Dortmund. Die Unternehmen im Ruhrgebiet leiden massiv unter Rohstoff-Mangel und Preissteigerungen. Warum die Engpässe laut IHK die Konjunktur bremsen.

Die Ruhrwirtschaft leidet massiv unter Rohstoff-Engpässen und steigenden Preise beim Vormaterial. Bei der Frühjahrsumfrage der Industrie- und Handelskammern gaben 83 Prozent der Ruhrgebietsunternehmen an, von Lieferschwierigkeiten betroffen zu sein. Drei Viertel berichten als Konsequenz von Ertragseinbußen.

„Der Mangel an Vorleistungen, insbesondere Halbleiter, elektronische Bauteile, Baumaterialien, Metalle, Chemikalien und Papier, hat sich zu einer wesentlichen Bremse für den Aufschwung entwickelt“, sagte Heinz-Herbert Dustmann, Präsident der IHK Dortmund. Als in diesem Jahr federführende der sechs Kammern hat sie fast 900 Revier-Unternehmen befragt, bei denen rund 119.000 Beschäftigte arbeiten. Demnach geht jede dritte Firma davon aus, dass sich die Lage vorerst nicht bessern werde.

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Die Engpässe sind aber nur eines der Hemmnisse, die der Ruhrwirtschaft Sorgen bereiten. Knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen sehen überdies in den rasant gestiegenen Preisen für Energie und Rohstoffe „das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung“. In der hiesigen Industrie fühlen sich gar 85 Prozent der Firmen von dem Preisauftrieb bedroht. In der Verkehrs- und Logistikbranche sind es 72 Prozent.

„Nicht mehr so stark auf Kante nähen“

Kurzfristig sieht IHK-Präsident Dustmann keinen Hebel, die Mangelwirtschaft aus eigener Kraft zu lindern. Mittel- und langfristig hat der Inhaber der Dortmunder Dula-Werke, die international Ladenbau für den Einzelhandel betreiben, indes einen handfesten Rat parat. „Wir sollten nicht mehr so stark auf Kante nähen“, fordert Dustmann und meint damit die Lagerhaltung, die in den Betrieben auch aus Kostengründen massiv heruntergefahren wurde. „Wenn wir wieder etwas mehr im eigenen Land produzieren würden, könnte das auch unsere Straßen entlasten“, erklärt der IHK-Präsident.

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Es sind aber auch die explodierenden Preise für Strom, Öl, Sprit und Gas, die die Unternehmen umtreiben. Aus der Umfrage der Kammern geht hervor, dass immer mehr Firmen-Inhaber und -Geschäftsführer die Transformation hin zu erneuerbaren Energien als Risiko einschätzen. Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der IHK Dortmund, hebt deshalb mahnend den Finger: „Wir sehen die Gefahr, dass sich die Politik überbietet, den Kohleausstieg zu beschleunigen.“

Versorgungsengpässe beim Strom vermeiden

Zuerst müssten die Genehmigungsverfahren für neue Leitungen, die Sonnen- und Windstrom transportieren, deutlich beschleunigt werden. „Sonst laufen wir in Versorgungsengpässe. Wir brauchen Energiesicherheit“, fordert Schreiber. Eine Verlängerung der Laufzeiten der verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland lehnt er indes ab.

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Der Frühjahrsumfrage zufolge hat vor allem die Industrie zur Stabilisierung der Konjunktur an der Ruhr beigetragen. 89 Prozent der Industrieunternehmen bewerten ihre gegenwärtige Lage mit gut bis befriedigend und damit positiver als im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbranchen. Zudem vermeldet die Industrie mit jeweils 88 Prozent steigende beziehungsweise unveränderte Auftragseingänge im In- und Ausland.

Bei allen Risiken, denen sich die Ruhrwirtschaft ausgesetzt sieht, sei das größte der vergangenen beiden Jahre recht gut bewältigt worden. Die Unternehmen hätten in der Corona-Pandemie „ihre Stärke und Wettbewerbsfähigkeit auf nationaler und internationaler Ebene unter Beweis gestellt“, urteilt IHK-Präsident Dustmann. Trotz der aktuell rapide steigenden Infektionszahlen zeigt er sich zuversichtlich: „Unsere Gesellschaft scheint die Pandemie allmählich in den Griff zu bekommen.“

>>> Lage in der Gastronomie immer dramatischer

In der Corona-Pandemie geraten die gastronomischen Betriebe immer stärker unter Druck. Im Ruhrlage-Bericht, den die sechs Industrie- und Handelskammern des Ruhrgebiets am Dienstag vorlegten, ist von einer „dramatischen Situation“ die Rede. In der aktuellen IHK-Umfrage gaben 70 Prozent der Gastronomen in der Region an, dass ihre Geschäftslage schlecht sei. Im Herbst hatte der Anteil nur bei knapp einem Drittel gelegen.

Um ihre Umsatzrückgänge zu kompensieren, greifen sechs von zehn Wirtinnen und Wirte ihr Eigenkapital an. Zwölf Prozent sehen sich von einer Insolvenz bedroht. Und: 30 Prozent der Gaststätten rechnen für die Zukunft mit noch schlechteren Geschäften.

Als Konsequenz aus der Abwärtsspirale erwartet der Dortmunder IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann „massive Lockerungen“ der Corona-Beschränkungen, sobald der Scheitelpunkt der Omikrom-Welle überschritten sei. Das gelte auch für den Einzelhandel. Jedes vierte Geschäft im Revier leide unter Umsatzrückgängen. Deshalb fordert Dustmann ein sofortiges Ende der 2G-Regel im NRW-Einzelhandel.