Iserlohn/Hagen. Mitgliedsfirmen im Märkischen Arbeitgeberverband (MAV) beziffern die Schäden wegen der A45-Sperrung bereits auf bis zu 100.000 Euro monatlich.

Flutfolgen, Lieferkettenprobleme, rasant steigende Energiekosten, Produktionsunsicherheiten aufgrund der pandemischen Lage – die vergangenen Monate bis zur Jahreswende waren geprägt von reichlich Widrigkeiten für die Unternehmen im Märkischen Arbeitgeberverband (MAV). Und dennoch lässt sich durchaus Optimismus aus den Ergebnissen der Konjunkturumfrage des Unternehmerverbandes ablesen. „Viele sehen ihre Lage viel besser als vor einem Jahr“, resümiert der langjährige MAV-Vorsitzende Horst-Werner Maier-Hunke.

Eine Mehrheit der befragten rund einhundert Industrie-Unternehmen, überwiegend aus der Metall- und Elektrobranche, rechnet mit einer stabilen Lage im Jahr 2022 – eine Einschätzung, die durchaus mit den jüngsten Wirtschaftswachstumsraten korrespondiert.

Nur trügt der Schein, abgefragt im November und Dezember vergangenen Jahres, in der Märkischen Region und Hagen vermutlich. Die alles andere als stabile Autobahn-Talbrücke Rahmede zwischen Lüdenscheid-Nord und -Mitte auf der Sauerlandlinie reißt eine klaffende Lücke in das Zuversichtsszenario. „Es haben noch nicht alle (Unternehmen/Red.) begriffen, was auf sie zukommt“, fürchtet Maier-Hunke.

Spediteure erhöhen die Preise

Einen ersten Wink gab es für Firmen zwischen Hagen, Lüdenscheid und Iserlohn bereits mit der Post von Spediteuren, die nach Ansicht des Verbandschefs im Umkreis von vielleicht einhundert Kilometern ihre Preise neu kalkulierten. Die Lücke auf der A45 bedeutet einen Umweg, also mehr Kilometer zwischen Nord und Süd, vor allem aber viel mehr Zeitaufwand. Mittelfristig könne das dazu führen, dass Zulieferer entlang der betroffenen Strecke, sollten sie wegen des Brückendesasters nicht mehr zuverlässig liefern können, von Kunden möglicherweise aussortiert würden.

„Es werden mit Sicherheit Standortüberlegungen neu getroffen werden. Die Wirtschaftskraft der Region wird durch die A45-Lücke geschwächt – nicht von heute auf morgen, aber in den kommenden fünf Jahren sicher“, vermutet Maier-Hunke angesichts einer eilig vom MAV durchgeführten A45-Sonderabfrage zur Jahreswende. Demnach sind im Verbandsgebiet neun von zehn Betrieben von der Autobahnsperrung betroffen (siehe Infobox). Ein Fünftel der Firmen könne heute schon sagen, dass sie die Brückensperrung Aufträge und/oder Geschäftspartner koste.

Bittere Erkenntnisse, dennoch hält der erfahrene Iserlohner Unternehmer (Durable) wenig von Panikmache, Hysterie oder aus seiner Sicht unrealistischen Zeitvorgaben, wann eine neue Brücke stehen müsse. Auf die Bauzeit habe man letztlich wenig Einfluss. Es sei klüger „alle ins Boot zu holen und dann kann man froh sein, wenn bisherige Bauzeiten unterschritten werden“, sagt Maier-Hunke. Auf die Expertise in den Behörden zu setzen wäre demnach zielführender als einen Bus nach Genua zu starten. In den vergangenen Tagen war eine Hoffnung, auch aus der Wirtschaft, sich von den Italienern, die in Genua in rund 18 Monaten einen Brückenneubau über die Bühne bekamen, etwas abschauen zu können.

Die zuständige Autobahn GmbH Westfalen geht von deutlich längeren Zeiträumen aus und hielte es für einen Erfolg, wenn sich die Bauzeit auf rund fünf Jahre verkürzen ließe.

Die zwischenzeitliche Annahme, dass wenigstens Pkw weiter über die Brücke mitten durch das MAV-Verbandsgebiet geführt werden könnten, ist ebenfalls zerplatzt. Aus Sicht der heimischen Wirtschaft ein nicht zu unterschätzendes Problem, denn auch Pendler sind auf diese Strecke angewiesen.

Rückkehr zur Lagerhaltung

Die Konsequenzen aus dem Infrastrukturdesaster könnten nach Ansicht des Verbandsvorsitzenden Maier-Hunke auch zum, mindestens teilweisen, Abschied etablierter Abläufe und zur Rückkehr von Lagerhaltung führen. Just-in-Time“ wie bisher werde in Deutschland zunehmend schwieriger, denn die A45 sei keine unrühmliche Ausnahme. „Wenn man seriös plant, wird es in naher Zukunft zwei bis drei Mal mehr Baustellen in Deutschland geben als bisher“, so Maier-Hunke.

Sonderumfrage zur A45

An der Konjunkturumfrage des Märkischen Arbeitgeberverbands im November und Dezember 2021 beteiligten sich rund einhundert Unternehmen aus dem Raum Hagen und dem Märkischen Kreis.

88 Prozent gaben an, dass aktuell eine gute oder wenigstens befriedigende Geschäftslage herrsche.

Wegen der A45-Sperrung führte der MAV zum Jahreswechsel eine gesonderte Abfrage durch – mit „bedrückenden Ergebnissen“: 9 von 10 Betrieben im Verbandsgebiet sind betroffen; 38 Prozent ausdrücklich stark. Betroffene Firmen bezifferten wirtschaftliche Schäden jetzt bereits auf Summen zwischen 30.000 und 100.000 Euro monatlich!