An Rhein und Ruhr. Der Import von Kohle aus Russland wird wegen des Kriegs in der Ukraine gestoppt. Die Alternativen sind allerdings bei Umweltschützern umstritten.
Anfang April hat Bundeskanzler Olaf Scholz ein Telefongespräch mit dem kolumbianischen Präsidenten Ivan Dúque geführt. Es ging darin um die Ausweitung von Steinkohleimporten aus Kolumbien. Ein Vorhaben, das bei Umweltschützern und Menschenrechtsaktivisten auf heftige Kritik stößt. In ihrem Fokus ist der Düsseldorfer Konzern Uniper, der bis zum aktuellen Importstopp noch große Mengen Steinkohle aus Russland importiert hat und auch über langfristige Gas-Lieferverträge mit Russland verfügt, die nicht aufgekündigt werden.
Der Steinkohlebergbau endete in Deutschland vor dreieinhalb Jahren. Noch immer wird Steinkohle aber in deutschen Kraftwerken verfeuert, muss also importiert werden. Das Hauptlieferland war bis zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs Russland, woher im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der in Deutschland verbrauchten fast 40 Millionen Tonnen Steinkohle stammte.
Ein gigantischer Tagebau
Mit 1,8 Millionen Tonnen war Kolumbien ein weiteres wichtiges Importland. Die frühere Eon-Tochter Uniper bezog im vergangenen Jahr 38 Prozent der Steinkohle, die sie für das juristisch noch immer umstrittene Datteln IV sowie ein niederländisches und ein britisches Steinkohlekraftwerk benötigt, aus Kolumbien. Wegen des Kohleimportstopps aus Russland wird dieser Anteil nun steigen, befürchten Umweltschützer und Menschenrechtsaktivisten.
In Kolumbien wird Steinkohle im Tagebau gewonnen. Das macht die Kohle billig, aber die Umwelt kaputt. El Cerréjon im Norden Kolumbiens ist mit 69.000 Hektar ein Loch, gegen das die Braunkohletagebaue Garzweiler und Hambach im Rheinischen Revier winzig anmuten. Dort wird aktuell ein für die indigene Bevölkerung lebenswichtiger Wasserlauf für den Kohleabbau umgeleitet. In der Region Cesar ist es im Umfeld des Steinkohleabbaus bei Protesten gegen Zwangsumsiedlungen zu massiven Menschenrechtsverletzungen gekommen. Aktivisten wie Sebastian Rötters nennen kolumbianische Kohle deswegen „Blutkohle“.
Es ist ein Dilemma
Rötters ist verantwortlich für die Energie-Kampagnen der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation „urgewald“. Vor der Hauptversammlung von Uniper Mitte Mai hat er den Konzern massiv kritisiert: „Wenn es ums Geschäft geht, ignoriert Uniper Klima, Menschenrechte und Umweltbelange.“ Es ist ein Dilemma. Die enorme Abhängigkeit von Gas, Kohle und Öl aus Russland soll nun rasch beendet werden. Dafür soll mehr fossile Energie aus Ländern wie Aserbaidschan, Kolumbien oder Katar importiert werden, wo Menschenrechte wenig bedeuten, oder aus Ländern wie den USA oder Australien, wo die Gewinnung von Gas ganze Ökosysteme bedroht.
Uniper selbst verweist darauf, dass die benötigte Steinkohlemenge generell sinke, auch wenn nun möglicherweise der Anteil kolumbianischer Steinkohle beim Import gesteigert werden müsse. Außerdem habe der Konzern die Initiative „Bettercoal“ mitbegründet, die auf die Einhaltung von gewissen Standards beim Kohleabbau auch in Kolumbien achte. Jedoch seien die Standards dort sicherlich nicht mit deutschen vergleichbar, räumt ein Sprecher ein.
Auch interessant
Für Rötters ist „Bettercoal“ ohnehin nur ein Feigenblatt, mit dem sich die deutschen Energiekonzerne grünwaschen wollten: „Alle Probleme, die wir seit zehn Jahren und länger kritisieren, existieren noch immer.“ In der Kritik der Umweltaktivisten steht Uniper auch, weil das Unternehmen den Import russischen Gases nicht stoppen will.
Der Düsseldorfer Konzern importiert jährlich eine Menge Gas, die dem Fünftel des gesamten deutschen Gasverbrauchs entspricht. „Unsere Gaslieferverträge werden nicht verlängert und laufen damit aus“, teilte der Unternehmenssprecher auf Anfrage mit. Jedoch laufen die letzten dieser Verträge erst Mitte der 2030er Jahre aus.
Putins Staatskasse füllen
Ebenfalls vor der Hauptversammlung Mitte Mai kritisierte deswegen Kostiantyn Krynytskyi von der ukrainischen Umweltschutzorganisation „Ecoaction“: „Unipers Verurteilung des Krieges in der Ukraine ist nur leeres Geschwätz, wenn das Unternehmen Gazprom für Energieimporte bezahlt und damit Putins Staatskasse füllt.“ Uniper hat angekündigt, bis 2035 klimaneutral werden zu wollen. Für die Aktivisten von „urgewald“ ist das zu lange hin. Sie fordern einen „radikalen Kurswechsel auf erneuerbare Energie“. Der Ausstieg aus der Erdgasverfeuerung müsse sofort eingeleitet werden, so Rötters.