasernetz, und alle anderen können es gegen Zahlung eines Entgelts nutzen. „Die Glasfasernetze, die wir bauen, sollen alle mit ihrem individuellen Internet- und Telefonieanbieter nutzen können, wie sie wollen. Weltweit hat VX Fiber bereits über 100 Marken gewonnen, die sich unsere Plattform teilen. Ich bin froh, dass hierzulande auch die Telekom inzwischen auf Kooperation setzt“, so der Deutschlandchef von VX Fiber.
Das Geld für die nötigen Investitionen stellen der langfristig orientierte australische Infrastrukturfonds AMP Capital zur Verfügung, der seit 2020 Mehrheitsgesellschafter ist, aber auch das Gründerteam von VX Fiber. Backman stellt aber klar: „Der Glasfaser-Ausbau in Deutschland wird nicht am Geld scheitern. Es hängt auch nicht an den Baugenehmigungen, die oft lange auf sich warten lassen.“ Die Gründe für den schleppenden Fortgang seien andere. „Es fehlt hierzulande zunächst an einem kooperativen Modell und dann auch an Fachkräften und Baukapazitäten. Deshalb bringen wir zum Teil unsere Projektleiter und Planer aus Schweden mit.“
In Deutschland ist das Unternehmen bislang nur in zwei Bundesländern auf Baustellen tätig: in Niedersachsen und in Baden-Württemberg. „Unser Ziel sind kleine und mittelgroße Städte wie unsere erste Projektstadt Wolfenbüttel in Niedersachsen. Wir wollen mit den Gemeinden und den Stadtwerken zusammenarbeiten und sie nicht überrollen“, meint der VX-Fiber-Deutschlandchef. In NRW sei man noch in Gesprächen mit Städten.
Backman zeigt sich aber optimistisch: „Wir wollen wachsen und unsere Zahl der Beschäftigten in diesem Jahr etwa verdoppeln. Auch in Essen, wo aktuell allein 20 Menschen für uns arbeiten.“ Bundesweit hat das Unternehmen rund 160 Mitarbeitende. „Wir sind nach Essen gegangen, weil NRW das am dichtesten besiedelte Bundesland ist und sich hier die Telekommunikationsindustrie befindet. Hier wollen wir unsere Stärke als schwedisches Schnellboot ausspielen.“