Essen. Das Essener Start-up Esforin kauft für Unternehmen Strom, wenn viel Wind und Sonne die Preise drücken. Die Software kann auch Maschinen steuern.
Die Strompreise steigen und werden für immer mehr Unternehmen zur finanziellen Belastung. Das Essener Start-up Esforin hat eine Software entwickelt, die in der Lage ist, Strom kurzfristig zu günstigen Konditionen zu kaufen und sogar Einfluss auf das Ein- und Abschalten von Maschinen in Betrieben zu nehmen.
„Wir vermarkten Flexibilität“, sagt Gründer und Geschäftsführer Christian Hövelhaus. Esforin sei ein Unternehmen, das mit „intelligenten Algorithmen maßgeblich zum Gelingen der Energiewende beiträgt“. Das 35-köpfige Team aus Essen sitzt nicht wie andere Einkäufer vor großen Bildschirmen, um für ihre Kundinnen und Kunden dann einzukaufen, wenn der Preis an der Strombörse besonders günstig ist. Bei dem Start-up läuft der Handel dank der selbst entwickelten Software automatisch.
Der Chef von Esforin bringt freilich eine Menge Erfahrung aus der Branche mit. „Ich bin ein Kind Essens und habe schon als Student auf der Zeche Zollverein gearbeitet“, erzählt Hövelhaus. Der Betriebswirt war für eine Unternehmensberatung tätig, für den Stinnes Energiehandel, gehörte dem Vorstand von RWE Polen an und machte als Vorstand beim Start-up Natgas in Potsdam erste Erfahrungen mit neu gegründeten Unternehmen.
„Hochinteressante Gegend zur Gründung von Unternehmen“
2014 zog es Hövelhaus dann in die Heimat zurück. „Essen ist schließlich auch die deutsche Energiehauptstadt. Im Ruhrgebiet gibt es hervorragende Nachwuchskräfte. Die Region ist eine hochinteressante Gegend zur Gründung von Unternehmen“, schwärmt der Unternehmer nicht nur, sondern machte auch Nägel mit Köpfen und gründete seine eigene Firma.
Auch interessant

„Vor 20 Jahren hätte ich noch von einer Selbstständigkeit im Energiehandel und in der Energieoptimierung abgeraten. Heute braucht die deutsche Wirtschaft die Schnelligkeit und Innovationen, die Start-ups mitbringen“, ist Hövelhaus fest überzeugt. Nach dem Beschluss, aus der Kohleverstromung auszusteigen, sieht der Gründer große Chancen für Unternehmen, die sich der Energiewende widmen und die Wirtschaft dabei unterstützen, ambitionierte CO2-Einsparziele zu verwirklichen.
Viel Sonne und Wind senken die Preise
„Wir hatten die Idee, Stromhandel als Service komplett digital anzubieten“, erinnert sich Hövelhaus. Da immer mehr Wind- und Solarstrom in die Netze drängt, die Erzeugung aber vom Wetter abhängt und deshalb schwer vorhersehbar ist, wird eine Regulierung immer wichtiger. An dieser Stelle kommt Esforin ins Spiel. „Die Schwankungen am Energiemarkt sind sehr groß“, sagt Hövelhaus. „Wenn viel Sonne und Wind da sind, sinken die Preise. Wir kaufen den Strom für unsere Kunden dann, wenn er besonders günstig ist.“
Das Geschäftsmodell geht dabei aber einen entscheidenden Schritt weiter. Wenn es Unternehmen, die ihren Strom über die Essener Händler beziehen, wünschen, kann Esforin auch Einfluss auf den Betrieb der Anlagen nehmen. „Die Mahlmaschinen einer Papierfabrik verbrauchen so viel Strom wie ein paar Tausend Haushalte“, nennt Hövelhaus ein Beispiel. „Wir können die Produktion eines solchen Kunden steuern, indem wir Maschinen gezielt einschalten oder hochfahren, wenn wir an der Börse Strom zu besonders günstigen Tarifen kaufen können.“
Stabilität für die Stromnetze
Zum Kundenkreis des Start-ups gehört auch der Essener Aluminium-Hersteller Trimet, der mehr Strom verbraucht als die gesamte Stadt mit ihren 600.000 Einwohnern. „Für das Unternehmen ist es wirtschaftlicher und es stabilisiert zudem die Netze, die Anlagen im Laufe des Tages genau dann hochzufahren, wenn viel Strom vorhanden ist“, meint der Esforin-Chef.
Größere Industrieunternehmen, so Hövelhaus, könnten ihre Energiekosten auf diese Weise „jährlich im sechs- oder siebenstelligen Euro-Bereich senken“. Das Geschäftsmodell stabilisiere aber auch das arg schwankende Stromnetz und spare am Ende auch CO2. „Die Industrie wird damit bei der Energiewende vom Problem zur Lösung“, erklärt der Esforin-Chef, der sich in einem Boot mit seinen Kunden wähnt. „Wir sind am Ergebnis der monatlichen Einsparung beteiligt. Darüber finanzieren wir uns“, sagt er.
„2023 könnte es bei der Stromversorgung empfindliche Engpässe geben“
In seinem Modell sieht Hövelhaus einen probaten Hebel, die Transformation von fossilen zu erneuerbaren Trägern zu beschleunigen, „auch wenn die Energiewende eine enorme Herausforderung bleibt“, wie er betont. „Schon im Jahr 2023 könnte es bei der Stromversorgung empfindliche Engpässe geben, weil dann kein einziges Kernkraftwerk mehr am Netz ist“, gibt Hövelhaus zu bedenken.
Den Schritt vom Konzern-Manager in die Selbstständigkeit hat er jedenfalls nicht bereut, auch wenn er bei der Gründung von Esforin bereits 52 Jahre alt war. „Start-up´s stehen heute hoch im Kurs, weil sie dynamisch sind. Ich würde jederzeit wieder gründen“, bekennt Hövelhaus. „Dazu braucht man aber die Lust, sich austoben zu wollen, ein feines Gespür für das Risiko und auch genügend Durchhaltevermögen.“