Duisburg. Mit Thyssenkrupp-Stahlchef Osburg an der Beiratsspitze der Wirtschaftsförderung will Duisburg Wasserstoff-Hauptstadt werden. Chance fürs Revier.
Wenn die deutsche Industrie ihr ehrgeiziges Ziel erreichen will, bis spätestens Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden, wird sie unvorstellbar große Mengen an Wasserstoff benötigen. Duisburg schickt sich gerade an, „Herz der neuen grünen Revolution“ zu werden, wie es Oberbürgermeister Sören Link (SPD) ausdrückt. Dabei hat er die Ruhrwirtschaft an seiner Seite.
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Führungskräfte des Essener Industriekonzerns Thyssenkrupp stehen in der Regel nicht in der ersten Reihe, wenn es um die Übernahme öffentlicher Ämter gilt. Bernhard Osburg indes musste man nicht lange bitten, den Vorsitz im neu geschaffenen Beirat der neu aufgestellten Duisburger Wirtschaftsförderung zu übernehmen. „Ich bin in Duisburg geboren und lebe fast ohne Unterbrechungen in dieser Stadt“, sagt der Vorstandsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel Europe.
Die Stahlsparte des Traditionsunternehmens baut an ihrem Sitz in Duisburg-Bruckhausen gerade nicht nur eine neue Firmenzentrale. Auch die Produktion am größten Stahlstandort Europas erfindet sich gerade neu. Wasserstoff soll die Kohle bei der Eisenschmelze ersetzen, um den CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren. Dabei braucht Thyssenkrupp Unterstützung. „Auch als Duisburger Bürger will ich dazu beitragen, diese gravierenden Weichenstellungen voranzubringen. Ein Unternehmen unserer Größenordnung ist dazu in der Lage“, sagt Osburg.
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Die neue Duisburg Business Innovation GmbH (DBI) hat nicht von ungefähr das Megathema Wasserstoff ganz oben auf ihre Aufgabenliste gesetzt. „Der Industriestandort Duisburg wird den mit Abstand größten Wasserstoff-Bedarf in Europa haben“, rechnet der Beiratsvorsitzende Osburg vor. Und Aufsichtsratschef Link wählt ein Bild, um die gewaltigen Dimensionen aufzuzeigen. „Allein Thyssenkrupp wird pro Stunde die doppelte Menge an Wasserstoff brauchen, die der Oberhausener Gasometer fassen könnte“, erklärt der OB.
Osburg: Ruhrgebiet hat die Chance, Geschichte zu schreiben
Der Bedarf ist also riesig, die Frage aber ungeklärt, wie die benötigten Massen grünen Wasserstoffs überhaupt produziert und ins Ruhrgebiet geleitet werden können. Osburg drückt es diplomatisch aus: „In der Industrie bricht ein neues, grünes Zeitalter an. Wir als Wirtschaft werben dafür, dass Politik dafür auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft. Das Ruhrgebiet hat jetzt die Chance, Geschichte zu schreiben.“ Damit es – wie geplant – im Jahr 2025 den ersten grünen Stahl aus Direktreduktionsanlagen in Deutschland geben könne, müsse das Tempo beim Ausbau der Infrastruktur „massiv erhöht werden“.
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Der SPD-Politiker Link wird in seiner Kritik schon deutlicher: „Das Kernproblem Deutschlands ist, dass wir an vielen Stellen viel zu langsam sind. Das ist nicht nur bei Brücken so, sondern auch bei Stromtrassen, Digitalisierung und bei der Umstellung auf Wasserstoff.“ In Duisburg hat man zwar registriert, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) Beschleunigung versprochen hat. In der Stadt will man aber dennoch lieber die eigenen Kräfte bündeln.
„Duisburg ist gut aufgestellt und kann eine führende Rolle im Ruhrgebiet und bundesweit spielen. Dafür gibt es aber noch viel zu tun“, erklärt Bernhard Osburg. Dabei soll auch der Beirat der DBI, der „eine richtige Power“ mitbringe, beitragen. Zu seinen Mitgliedern gehören der Duisburger Industrielle Ulrich Grillo, der Fressnapf-Inhaber Torsten Toeller, Guido Kerkhoff, Chef des Stahlhändlers Klöckner, Uni-Rektor Ulrich Radtke und weitere prominente Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Forschung.
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Oberbürgermeister Link ist davon überzeugt, dass Duisburg die Forschungsinstitute, Flächen und Anwender habe, „um zum Kristallisationspunkt für Wasserstoff in Deutschland zu werden“. Das Thema sei aber relevant für das gesamte Ruhrgebiet. „Zwischen Dortmund und Duisburg ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Es gibt eine Menge Initiativen, das Ruhrgebiet zu der Chancen-Region Deutschlands zu machen“, ist Link überzeugt.
Beck: „Zeit des Kirchturmdenkens ist vorbei“
DBI-Geschäftsführer Rasmus Beck, der bis vor einem Jahr die Revier-Wirtschaftsförderung Business Metropole Ruhr geleitet hatte, geht davon aus, dass Wasserstoff weite Teile der Ruhrwirtschaft beflügeln werde. „Die Zeit des Kirchturmdenkens ist vorbei. Die Wasserstoff-Technologie soll von Duisburg aus wachsen. Dabei geht es um Erforschung und Anwendung, aber auch um Tankverschlüsse, Pipelines und Übergabepunkte“, sagt Beck. Von den in der Rheinstadt gewonnenen Erkenntnissen könne „das ganze Land profitieren“.