Essen. Fast alle Hausärzte am Nordrhein sehen sich mit Regressforderungen der Krankenkassen überzogen – wegen Formfehlern bei der Impfstoff-Bestellung.

Tausende Ärzte im westlichen Ruhrgebiet und dem Rheinland sehen sich mit Regressforderungen der Krankenkassen wegen fehlerhafter Bestellungen von Impfstoffen überzogen. Dabei geht es nicht um Corona, sondern um Impfungen gegen HPV und Herpes-Viren aus früheren Jahren.

Ärztevertreter räumen Formfehler ein, halten die damit verbundene Bürokratiewelle in den Praxen angesichts der wütenden vierten Corona-Welle für völlig verfehlt. „Während die Republik ,Impfen, Impfen, Impfen’ fordert, haben die Krankenkassen nichts Besseres zu tun, als 4500 von 5000 Hausärzten mit Regressen wegen Formfehlern zu überdecken“, schimpft der Hausärzteverband Nordrhein. Das bringe „das Fass zum Überlaufen“, sagt Verbandschef Oliver Funken und beklagt die „Motivationsbremse“.

Es geht um alte Impfungen gegen Herpes und HPV

Viele Ärzte haben offenbar in der Vergangenheit die Impfstoffe Gardasil (HPV) und Shingrix (Herpes Zoster) auf falschem Wege bestellt, nämlich als Einzeldosis für bestimmte Patientinnen und Patienten. Korrekt wäre die Bestellung als Praxisbedarf gewesen, was größere Gebinde bedeutet und für die Kassen etwas günstiger ist. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein räumt die Formfehler ein, betont zugleich, kleinere Praxen hätten auch aus wirtschaftlichen Gründen Einzeldosen bestellt, weil sie zum Beispiel keine Zehner-Packung gebraucht hätten.

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Einige gesetzliche Krankenkassen haben laut Verband nun 4500 Prüfanträge verschickt. Die Praxen sollen anhand der Rezeptkopien prüfen, ob die von den Kassen berechneten Differenzkosten korrekt sind und dem Regress einwilligen. Der Hausärzteverband rät, dies nicht zu tun, sondern Widerspruch einzulegen. Allein die Bearbeitung werde die Kassen mehr kosten als sie Kassen an Regressen erhielten, kritisiert er.

Regressforderungen rauben Praxisteams wertvolle Zeit

Noch schlimmer sei der Zeitraub in den aktuell erneut an der Belastungsgrenze arbeitenden Hausarztpraxen. „Es reicht. Diese nachgeordneten Arbeiten kann man im Back Office der Krankenkassen erledigen, aber bitte nicht an der Impffront“, fordert der Hausärzteverband Nordrhein. „Wenn wir jetzt die Impfquote mit Erst- und Zweitimpfungen in der vierten Pandemiewelle erhöhen wollen, ist Kreativität und Motivation gefragt“, betont Funken, „Priorität für die Praxen haben die medizinische Regelversorgung und die Bekämpfung der Pandemie“.