Essen. Nur sechs von 198 Telefonläden in NRW erfüllen bei Abschluss von Verträgen neue Regeln. Verbraucherzentrale prangert „bewusste Täuschung“ an.
Zum 1. Dezember 2021 hat der Bundesgesetzgeber die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher beim Abschluss von Mobilfunkverträgen gestärkt. Einer Untersuchung der Verbraucherzentrale NRW zufolge halten sich die Telekommunikationsanbieter aber so gut wie nicht an die neuen Vorschriften. Stellvertretend für die Branche hat die Verbraucherzentrale Telekom, Vodafone und Telefonica/O2 deshalb abgemahnt.
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Verbraucherschützer fordern seit langem, dass Mobilfunkverträge nicht erst nach 24 Monaten gekündigt werden dürfen und Kundinnen und Kunden schwarz auf weiß alle Regelungen und Leistungen erkennen können müssen. All das steht in der Novelle des Telekommunikationsgesetzes, die am 1. Dezember 2021 in Kraft trat. Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, stellt aber ernüchtert fest, dass zweifelhafte Praktiken beim Vertragsabschluss munter weiter gehen. „Wir müssen in vielen Fällen von einer bewussten Täuschung ausgehen“, sagte Schuldzinski im Vorfeld des Weltverbrauchertages am 15. März.
Nur ein Shop von 198 händigt Unterlagen freiwillig aus
Konkret hat die Verbraucherzentrale eine Errungenschaft des überarbeiteten Telekommunikationsgesetzes unter die Lupe genommen: Kundinnen und Kunden haben nun das Recht, im Telefonshop eine schriftliche Zusammenfassung aller Regelungen und Kosten ihres neuen Vertrags ausgehändigt zu bekommen. Um zu überprüfen, ob sich die Unternehmen daran halten, schwärmten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Januar in 198 nordrhein-westfälische Läden zu Testbesuchen aus.
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Das Ergebnis war niederschmetternd: Nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW händigte landesweit nur ein einziger Shop die vorgeschriebenen Unterlagen freiwillig aus. Fünf von 198 kamen ihrer Pflicht nur auf explizite Nachfrage nach. Zwölf Läden stellten überhaupt keine schriftlichen Informationen zur Verfügung. Und die große Mehrheit von 180 Geschäften versorgte die Testerinnen und Tester allein mit Werbeflyern, handschriftlichen Zusammenfassungen, Datenblättern und ähnlichem.
Telekom, Vodafone und O2 abgemahnt
Für Vorstand Schuldzinski steht damit fest: „Die Unternehmen erfüllen ihre gesetzliche Verpflichtung nicht.“ Telekom, Vodafone und Telefonica/O2 haben von ihm bereits eine Abmahnung mit der Aufforderung erhalten, ihre Geschäftspraxis zu ändern. „Wenn sie die Verpflichtung nicht anerkennen, gehen wir vor Gericht“, kündigt Schuldzinski an. Dass nur die drei großen deutschen Netzbetreiber abgemahnt wurden, erklärt der Vorstand der Verbraucherzentrale NRW mit personellen Engpässen. Bei der vorgeschriebenen Zusammenfassung schluderten aber alle Telekommunikationsanbieter. „Die geben sich nichts“, so Schuldzinski.
So eindeutig das Ergebnis der Stichprobe auch ausfiel: Für Kundinnen und Kunden ändert sich zunächst einmal nichts. „Ob der abgeschlossene Mobilfunkvertrag zulässig ist, müssen die Verbraucher am Ende selbst erklagen“, sagt Schuldzinski. Die Unternehmen seien zwar verpflichtet, die Zusammenfassung aller Vertragsunterlagen auszuhändigen. „Sie müssen die Kunden aber nicht darauf hinweisen, dass sie ein Recht darauf haben.“ Rechtlich sei ein Mobilfunkvertrag nichts anderes als der Kauf einer Blumenvase. Bei Nichtgefallen sei der Händler nicht verpflichtet, sie zurückzunehmen. Schudzinski: „Ein Widerruf unterschriebener Verträge ist in der Regel nicht möglich.“
Verbraucherzentrale: Nicht auf dem Tablet unterschreiben
Manuela Duda, Leiterin der Verbraucherzentrale in Essen, rät deshalb dazu, einen neuen Mobilfunkvertrag im Laden niemals auf dem Tablet zu unterschreiben. „Auf dem Bildschirm sind Zusatzleistungen gar nicht ersichtlich“, sagt sie. Ihr Tipp: Kundinnen und Kunden sollen sich den Vertrag vor Ort ausdrucken lassen, zu Hause sorgfältig durchlesen und mit Angeboten anderer Anbieter vergleichen. „Die Menschen fühlen sich im Laden aber oft unter Druck gesetzt“, weiß Duda aus ihrem Alltagsgeschäft. „Manche Leute sind da einfach zu blauäugig.“