Essen. RWE-Managerin Sopna Sury im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“: So will RWE künftig das Ruhrgebiet und Deutschland mit Wasserstoff versorgen.

Sie wolle das Ruhrgebiet „zum Wasserstoff-Wunderland machen“, schrieb das Magazin „Der Spiegel“ über Sopna Sury. Jedenfalls kümmert sich die Managerin beim Essener Energiekonzern RWE um ein Schlüsselthema beim Umbau von Deutschlands Industrie. Aus dem Vorstand der RWE-Tochter Generation soll die 47-Jährige dafür sorgen, dass möglichst rasch viel Wasserstoff in Deutschland verfügbar ist. Wie sie vorgeht und wie weit RWE schon vorangekommen ist, erzählt die Managerin im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“.

Eine besondere Bedeutung für das Ruhrgebiet bekomme der niedersächsische RWE-Standort Lingen, erzählt Sury. „Ja, das ist vielleicht ein Stück weit ein Wasserstoff-Wunderland“, sagt sie. Im großen Stil will RWE künftig im Emsland über Elektrolyse grünen Wasserstoff erzeugen. Ab dem Jahr 2024 soll damit unter anderem die BP-Raffinerie in Gelsenkirchen versorgt werden – größtenteils über bestehende Gaspipelines. „Momentan laufen schon die Arbeiten für die Anbindung von Gelsenkirchen-Scholven“, berichtet Sury. Auch der vom Essener Chemiekonzern Evonik geprägte Standort Marl soll ans Netz gebracht werden. Später könnte der Wasserstoff auch zum Stahlstandort Duisburg mit den Anlagen von Thyssenkrupp gelangen.

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Beim anstehenden Umbau der deutschen Industrie geht es um gewaltige Investitionen. Bis zum Jahr 2030 will alleine schon RWE 50 Milliarden Euro investieren, um das Geschäft mit erneuerbaren Energien auszubauen – für Windkraft-, Solar-, Speicher- und Wasserstoffprojekte, wie RWE-Chef Markus Krebber vor wenigen Tagen bei der Präsentation des neuen Strategieprogramms namens „Growing Green“ erklärt hat. „Grüner, größer und werthaltiger“ soll RWE damit werden. Wasserstoff, betont Sury, spielt dabei eine wichtige Rolle.

Statt „Champagner unter den Energieträgern“ lieber Trinkwasser

Als „Champagner unter den Energieträgern“ wird Wasserstoff häufig bezeichnet, weil er teuer und exklusiv ist. „Ich würde mich gerne vom Schampus-Bild wegbewegen“, sagt Sury dazu. Der Wasserstoff müsse eher eine Art Leitungswasser für die Industrie werden. „Das kriegen wir hin“, sagt Sury und strahlt dabei einen unerschütterlichen Optimismus aus.

Die Managerin mit indischen Wurzeln ist in Neuss aufgewachsen, hat in Düsseldorf eine Ausbildung zur Bankkauffrau absolviert und Wirtschaftswissenschaften an der Uni Witten/Herdecke studiert. Bevor sie in die Energiewirtschaft gewechselt ist – zu Eon, Uniper und schließlich zu RWE – war sie einige Jahre bei der Unternehmensberatung McKinsey tätig. Ihr nüchternes Kalkül in Sachen Wasserstoff lautet: Wenn erst einmal große Elektrolyseure für die Produktion von Wasserstoff in Betrieb sind, gebe es auch Kostensenkungen. „Das wird noch alles kommen“, sagt Sury voraus.

Zusammenarbeit mit Konzernen wie BP, Evonik und Thyssenkrupp

Einerseits herrscht eine Art Goldgräber-Stimmung in der Energiewirtschaft. Sury räumt aber auch ein, dass sich viele Wasserstoff-Projekte noch nicht rechnen. Daher benötige die Industrie staatliche Anschubfinanzierungen für Vorhaben, die Deutschland in einigen Jahren klimaneutral machen sollen.

Ungewöhnlich stark ist momentan die Zusammenarbeit der Unternehmen ausgeprägt. In der Initiative „Get H2“ haben sich Konzerne wie BP, Evonik, Uniper, Salzgitter, Thyssenkrupp sowie die Gasnetzbetreiber OGE und Thyssengas verbündet. Das Ziel sei, den Kern für eine bundesweite Wasserstoff-Infrastruktur zu etablieren. „Da ist unglaublich viel Aufbruch, da ist unheimlich viel Wille“, sagt Sury.

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In dieser Woche verkündete RWE auch, im niedersächsischen Lingen am Bau einer Direktreduktions-Testanlage mitzuwirken. DRI-Anlagen sollen in einigen Jahren die Hochöfen – und damit auch die Kokskohle – in der Stahlerzeugung ersetzen. Das Verfahren: Der Wasserstoff reagiert mit Sauerstoff im Eisenerz und wandelt es in Eisenschwamm um. Statt Kohlenstoffdioxid – wie im klassischen Hochofen – entsteht bei der neuen Technologie Wasserdampf. Der Eisenschwamm wird anschließend mit Stahlschrott eingeschmolzen und zu Stahl weiterverarbeitet.

„Optimistisch sein, mutig sein“

In Lingen soll grüner Wasserstoff über Elektrolyseanlagen auf dem Kraftwerksgelände erzeugt werden. Für das kommende Jahr ist der Baubeginn geplant – mit Hilfe einer rund drei Millionen Euro schweren Förderung des Landes Niedersachsen. Zum Einsatz soll der Stahl beim Unternehmen Benteler Steel kommen, das Röhren herstellt.

Insgesamt gehe es auf dem Gelände in Lingen um ein „Riesen-Vorhaben“, an dem viele Unternehmen beteiligt seien, sagt die RWE-Managerin Sury. „Wunder bedeutet auch, optimistisch zu sein, mutig zu sein.“ Es werde „der Nukleus einer ganzen Wasserstoff-Wirtschaft“ entstehen – „und das ist ein Wunder“. Ihren beiden 13 und 16 Jahre alten Töchtern erkläre sie ihren Job, indem sie ihnen sage, dass sie zur Dekarbonisierung der Industrie und damit zum Klimaschutz beitragen wolle. Wasserstoff sei „ein Teil der Problemlösung“, sagt Sury. „Die Industrie wartet händeringend darauf.“