Hagen. Engpässe bestimmen das Weihnachtsgeschäft. Etliche Produkte sind kaum zu bekommen. Spielwarenhändler Scharfenbaum rechnet mit langen Gesichtern.

Noch gut sechs Wochen, dann ist Weihnachten. Nicht nur das Fest der Liebe, sondern auch der Geschenke für die Liebsten. Wer dann keine Enttäuschungen erzeugen will, muss sich wohl schleunigst auf den Weg machen. Mindestens, denn es herrscht extreme Knappheit, etliche Produkte sind schon jetzt gar nicht oder nur mit Glück zu bekommen. „So schlimm wie dieses Jahr war es noch nie. Eine reine Katastrophe“, sagt der Sauerländer Stefan Scharfenbaum, der über zwei Jahrzehnte im Geschäft ist.

Playmobil und Schleichfiguren knapp

Gerade hat der erfahrene Spielwarenhändler in seinem Geschäft in Brilon mit dem schönen Namen „Schatzkiste“ eine Handelsvertreterin zu Besuch. Sie erklärt ihm, was die Kunden in diesem Jahr bei ihm alles nicht finden werden. Ein längeres Gespräch.

Nicht nur in der Automobilindustrie fehlen die Mikrochips. Auch Spielekonsolen wie die neue Playstation 5 von Sony oder die „Xbox Series X“ von Microsoft sind extrem rar – und dies schon seit dem Verkaufsstart vor einem Jahr. Auch Nintendo mit seiner „Switch“ kämpft mit Versorgungsproblemen. Mit Änderung vor Weihnachten ist kaum zu rechnen. Jedenfalls ist es schon für die Händler selbst kaum vorherzusehen, wann sie wie viel Ware bekommen.

Und dies gilt eben längst nicht nur für Elektronikprodukte. Auch Waren aus Kunststoff etwa von Playmobil, in Asien gefertigte Schleichfiguren oder Barbiepuppen – alles Mangelware. „Am Ende wird es letztlich lange Gesichter unter dem Weihnachtsbaum geben“, vermutet Scharfenbaum. Jedenfalls, wenn es die vielfach beworbenen Spielzeuge sein sollen, die auf dem Wunschzettel stehen und teilweise gar nicht in den Handel kämen. Das gelte übrigens für den Onlinehandel genauso wie für den stationären Einzelhandel.

Seecontainer am falschen Ende der Welt

Die Lieferketten seien nach wie vor beeinträchtigt, die Frachtcontainer knapp oder schlicht auf der anderen Seite der Erde. Abgesehen davon haben sich die Preise für Seecontainer dramatisch erhöht.

Sind sie dann doch einmal in europäischen Häfen angelandet, gebe es ein weiteres Problem. Es fehle an Personal bei den Lieferanten, wo die Ware zunächst ausgeladen und dann neu verpackt werden müsse. „Ich habe eine solche Situation in 22 Jahren noch nicht erlebt“, sagt Stefan Scharfenbaum.

Zwei Geschäfte führt er, eines in Brilon und eines in Willingen. Viele seiner Stammkunden hätten ihre „Wunschzettel“ bereits abgegeben. So hat der Spielwarenprofi noch die Chance, möglichst viele Wünsche zu erfüllen. Wer sich erst im Dezember kümmert, könnte leer ausgehen oder muss auf Alternativen zurückgreifen wie sie auch der Briloner Händler im Programm hat: Holz- statt Plastikkran beispielsweise.

Die meisten schenken Gutscheine

Warum auch immer, seien selbst die Preise für Gesellschaftsspiele „explodiert“ – jedenfalls für die aus der Werbung. Auch hier gebe es gute Alternativen, versichert Fachhändler Scharfenbaum – Werbung allein sei übrigens auch noch kein Qualitätskriterium.

Handel rechnet mit leicht verbesserten Geschäften

Die wieder geöffneten Geschäfte hätten laut HDE nicht dazu geführt, dass der Boom im Online-Handel aufhört: Internetbestellungen bleiben demnach der wesentliche Treiber des Wachstums im Einzelhandel. Der Verband geht allein für diesen und kommenden Monat von einem Online-Umsatz von 23,1 Milliarden Euro aus – mehr als ein Fünftel des prognostizierten Gesamtumsatzes für das diesjährige Weihnachtsgeschäft in Höhe von 112 Milliarden Euro. Das wären zwei Prozent mehr als im Vorjahr und sogar rund 8,7 Prozent mehr als 2019.

Dass es in diesem Jahr einen etwas anderen Weihnachtseinkauf geben könnte, bestätigte auch Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE) am Montag in Berlin.„Es sind bei einzelnen Sortimenten Lücken möglich“, sagte er. Doch hätten sich die Händler vorbereitet und die Lager gut gefüllt. „Es wird nicht dazu führen, dass wir komplett leere Regale sehen werden“, sagte Genth mit Blick auf die kommenden Wochen: „Ich sehe das Problem eher im ersten Halbjahr des kommenden Jahres auf uns zukommen.“

Einen Einschätzung, die André Schültke, CIO des Haushaltsgeräteherstellers Severin aus Sundern unterstreichen kann: „Wir verfolgen seit Beginn der Pandemie die Entwicklungen innerhalb unserer Supply Chain (Lieferkette/Anm. d. Red.) sehr intensiv. Die steigenden Frachtkosten, resultierend aus Containerknappheit und fehlender Schiffskapazitäten, führen bei uns zu einer erheblichen Erhöhung der Logistikkosten, ebenso belasten die enorm gestiegenen Rohstoffpreise die gesamten Produktionskosten. Um dennoch den bestmöglichen Mix an Verfügbarkeit und Wertschöpfung für unsere Kunden zu finden, sind wir frühzeitig viel enger (digital) zusammengekommen, um unseren Vertrieb, Einkauf und Logistik aufeinander abzustimmen. Weniger Sicherheitsbestände, mehr Just in Time. Insgesamt planen wir nun öfter, genauer und weiter im Voraus - mit dem Resultat, dass wir keine Produktknappheit verzeichnen und grundsätzlich lieferfähig sind und bleiben. Insgesamt rechnen wir mit einer Entspannung der Logistiksituation ab dem zweiten Halbjahr 2022. Der weltweite Chipmangel und steigende Rohstoffpreise werden uns aber noch länger begleiten.”

Und auch Stefan Müller, Vorstandsvorsitzender der Expert SE, versichert: „Es werden sowohl zur Black Week als auch zum Weihnachtsgeschäft ausreichend großartige und innovative Produkte unserer Branche zur Verfügung stehen.“ Die Fachhandelskooperation mit über 200 Gesellschaftern habe sich auf Lieferverzögerungen eingestellt. Insbesondere durch die hohe Nachfrage der letzten Monate bei Produkten für das mobile Arbeiten, Home-Schooling, aber auch bei Produkten rund um die Segmente Gesundheit, Fitness, Hygiene und Spielekonsolen sei es zu Engpässen gekommen. Höhere Fracht- und Energiekosten sorgten „vereinzelt für steigende Preise“, so Müller.

Der HDE hat bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern nachgefragt, was sie ihren Liebsten zu Weihnachten schenken wollen: 32 Prozent der Befragten wollen demnach Geschenkgutscheine überreichen, angesichts der Engpässe vielleicht keine schlechte Idee. 29 Prozent verschenken Bücher und 27 Prozent Spielwaren. Insgesamt wollen die Deutschen im Schnitt 273 Euro für Weihnachtsgeschenke ausgeben.