Hagen. Die Zinssätze zur Finanzierung von Immobilien sind sprunghaft angestiegen. Was Thomas Hentschel, Experte der Verbraucherzentrale NRW, jetzt rät.

Die Immobilienpreise in Deutschland bewegen sich weiter auf höchstem Niveau. Gleichzeitig scheint die Phase sehr niedriger Baufinanzierungszinsen vorbei zu sein. Nach dem Tiefstand im vergangenen Jahr zwischen August und Oktober mit – je nach Bonität und Eigenkapital – Zinsen um die 0,7 Prozent bei einer zehnjährigen Bindung, haben sich die Konditionen heute, nur ein halbes Jahr später, knapp verdreifacht.

Mit leicht über zwei Prozent liegen sie im langjährigen Vergleich immer noch niedrig. Fraglich ist, wie lange dies noch so ist und wohin die Entwicklung führt. Die Postbank rät deshalb Immobilienbesitzern, die absehbar eine Anschlussfinanzierung benötigen, sich jetzt damit zu beschäftigen. Bis zu fünf Jahre im Voraus ist dies möglich. Aber ist das auch sinnvoll? „Panik ist nie ein guter Ratgeber“, sagt Thomas Hentschel, Finanzexperte der Verbraucherzentrale NRW. Das gelte insbesondere für Immobilienkäufe. Aber auch Anschlussfinanzierungen wollen wohl überlegt sein.

EZB-Geldpolitik schwer einzuschätzen

Letztlich sei ein Forwarddarlehen „immer eine Wette auf die Zukunft. Man kann gewinnen, muss aber nicht“, erinnert Hentschel, dass das Forward-Darlehen bindend ist, auch wenn die Zinsen in ein, zwei Jahren doch nicht gestiegen sein sollten. Die hohe Inflationsrate ließe zwar eine entsprechende Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) vermuten, vor wenigen Wochen hat die Präsidentin der EZB Christine Lagarde den Leitzins aber bei Null belassen. Die Märkische Bank mit Sitz in Hagen mag sich nicht festlegen, welche Richtung die EZB wann vorgeben wird. Dies sei „schwer einzuschätzen“, heißt es auf Anfrage.

Dennoch: Auch mit um die zwei Prozent sind die Baufinanzierungszinsen im langjährigen Vergleich noch sehr niedrig. Für diejenigen, die bereits eine Immobilie besitzen und ihre Finanzierung noch einmal verlängern müssen, kann es sich also lohne, schon jetzt über ein sogenanntes Forwarddarlehen nachzudenken, wie die Postbank rät.

Bis zu 5 Jahre im Voraus Zinssicherung möglich, aber Achtung!

Bis zu fünf Jahre im Voraus ist dies möglich. Allerdings kostet jeder Monat, den man den Zins vor dem eigentlichen Ablauf des aktuellen Darlehens sichert, einen Aufschlag. Insofern ist eine lange Vorlaufzeit eben auch eine lange Wette auf die Zinsentwicklung.

Bei der Märkischen Bank kostet jeder Monat aktuell einen Forwardaufschlag von 0,02 Prozent. Wird das Darlehen also erst in drei Jahren fällig, kämen 0,72 Prozent Zinsaufschlag zu den Konditionen bei Abschluss dazu. Ist die Anschlussfinanzierung früher fällig, wird es entsprechend billiger.

Die Postbank geht davon aus, dass wegen einer Vorgabe der Bankenaufsichtsbehörde Bafin für die Vergabe von Hypothekendarlehen ab Februar 2023 ungeachtet anderer Parameter die Zinsen ab dann merklich steigen dürften.

Das EZB-Problem: 19 unterschiedliche Staaten im Euroraum

Momentan spricht wenig dafür, dass die aktuell hohe Inflationsrate in Deutschland in den kommenden Monaten wieder deutlich sinken wird. In den USA werden bereits zehn Prozent und mehr nicht ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass nicht nur das Zentralbanksystem in den USA (Fed), sondern auch die EZB mit einer veränderten Geldpolitik reagieren muss. Die wirkt sich zwar nicht eins zu eins auf Bauzinsen aus, hat aber eine Leitfunktion.

Und: „Im Gegensatz zur Fed muss die EZB die Geldwertstabilität für 19 Nationen im Auge behalten, die in sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen sind“, erinnert Hentschel. Während Deutschland die Niedrigzinsphase bis Corona zum Schuldenabbau nutzte, haben Länder wie Italien oder Spanien lediglich durchgeatmet. Für sie wäre eine deutliche EZB-Zinserhöhung ein viel ziemliches Problem.