Hagen. Wer wegen Höchstpreisen an der Tankstelle auf ein E-Auto umsteigen will, hat es schwer. Lange Lieferzeiten gefährden sogar die Umweltprämie.
Es ist ein Dilemma. Wer in jüngerer Zeit auch nur im Entferntesten darüber nachgedacht hat, auf ein Elektroauto umzusteigen, der will spätestens jetzt wohl eines haben. Preise für Diesel und Benzin von weit über zwei Euro müssten wie ein Treiber für Elektromobilität wirken – aber kurzfristig ist kaum ein E-Auto zu bekommen.
„Viele möchten umsteigen. Leider sind Hybrid- und Vollelektrischefahrzeuge infolge der Chipkrise und des Ukraine-Kriegs kaum bis nicht verfügbar. Die Nachfrage überwiegt das Angebot“, sagt Heinz-Dieter Tiemeyer, einer der größten Händler in NRW für die Marken VW, Audi, Seat, Cupra und Skoda und Standorten im Ruhrgebiet, Sauerland und Bergischem Land.
VW legt den E-Up wieder auf
Die Marke VW verkaufte im vergangenen Jahr mehr als 237.000 rein elektrisch betriebene Fahrzeuge. Knapp 120.000 Mal wechselte der Schlüssel für das SUV-ähnliche Modell ID.4 den Besitzer. Der kleinere ID.3, bislang exklusiv in Zwickau gefertigt, konnte dagegen nur 76.000 Mal ausgeliefert werden. „Die Nachfrage war hoch und sie ist weiter hoch“, sagt VW-Sprecher Jörn Roggenbuck. Im Frühjahr soll auch noch der ID.5 auf den Markt kommen. Voraussichtliche Lieferzeit laut VW: „Vier Monate, aber das war vor dem Ukrainekrieg.“ Der hat bereits zu Produktionsstopps geführt, weil dort Kabelbäume für den Volkswagenkonzern gefertigt werden. Kein Gedanke daran, dass die Produktion ungeachtet der Kämpfe normal weiterlaufen könnte. Dass in den vergangenen Wochen überhaupt noch produziert wurde, grenzt an ein Wunder. VW versucht nun verstärkt in Nordafrika produzieren zu lassen.
Zweiter Hemmschuh: Nach wie vor sind Halbleiter knapp. In jedem Auto, ob Elektro oder Verbrenner, sind heute Dutzende Chips verbaut ohne die nichts läuft. Mit Besserung wird erst im Laufe des Jahres gerechnet. Viele Autobauer statten zunächst einmal ihre Premiumfahrzeuge mit den höchsten Margen dem raren Gut aus.
Heinz-Dieter Tiemeyer rechnet damit, erst Ende 2022 wieder neue Elektrofahrzeuge in den Verkauf zu bekommen. Das entspricht in etwa den Lieferprognosen von VW selbst. Wer heute einen ID.4 bestellt, muss ungefähr ein Dreivierteljahr warten. Beim ID.3 dürfte es eher länger dauern. Zirka ein Jahr ist durchaus realistisch. Etwas schneller könnte es mit dem wieder aufgelegten Kleinwagen E-Up gehen. „Wir haben ihn wieder ins Programm genommen. Das Fahrzeug hat kürzere Lieferzeiten. Allerdings haben die Händler Quoten bekommen, um eine einigermaßen gleichmäßige Verteilung über Deutschland zu gewährleisten“, erklärt VW-Sprecher Roggenbuck.
Peugeot verspricht E-Autos noch 2022
Die langen Lieferzeiten bedeuten nicht nur, dass ein schneller Umstieg vom Verbrenner auf Elektroantrieb zumindest beim größten deutschen Autobauer außer mit einem „Kurzzeit-Abo“ kaum möglich ist. Es könnte bedeuten, dass Kunden die derzeitige Umweltprämie von bis zu 9000 Euro durch die Lappen geht, die so nur noch bis zum 31. Dezember 2022 gilt.
Der französische Hersteller Peugeot wirbt mit einer Art Garantie für die Umweltprämie: „Wir versprechen noch bis zum 30. April 2022, dass wir alle Neubestellungen von elektrifizierten Peugeot-Fahrzeugen noch in diesem Jahr ausliefern, so dass die Kundinnen und Kunden in den Genuss der Förderung kommen“, sagt Peugeot-Deutschlandsprecherin Silke Rosskothen. Die Lieferzeiten der Peugeot Modelle seien unterschiedlich und lägen zwischen drei und sechs Monaten, in Ausnahmefällen auch länger. Besonders beliebt ist der kleine 208. Laut Peugeotsprecherin kauften vergangenes Jahr mehr als 50 Prozent die vollelektrische Variante, im Dezember seien es sogar 68 Prozent gewesen. Peugeot bietet auch die SUV 2008 und 3008, den Van „Rifter“ und einen Bus als vollelektrische Versionen. Auch bei diesen Modellen entschieden sich zwischen 20 und 40 Prozent der Kunden für die e-Version. 2021 wurden mehr als 50.000 e-Peugeots in Deutschlands zugelassen.
An Auswahl mangelt es also auf dem Markt nicht: Ob Renault, E-Auto-Anbieter der ersten Stunde, asiatische Modelle wie Nissan oder Toyota, Opel oder die Premiumanbieter wie Mercedes und BMW, nicht zu vergessen der „Treiber“ Tesla. Sie alle haben interessante Modelle – nur kaum verfügbar. Es gibt schließlich noch keinen echten Gebrauchtwagenmarkt für Elektroautos. Händler Tiemeyer geht davon aus, dass die Situation hier erst in ein bis zwei Jahren besser wird. Also leider nichts für einen schnellen Wechsel von der Zapf- zur Ladesäule.