Hagen. Der Chef des regionalen Energieversorgers Enervie erklärt, warum die Energiepreise so hoch sind – und kündigt selbst Preiserhöhungen an.
Die Energiepreise sind in den vergangenen Monaten auf ein Rekordhoch gestiegen. Das merken Verbraucher unmittelbar an der Zapfsäule und im Portemonnaie. Ausgerechnet zu Beginn der kalten Jahreszeit sind aber auch die Preise für Öl, Gas und Strom besonders hoch. Woran liegt es und was bedeutet es für Verbraucher? Erik Höhne, Vorstandschef des regionalen Energieversorgers Enervie erklärt es.
Was sind die Gründe für die hohen Preise?
Vor 15 Monaten waren die Gaspreise durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie noch extrem niedrig. Wenig Nachfrage bedeutet niedrige Preise. Umgekehrt ist die Nachfrage nun weltweit extrem gestiegen. „Wir haben jetzt eine extreme Preisrallye, wie wir sie so bislang nicht kannten“, sagt Erik Höhne. Seit Ende 2020 seien die Gaspreise kontinuierlich gestiegen. Stark getrieben von der Nachfrage in Asien. Beispiel Olympia in Japan mit einer Hitzewelle und den dort weit verbreiteten Klimaanlagen, die rund um die Uhr liefen. Dazu wenig Niederschlag beispielsweise in China, wo die Wasserkraftwerke weniger Energie als üblich lieferten. Gleichzeitig eine überraschend schnelle Erholung der Wirtschaft mit hohen Energiebedarfen.
„Viel Flüssiggas (LNG) wird seitdem nach Asien geliefert“, sagt Höhne. Durch den seit Monaten steigenden Gaspreis sind zudem die Speicher in Deutschland nur mäßig gefüllt. Dieser Sicherheitspuffer, der neben der Versorgungssicherheit auch Flexibilität beim Einkauf verschafft, fehlt.
Wird Gas bei uns knapp?
„Es wird sicher keinen Blackout geben, nicht ernsthaft. Wir haben immer noch eine hohe Versorgungssicherheit. Die Energie wird nur teuer“, sagt der Enervie-Chef. Mittelfristig könnte Nord Stream 2 Entlastung bringen.
Wird es teurer?
Viele Anbieter (etwa 40) haben bereits Preiserhöhungen angekündigt. Wird Enervie (mit der Mark-E und den Stadtwerken Lüdenscheid) auch die Preise erhöhen? „Auch wir gehen davon aus, dass wir die Preise möglicherweise schon zum Jahreswechsel erhöhen müssen.“ Allerdings, so Höhne, verschaffe ein langfristiger Einkauf von Gas und Strom dem Versorger den Spielraum, die aktuellen Preissteigerungen nicht eins zu eins an die Kunden weitergeben zu müssen. Andernfalls wäre eine Verdoppelung des Preises notwendig. Die Unternehmen, die Erhöhungen verkündet haben, ziehen im Durchschnitt um rund 12 Prozent die Preise an.
Betrifft dies auch die Industrie?
Weniger, weil die Lieferverträge mit den Versorgern in er Regel feste Laufzeiten und Preise vorsehen. Was Privatkunden in gewissem Umfang mit entsprechenden Tarifen auch tun könnten. Bei der Mark-E beispielsweise mit einem Fix-Gastarif, der zwei Jahre Preisstabilität verspricht. Zum richtigen Zeitpunkt abgeschlossen, hat man Ruhe.
Das Wechselkarussell
Bei Preissteigerungen suchen Kunden nach Alternativen. Wird sich das Wechselkarussell jetzt schneller drehen? „Das kann sein. Preissteigerungen sind immer ein Grund für Kunden, sich umzuschauen. Allerdings ist der ein oder andere vielleicht auch ganz froh, bei seinem heimischen Energieversorger zu sein“, spielt Höhne darauf an, dass jüngst einige, meist kleine Anbieter die Gaslieferungen eingestellt haben. Deren Kunden fallen dann erst einmal in die teure Grundsicherung. Im September hatte die Firma Deutsche Energiepool als erster deutscher Gasversorger mitgeteilt, vielen Kunden die Gas-Lieferverträge gekündigt zu haben. Der große Eon-Konzern aus Essen sprang neben anderen wie der AVU aus Gevelsberg als zuständiger Grundversorger ein und macht dies nach eigenen Angaben auch weiterhin. Allerdings hat man in Essen seit einigen Tagen das reguläre Neukundengeschäft beim Gas gestoppt. Wegen der Preisentwicklung wird nun erst einmal nachgerechnet.
Bedeutet ein hoher Gaspreis auch hohe Strompreise?
In der Tat ja. Auch die Strompreise sind deutlich gestiegen. Liefen im vergangenen Jahr bei niedrigen Gaspreisen Gaskraftwerke auf Hochtouren, fahren nun die Kohlekraftwerke die Leistungen hoch.
Wäre Atomkraft sinnvoll?
Machen es die Franzosen mit Energieversorgung über Atomkraftwerke besser als die Deutschen? „Ich glaube nicht, dass sie es besser machen, aber das ist auch eine gesellschaftspolitische Frage“, sagt Erik Höhne. Kernkraft sei mindestens bei der Frage des Atommülls nach wie vor eine Hypothek auf die Zukunft. „Wir versuchen gerade beim Klima auf Regenerative Energien zu setzen, um für die nächsten Generationen eine weiterhin lebenswerte Welt zu hinterlassen. Da passt Atomkraft mit ungelösten Fragen der Altlasten nicht dazu, meine ich.“
Die Vorräte in Deutschland
Der Erdgaspreis steigt seit Monaten und befand sich vor einer Woche auf einem Mehrjahreshoch. Wie schwankend der Börsenpreis ist, zeigten die vergangenen Tage. Bis Mittwoch gab der Preis plötzlich wieder um 30 Prozent nach. Wann die Preise wieder auf Normalniveau sinken könnten, wagen selbst Experten derzeit kaum zu sagen.
Die Vorräte in den großen Gasspeichern in Deutschland sind aktuell unterdurchschnittlich. Vergangene Woche lag der Durchschnittsfüllstand bei 68,4 Prozent.