Essen. Im Ruhrlagebericht berichten die Industrie- und Handelskammern von Fachkräftemangel. Auch Geringqualifizierte werden zunehmend gesucht.
Mit Abklingen der Pandemie tritt am Arbeitsmarkt ein altes Problem wieder auf: der Mangel an qualifizierten Fachkräften. Ähnlich wie zuletzt Anfang 2020 betrachten derzeit 58 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als Risiko für die eigene Geschäftsentwicklung, berichten die Industrie- und Handelskammern (IHK) im Ruhrlagebericht. In der Bauwirtschaft seien sogar 83 Prozent der Betriebe betroffen. In der Folge blieben offene Stellen längerfristig unbesetzt.
Lediglich jeder dritte Betrieb habe „überhaupt keinen Personalbedarf“, berichten die Kammern. Noch vor fünf Jahren sei die Situation deutlich entspannter gewesen – mit 30 Prozent der offenen Stellen, für die es keine adäquate Besetzung gegeben habe.
Über alle Branchen hinweg werden demnach Fachkräfte mit einer dualen Berufsausbildung gesucht. 47 Prozent der Betriebe, die sich an der IHK-Umfrage zum Ruhrlagebericht beteiligten, äußern sich entsprechend. Es folgen Fachwirte, Meister oder Fachkräfte mit anderen Weiterbildungszertifikaten (40 Prozent). Überraschenderweise würden Arbeitskräfte ohne Qualifikation genauso stark gesucht wie Hochschulabsolventen (36 Prozent). An der Umfrage, die als größte Konjunkturumfrage des Ruhrgebiets gilt, haben nach Angaben der Kammern 800 Betriebe mit 104.000 Beschäftigten teilgenommen.
Geringere Nachfrage nach Akademikern – größere nach Geringqualifizierten
Binnen fünf Jahren habe sich das Blatt gedreht: Es gebe eine geringere Nachfrage nach Akademikern – und eine größere Nachfrage nach Geringqualifizierten. Gerade im Dienstleistungssektor fehle es an Hilfskräften, wird im Konjunkturbericht der Ruhrwirtschaft betont.
Der Fachkräftemangel sei „ein Dauerthema“, sagt Lars Baumgürtel, der Vizepräsident der IHK Nord Westfalen und Geschäftsführer des Gelsenkirchener Unternehmens Zinq ist. Jetzt nehme der Druck aber wieder zu.
Auch interessant
Auch als Folge des demografischen Wandels und wegen anhaltender personeller Knappheiten rechnen 65 Prozent der Betriebe auch zukünftig mit einer Mehrbelastung der vorhandenen Belegschaft. 54 Prozent der Unternehmen stellen sich schon heute auf einen Anstieg der Arbeitskosten ein, um rare Fachkräfte zu gewinnen oder zu halten. Dass Aufträge nicht abgearbeitet oder nicht angenommen werden könnten, weil es an Personal fehlt, befürchten 38 Prozent der Unternehmen. Doch lediglich jeder vierte Betrieb könne sich vorstellen, die Beschäftigung älterer Mitarbeiter auszuweiten.
Die steigenden Energie- und Rohstoffpreise würden von den Unternehmen erstmals als größtes Geschäftsrisiko eingeschätzt, berichten die Kammern. Fast 60 Prozent der Betriebe sehen dadurch die Entwicklung ihres Unternehmens gefährdet. Nahezu gleichauf im Ranking der Konjunkturrisiken liegt mit 58 Prozent allerdings der Fachkräftemangel. Der Anteil der betroffenen Firmen sei nochmals gestiegen, betont Lars Baumgürtel.
Mit der verbesserten Geschäftslage steigt der Personalbedarf
Die Corona-Pandemie sei für den Arbeitsmarkt „ein herber Schlag“ gewesen, heißt es im Ruhrlagebericht, „aber es hätte schlimmer kommen können“. Eine massive Entlassungswelle sei insbesondere durch den Einsatz von Kurzarbeit vermieden worden. Mit der verbesserten Geschäftslage steige der Personalbedarf. Nun sollen die Belegschaften bei jedem vierten Betrieb wieder aufgestockt werden, nur noch jeder neunte Betrieb plant demnach Arbeitsplatzabbau in den kommenden Monaten. „Damit dürfte sich der Arbeitsmarkt im Ruhrgebiet weiter erholen, wobei sich der wieder verschärfende Fachkräftemangel als möglicher Bremsklotz erweisen könnte“, so die Kammern.
Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wollen wieder mehr Unternehmen Beschäftigung aufbauen (24 Prozent) als abbauen (zehn Prozent), berichtet die Niederrheinische IHK, die auch für Duisburg zuständig ist. Jeder dritte Industriebetrieb (34 Prozent) und 28 Prozent der Dienstleister planten eine Anhebung des Beschäftigungsniveaus innerhalb der nächsten zwölf Monate.