Bochum. Die „Krise der Systeme“ lässt sich nicht aufhalten, sagt der Chef der Nachhaltigkeitsbank GLS. Welches Projekt er trotzdem im Ruhrgebiet plant.
Alle Systeme seien überlastet, die Krise lasse sich nicht mehr aufhalten: Das Bild, das Thomas Jorberg angesichts des Klimawandels von der Zukunft zeichnet, ist düster. Der Chef der Bochumer GLS Bank wirft der EU – die Atomenergie und Gas als grüne Energien einstufen will – „Greenwashing“ vor und fordert mehr Tempo bei der Energiewende. Um erneuerbare Energien zu fördern, starte die Bochumer Nachhaltigkeitsbank nun selbst eine Initiative für mehr Photovoltaik-Anlagen im Ruhrgebiet.
Nach eigenen Angaben achtet die GLS Bank auch bei der Kreditvergabe an Unternehmen stark auf den Klimaschutz. Sie finanziere beispielsweise keine Firmen, die zur Kohleenergiebranche gehören oder Fleisch aus Massentierhaltung erzeugen.
So wurden 2021 insgesamt mehr als 1,1 Milliarden Euro Kredite neu vergeben. Zu 30 Prozent seien die Gelder in sozial-ökologisches Wohnen, zu 23 Prozent in erneuerbare Energien und zu 15 Prozent in nachhaltige Wirtschaft geflossen. Mit dieser Transparenz wolle man laut Jorberg unter Beweis stellen, dass mit dem Geld der Kundschaft nicht spekuliert, sondern dieses sinnvoll eingesetzt werde.
Jahresbilanz: Bochumer Nachhaltigkeitsbank GLS wächst weiter
Die Möglichkeit der nachhaltigen Geldanlagen überzeuge immer mehr Menschen, so Jorberg. 321.000 Kundinnen und Kunden zählt die Bank Ende 2021. Das ist ein Plus von 15 Prozent. Auch ihre Bilanzsumme hat die GLS Bank im vergangenen Jahr um 15 Prozent auf rund 9,2 Milliarden Euro gesteigert.
Angesichts dieser wachsenden Nachfrage sind die Pläne der EU, Atomenergie und Gas als grüne Energien einzustufen, laut GLS-Chef umso bedauerlicher. Die EU-Kommission sieht vor, Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich zu bewerten. Für Gaskraftwerke – die insbesondere auf den Wunsch Deutschlands übergangsweise als grün gelten sollen – soll zum Beispiel entscheidend sein, wie hoch der Ausstoß an Treibhausgasen ist.
Das Vorhaben ist allerdings sehr umstritten. So kritisieren unter anderem Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Atom-Vorschlag scharf. „Ich halte es für absolut falsch, dass die Europäische Kommission beabsichtigt, Atomkraft in die EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten aufzunehmen“, so Lemke. Eine Energieform, die zu verheerenden Umweltkatastrophen führen könne, „kann nicht nachhaltig sein“.
Geplantes EU-Siegel laut GLS-Chef nur „Greenwashing“
GLS-Chef Jorberg wirft Brüssel vor, die „historische Chance“ zu vergeben, ein vertrauenswürdiges Siegel als Mindeststandard für zukunftsweisende Investitionen zu schaffen. Stattdessen werde „unwirksames Greenwashing“ betrieben.
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Darüber hinaus sei das Siegel in seiner aktuellen Planung „wettbewerbsverzerrend“, da nur kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden berücksichtigt werden. Ein großer Teil „grüner Geldanlagen“ werde somit gar nicht abgedeckt.
Dabei bieten diese laut Jorberg die Chance, die „nicht mehr zu vermeidende Krise zumindest zu gestalten.“ Gelingen soll das auch mit einer bundesweiten Photovoltaik-Kampagne. 100 Millionen Euro stellt die GLS Bank zu einem Zinssatz von 0,5 Prozent für 2022 bereit. Finanziert werden damit Photovoltaik-Anlagen auf Firmendächern. Die Pilotphase des Projekts läuft derzeit im Ruhrgebiet.