Kreuztal. Mit dem am Freitag eingeweihten Campus Buschhütten sind große Hoffnungen verknüpft. NRW-Minister Pinkwart nennt das Projekt „ein Juwel“.

Normalerweise weht Gründergeist durch die historische Industriehalle am Campus Buschhütten in Kreuztal im Siegerland. Normalerweise geht es hier um Zukunft, Künstliche Intelligenz, darum, im starken Mittelstand in der Region Geschwindigkeit für die Transformation der Wirtschaft ins Digitalzeitalter aufzunehmen. Zeit zu verlieren gibt es nach Ansicht von Professor Peter Burggräf, dem Motor des Campus-Projekts, nicht.

Der Freitagmorgen ist eine kurze Ausnahme. Feierliche Eröffnung. Es schwebt jede Menge Stolz durch die in der Tat beeindruckende Industriekulisse. Bei Axel E. Barten, bis 2019 Geschäftsführender Gesellschafter des Maschinenbauunternehmens Achenbach Buschhütten, auf dessen Gelände der Campus innerhalb der vergangenen drei Jahre gewachsen ist.

7,5-Millionen Projekt soll kommen

Barten war vor rund fünf Jahren Ideengeber und Initiator des Projekts, das Südwestfalen als höchst moderne Region erscheinen lassen soll: ein Ort, an dem Wissenschaft und Wirtschaft sich für die Herausforderungen der Zukunft ganz eng vernetzen.

Nordrhein-Westfalens Wirtschafts- und Digitalminister  Andreas Pinkwart (links) schaute sich am Freitag gemeinsam mit dem Initiator des Zukunftsprojekts, dem Unternehmer Axel E. Barten (Achenbach Buschhütten, 2. von links) auf dem Campus Buschhütten um, auf dem auch Start-ups wie „Robot Cuisine“ angesiedelt sind, das eine roboterarmgesteuerte Fritteuse präsentierte.
Nordrhein-Westfalens Wirtschafts- und Digitalminister Andreas Pinkwart (links) schaute sich am Freitag gemeinsam mit dem Initiator des Zukunftsprojekts, dem Unternehmer Axel E. Barten (Achenbach Buschhütten, 2. von links) auf dem Campus Buschhütten um, auf dem auch Start-ups wie „Robot Cuisine“ angesiedelt sind, das eine roboterarmgesteuerte Fritteuse präsentierte. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Sogar der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Digitalminister Andreas Pinkwart (FDP) zeigte sich beseelt. Dass er eine Rede vom Tablet abliest, ist höchst selten und hat reinweg nichts damit zu tun, dass es am Campus um Digitalisierung geht: „Ich lese lieber ab, weil ich so begeistert bin und es sonst ausufert.“ Gerne spricht man an solchen Tagen von Leuchttürmen. Pinkwart, selbst Professor und also Wissenschaftler, nennt den Campus Buschhütten gar ein „Juwel“. Das auch von Landesseite bestmöglich gefördert werden soll. Ganz konkret und „mit Hochdruck“ werde im Düsseldorfer Ministerium gerade geprüft, das Projekt „Cyberproduktion-Management-Lab“ (Projektträger Jülich) nach Kreuztal zu vergeben – verbunden sind damit immerhin 7,5 Millionen Euro auf drei Jahre verteilt. „Ich bin zuversichtlich, in den kommenden Wochen die Bewilligung zu erteilen“, versicherte Pinkwart.

Rund 40 Partner-Unternehmen

Ganz sicher strahlt das Projekt auf Dauer in eine der industriestärksten Regionen Deutschlands. Der Mittelstand hier soll von den Erkenntnissen, die am Campus in Forschung und Praxis gewonnen werden, ganz konkret profitieren, um den Zug in die Zukunft nicht zu verpassen. Rund 40 Unternehmen sind bereits Kooperationspartner. Eine Hoffnung der Wirtschaft wie der Wissenschaft ist wohl, dass die Strahlkraft möglichst weit über Südwestfalen hinaus reichen möge.

Denn beide eint eine besondere Herausforderung: attraktiv für junge Talente zu sein.

Zwei Universitäten engagieren sich am Campus Buschhütten. Vor allem die Siegener Hochschule mit Professor Burggräf und seinem Lehrstuhl für „International Production Engineering and Management“, kurz IPEM, der in der historischen Maschinenhalle mit 12 Mitarbeitern und rund 40 Masterstudenten eingezogen ist.

Solchen wie Christos Iordanidis. Der junge Biologe ist im Start-up „Innofarming“ für Forschung und Kultivierung zuständig. Gemeinsam mit zwei weiteren Studierenden will er die Landwirtschaft revolutionieren, wenigstens ein bisschen. Vertikaler Anbau von Pflanzen ist das Ziel. In fünf bis zehn Meter hohen Schränken mit automatisierter Bewässerung, die an diesem rummeligen Tag lieber abgedeckt bleibt. Noch ist nichts patentiert. Das Trio arbeitet daran, einen Prototyp im industriellen Maßstab auf die Beine zu stellen, um in Zukunft wassersparend, gänzlich ohne Pestizide Basilikum und Salate groß zu ziehen. „Für uns ist der Campus so wertvoll, weil wir hier mit großen Unternehmen ins Gespräch kommen und so viel dazu lernen“, sagt Mitgründer Timo Visestamkul.

Zum Campus gehört auch die überbetriebliche Smarte Lernfabrik Buschhütten (SLB). Hier lernen Auszubildende in der gewerblichen Ausbildung Themen der Digitalisierung kennen.
Zum Campus gehört auch die überbetriebliche Smarte Lernfabrik Buschhütten (SLB). Hier lernen Auszubildende in der gewerblichen Ausbildung Themen der Digitalisierung kennen. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Projektentwicklung mit konkretem Nutzen spielt eine zentrale Rolle im Reallabor Buschhütten. Und Vernetzung – zwischen wissenschaftlicher Lehre und Forschung, vorwiegend Maschinenbauunternehmen und angehenden Fachkräften in der dualen Berufsausbildung.

Bis 2017 arbeitete Burggräf mit Professor Günther Schuh am bekannten Streetscooter, ehe er nach Siegen wechselte und das Campus-Projekt maßgeblich vorantrieb. Auch der nun Siegener Ingenieur scheint durchaus stolz: „Der Campus ist etwas, das es so sonst wahrscheinlich nicht gibt.“

Kompetenz für Auto der Zukunft

So außergewöhnlich, dass auch Burggräfs Ziehvater Professor Günther Schuh aus Aachen vorbeischaute. Axel E. Barten hatte Schuh vor fünf Jahren von der Campus-Idee und einer Kooperation überzeugt. „Wir haben damals unseren besten Mann nach Siegen abgegeben“, erinnert Schuh und untermauert, wie wichtig die Kooperation zwischen Aachen und Südwestfalen sei. Im Frühsommer will er ein neues Mobilitätsprojekt vorstellen: das „Digital Utility Vehikel“. Es werde die neue Generation Auto, nicht weniger, versichert Schuh: „Und dazu brauchen wir ganz viel Siegener Kompetenz.“

Vier Campus-Center unter einem hohen Dach

Vier sogenannte Campus-Center befinden sich in Kreuztal unter einem sehr hohen Dach an historischer Stätte, um am Weg in die Zukunft zu arbeiten:

Die „Smarte Demonstrationsfabrik Siegen“ (SDFS), die „Smarte Lernfabrik Buschhütten“, das IPEM der Universität Siegen und ein Ableger des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.