Münster. Das große deutsche Agrarhandelsunternehmen, die Agravis AG aus Münster, rechnet 2022 mit weiter steigenden Lebensmittelpreisen.

Verbraucher und Landwirte müssen sich nicht nur auf weiter steigende Preise einstellen, sondern angesichts des Krieges in der Ukraine auch auf eine „Zeit der Knappheit und des Mangels“ prognostiziert Dirk Köckler, Vorstandsvorsitzender der Agrarhandelsgesellschaft Agravis Raiffeisen AG am Donnerstag bei der Vorstellung der Bilanz 2021.

Bis zur nächsten Ernte im Sommer sei die Versorgung über die Agravis sichergestellt. Auch die Versorgung mit Saatgut für den kommenden Herbst sei nicht gefährdet. „Wir sehen die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine für den Agrarhandel als noch beherrschbar an“, so Köckler.

Vorstand Dirk Köckler: „Düngerversorgung auch bei Energie-Embargo gesichert“

Im vergangenen Jahr hatte die Chemieindustrie wegen der gestiegenen Energiepreise zwischenzeitlich die Ammoniakproduktion wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt. Düngemittel und Industriechemikalien wurden knapp, auch der Dieselzusatz AdBlue war zwischenzeitlich nicht überall verfügbar. Der Preis für Mineraldünger habe sich zunächst verdreifacht. Aktuell liege er beim Faktor fünf gegenüber dem Vorjahreszeitraum. „Es wird Dünger zur Verfügung stehen“, versichert der Agravis-Vorstand dennoch. Das gelte auch im Falle eines Energieembargos und damit voraussichtlich weiter steigender Gaspreise.

Die insgesamt gestiegenen Preise bescherten der Agravis einen Umsatzsprung auf rund 7,3 Milliarden Euro im Jahr 2021. Prognostiziert worden war 6,3 Milliarden Euro Umsatz. Ein Plus von rund einer Milliarde Euro gegenüber dem Vorjahr. Die konservative Prognose für 2022 in Höhe von 6,8 Milliarden Euro wurde bereits im November getroffen. Da das Unternehmen von stabilen Absätzen ausgeht, müsste der Umsatz auch in diesem Jahr weitaus höher liegen. Angesichts der schwierig vorhersehbaren Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Krieg in Osteuropa sei eine Korrektur der Prognose aber „müßig“, so Köckler.

„Unvorstellbar hohe Getreide-Preise“

Dass Agravis auf einen Rekordumsatz 2021 zurückblickt, liegt an gestiegenen Handelspreisen in allen Segmenten. Der nasse und kalte Sommer mit einer entsprechenden Ernte spielte bei der Preisentwicklung eine Rolle. So sind die ohnehin hohen Getreidepreise weit vor dem Einmarsch der Russischen Föderation in die benachbarte Ukraine im vergangenen Jahr bereits deutlich gestiegen.

Für Weizen wurden zu Beginn des vergangenen Jahres bereits rund 200 Euro pro Tonne verlangt. Zwischenzeitlich sei der Preis auf mehr als 300 Euro pro Tonne gestiegen, sagt der neue Agravis-Finanzchef Hermann Hesseler: Und durch den fürchterlichen Krieg in der Ukraine bricht der Weizenpreis inzwischen alle Rekorde und ist zeitweise auf 420 Euro pro Tonne gestiegen.“ Die Ukraine gilt als die Kornkammer Europas. Aktuell ist nicht an Ernten, sondern ans Überleben vieler Menschen zu denken. Letztlich dürften die Getreidepreise also weiter steigen. Raps liege derzeit bei über 1000 Euro die Tonne. „Bis vor vier Wochen unvorstellbar“, sagt Köckler. Die Situation in Osteuropa werde auch Auswirkungen auf die Versorgung mit genfreiem Futter haben, ist sich der Agrarexperte heute schon sicher. Der Konflikt werde die Branche insgesamt verändern.

Zum deutlich gestiegenen Ergebnis trug auch ein Corona-Effekt bei. Das Agrarhandelsunternehmen verzeichnete eine gestiegene Nachfrage nach Tierfutter. Mehr Menschen hätten sich offenbar Haustiere wie Hunde, Katzen oder auch Hühner zugelegt, vor allem sei deutlich mehr Pferdefutter verkauft worden.

Künstliche Intelligenz auf dem Feld

In der Sparte Technik gab es gute Geschäfte mit Gebrauchtmaschinen und Ersatzteilversorgung. Lieferschwierigkeiten sorgten dagegen für Probleme beim Neumaschinengeschäft – auch in modernen Dreschern und Traktoren sind Halbleiter verbaut.

Einen Zukunftsmarkt sieht die Agravis Raiffeisen AG beim Einsatz von Robotertechnik auf dem Feld. Auf ihrer „Future Farm“ in Suderburg (zwischen Hannover und Lüneburg) hat das Unternehmen Feldroboter getestet und wird nun ein Modell für Aussaat und Unkrauthacken und eines zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln ins Programm nehmen, das mittels Künstlicher Intelligenz für 90 Prozent Einsparpotenzial sorgen soll.