Hagen. Beim Modehändler Sinn knallte es im Sommer. Inhaberin Isabella Goebel feuerte die Geschäftsführung. Was Thomas Wanke als Chef anders machen will.
Beinahe zwei Jahre Pandemie haben im Handel bereits tiefe Spuren hinterlassen. Bei der Hagener Modehauskette Sinn kommt mit dem Wechsel an der Spitze im Sommer ein ziemlicher Paukenschlag hinzu. In einer schwierigen Situation entlässt die Gesellschafterin Isabella Goebel Geschäftsführer Torsten Altenscheidt und ihren Ex-Ehemann Friedrich-Wilhelm Göbel, der das Unternehmen bis dahin nach außen vertreten hatte, und geht seit Oktober mit einer komplett neuen Geschäftsführung an den Start. Mutig oder notwendig? Thomas Wanke, bis vor kurzem noch Topmanager bei Signa-Retail (u.a. Sport-Scheck, Galeria) erklärt im Gespräch mit dieser Zeitung, wo Sinn aktuell steht und welche Pläne es für die Zukunft gibt.
Herr Wanke, wie steht es um Sinn?
Thomas Wanke: Wir waren im Oktober sehr gut unterwegs. Und am vergangenen Wochenende haben wir an großen Standorten wie Bochum oder im Centro Oberhausen sogar die Umsätze von 2019 erreicht.
Sie waren die vergangenen sieben Jahre als Topmanager für die Signa-Retail (u.a. Sport-Scheck, Galeria) unterwegs und sind nahtlos am 1. Oktober in Hagen bei Sinn eingestiegen. Was war in den vergangenen Wochen die dringendste Aufgabe?
Priorität hatte für mich, Gespräche mit allen unseren Lieferanten zu führen. Der Wechsel an der Spitze im Sommer hat bei einigen Zulieferern zu Verunsicherungen geführt. Unnötigerweise. Letztlich ist aber kein Lieferant abgesprungen.
Galeria hat gerade angekündigt, erneut Staatshilfen zu benötigen. Braucht Sinn auch Hilfe?
Wir nutzen, wie sehr viele andere Einzelhandelsunternehmen auch, Staatshilfe wie die Überbrückungshilfe III. Und am Standort Hagen, der wegen der Flutkatastrophe von Mitte Juli bis vor wenigen Wochen geschlossen bleiben musste, haben wir auch Kurzarbeit angemeldet und durchgeführt. Wir haben aber keine fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen müssen und haben dies auch nicht vor. Sinn ist gegenüber anderen Modehändlern im Vorteil: Unsere Kundinnen und Kunden sehen wir in der Altersgruppe Ü45. Das heißt, wir sind nicht solchen extremen Schwankungen unterworfen wie High-Fashion- oder Fast-Fashion-Anbieter, sondern haben ein stabiles Geschäft. Und wir sind kein Warenhaus und wollen es auch nicht werden.
Sie kommen ganz sicher durch die Krise?
Vieles hängt sicher davon ab, wie im Hinblick auf die Pandemie die nächsten drei Monate verlaufen werden. Wir wissen aktuell nicht, ob es nach Weihnachten erneut einen Lockdown geben wird. Unsere Winterware muss aber bis Ende Februar verkauft sein, also haben wir den Schlussverkauf um vier Wochen vorgezogen. Viele Waren sind bereits um 50 Prozent reduziert.
Die Rabattschlacht hat also bei Sinn bereits begonnen?
Nein. Rabattschlachten sind grundsätzlich nicht Teil der Strategie der neuen Geschäftsführung mit Isabella Goebel an der Spitze, Dieter Noldenn als Finanzchef und mir. Wir sind kein billiger Jakob. Das wollen und müssen wir auch nicht. Unsere Produkt- und Beratungsqualität überzeugt. Was wir gerade im Hinblick auf den Schlussverkauf machen, ist pokern, weil wir keine klare Ansage aus der Politik bekommen.
Viele reden davon, dass der stationäre Handel sich wandeln muss. Hin zum Erlebnischarakter, um der Konkurrenz im Internet etwas entgegensetzen zu können. Hat ein Format wie Sinn tatsächlich eine Zukunft? Bislang war Omnichannel, also ein Standbein mit einer Internetplattform parallel zum stationären Handel, bei Sinn ein absolutes Tabu.
Sinn hat Zukunft. Das Konzept von Sinn „macht Sinn“. Wir haben nicht nur die Produktqualität, sondern im Vergleich zu Wettbewerbern mindestens drei weitere Vorteile: wir haben mehr Personal, wir haben eine grandios schnelle Logistik und daher Waren oft Wochen vor dem Wettbewerb auf der Fläche, und wir haben attraktive Geschäfte. Die Geschäftsleiter an den Standorten führen diese so engagiert als wären sie Inhaber. Wir nutzen heute bereits sehr erfolgreich eine mobile App zur Marken- und Kundenbindung. Das wollen wir weiter ausbauen. Aber: Mittelfristig, vielleicht in zwei Jahren, ist Omnichannel sicher ein Thema.
Sie haben zuletzt für die Signa-Gruppe Sport-Karstadt mit Sport-Scheck verheiratet. Gibt es auch Platz für Sport-Sinn?
Wir werden aus Sinn bewusst kein Warenhaus machen. Aber alles, was im Bereich Lifestyle zu unserem Sortiment passt, etwa Outdoor-Bekleidung, können wir sicher auch verkaufen. Wir haben mit National Geographic zum Beispiel eine neue Marke im Sortiment und ich führe weitere Gespräche. Im Haus in Bonn starten wir gerade mit einer Schuhabteilung. Im kommenden Jahr wollen wir das in elf weiteren Häusern ausrollen. Bevor wir also weitere Ideen umsetzen oder neue Standorte eröffnen, wollen wir diese Bälle in der Luft halten und das umsetzen, was wir jetzt angestoßen haben.